Süddeutsche Zeitung

Wirtschaft in Bayern:Nächste Ausfahrt: Goldgrube

  • In München werden die Gewerbeflächen knapp, darum siedeln sich immer mehr Unternehmen im Umland an.
  • Die Gewerbegebiete liegen günstig und haben große Einzugsgebiete.
  • Schwaben profitiert davon, aber auch andere Regierungsbezirke.

Von Florian Fuchs, Augsburg

Mit drei Personen hat Carola Graul vor 28 Jahren angefangen in ihrem gleichnamigen Küchenstudio gleich an der Autobahnausfahrt in Adelsried. Heute hat sie 35 Mitarbeiter. Das Küchenstudio ist stark gewachsen über die Jahre, mit dem Standort hatte Graul ein glückliches Händchen: Adelsried ist für sie Heimat, dort ein Studio zu eröffnen, lag nahe. Durch die gute Lage direkt an der A 8 deckt sie aber auch ein großes Einzugsgebiet ab. "Unsere Kunden wohnen vor allem entlang der A 8 und können uns gut erreichen", sagt sie. Nicht nur aus Augsburg, auch bis aus München fahren Leute zu ihr, die eine neue Küche brauchen.

28 Jahre Küchenstudio, damit ist Graul so etwas wie eine Pionierin in einem Gebiet, in dem Gewerbestandorte immer gefragter werden. Rund um München sind kaum mehr Flächen zu finden nahe der Autobahn, so gehen vor allem Logistikunternehmen, die viel Platz brauchen, aber auch Händler und produzierendes Gewerbe gerne an die Ausfahrten der großen Verkehrsachsen. Schwaben ist da weit vorne, das ist gut abzulesen an den Standorten für Logistikunternehmen. Dort ist, sagt Peter Stöferle, vor allem das Viereck zwischen Augsburg, Ulm, Memmingen und Buchloe bedeutsam. "Studien zeigen, dass das einer der Hotspots in Deutschland ist", sagt der Bereichsleiter Mobilität und Stadtentwicklung der Industrie- und Handelskammer Schwaben. Die Unternehmen haben eine gute Anbindung nach Norden, Süden, Osten und Westen. Und für Gemeinden ist Gewerbeansiedlung sowieso eine Goldgrube, auch wenn sich Diskussionen um Flächenversiegelung immer mehr hochschaukeln.

Auf dem Gewerbepark "Acht 300" an der Autobahnabfahrt Dasing zwischen München und Augsburg etwa hat gerade der Paketdienstleister DPD ein großes Verteilerzentrum eröffnet: 53 500 Quadratmeter Grundfläche, 45 Millionen Euro Investitionssumme. 93 000 Päckchen sollen dort täglich verarbeitet werden. Der Paketdienst findet sich in bester Gesellschaft, gleich nebenan hat die Supermarktkette Norma ein Verteilzentrum. Der Standort ist beliebt, weil neben der A 8 auch direkt die Bundesstraße 300 vorbeiführt, rüber nach Ingolstadt und zur A 9. "26 Hektar sind auf dem Areal bebaubar. Heute haben wir nur noch 800 Quadratmeter zu vergeben", sagt Klaus Habermann, Bürgermeister von Aichach. Die Stadt betreibt das Gewerbegebiet gemeinsam mit dem Nachbarort Dasing. So vermeiden die Kommunen Konkurrenz. "Und so sparen wir auch Fläche, als wenn jeder sein eigenes Gebiet ausweisen würde", sagt Habermann. Von der großen Goldgrube will er nicht sprechen, er verweist lieber auf die 1000 Arbeitsplätze, die dort entstanden sind. "Das sind ortsnahe Beschäftigungsmöglichkeiten, das ist wichtig für uns."

Die Bedeutung für den Wirtschaftsstandort Schwaben streicht auch Stöferle heraus. Mit dem Logistikunternehmen Dachser und auch dem riesigen Zentrum von Amazon an der Bundesstraße 17 sind international führende Konzerne in der Region ansässig. Die Standorte sind so begehrt, dass Kommunen auswählen können: Das sogenannte "Areal Pro" zum Beispiel, ein Gewerbegebiet nahe Günzburg, hat dem Internethändler Zalando eine Absage erteilt, dort einen Standort zu eröffnen. Die beteiligten Kommunen befürchteten, dass dort vor allem nicht-qualifizierte Arbeitsplätze entstehen sollten.

Logistiker, Produzenten und Händler sind laut Mobilitätsexperte Stöferle typischerweise in Gewerbegebieten vorhanden. Händler und Outletcenter mit innenstadtrelevanten Handel wie etwa Kleiderläden sieht die IHK dabei allerdings auch kritisch. "Das zieht Kaufkraft ab und schadet den Innenstädten", sagt Stöferle. In Jettingen-Scheppach zwischen Augsburg und Ulm gibt es so ein Gebiet mit vielen Outlets. Doch auch den umgekehrten Trend hat Stöferle beobachtet. Supermarktketten eröffnen schon länger zunehmend Filialen in Innenstädten. Selbst Möbelhäuser wie Ikea überdenken ihre Strategie und planen kleine Showrooms in den Metropolen, mit ausgewähltem Sortiment. "Generell steigt der Motorisierungsgrad", sagt Stöferle. "Aber gerade junge Leute in Großstädten bewegen sich immer öfter ohne Auto." Da ist es für die Händler logisch, dem Kunden entgegenzukommen.

So hat es auch Carola Graul mit ihrem Küchenstudio gemacht. Sie hat inzwischen zusätzlich eine Filiale in Augsburg eröffnet, für teure Küchen im Wert von bis zu 100 000 Euro. In ihrem Showroom bietet sie auch Kochkurse und Grillseminare an. "Für einen Küchenkauf ist es kein Problem, dass der Kunde aus der Stadt herausfährt", sagt sie. "Für Events wäre das unpraktisch. Nach einem Glas Sekt will keiner mehr Auto fahren."

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SZ vom 10.02.2020/vewo
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