Süddeutsche Zeitung

Vereinigung der Pflegenden:Mehr Frust als Freude über den Pflegebonus

In den Genuss des zusätzliche Geldes sind viele Pflegekräfte nicht gekommen. Ihre Vertreter fordern nun, mehr in die Ausbildung zu investieren statt in Einmal-Zahlungen.

Von Dietrich Mittler

Mehrmals bereits hat Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) betont, dass er eine Pflegereform anstrebt. An diesem Mittwoch wird er unter Beweis stellen können, wie ernst ihm dieses Thema ist. Auf seinem Terminplan steht am Abend ein Treffen mit Georg Sigl-Lehner, dem Präsidenten der Vereinigung der Pflegenden in Bayern. Sigl-Lehner will dem Minister viele Vorschläge unterbreiten - zusammengefasst auf dreieinviertel eng beschriebenen Seiten. "Den Pflegekräften geht es in allererster Linie um eine Personalausstattung, die dafür sorgt, dass sie wieder sichere Dienstpläne haben", sagte Sigl-Lehner am Dienstag. Überstunden dürften sich auf den Stationen "nicht mehr im bisherigen Maße aufbauen".

Thema des Gesprächs, so hofft Sigl-Lehner, dürfte auch sein, wie sich "Zulagen sowie die Zuschläge für Dienste zu ungünstigen Zeiten steuerfrei stellen lassen". Holetschek sieht "da durchaus Potenzial", wie er auf Nachfrage erklärte. Und es gelte auch darüber nachzudenken, wie die Politik intelligente Arbeitszeit-Modelle in der Pflege unterstützen kann. "Wir müssen diese Pandemie als Chance nutzen, einen großen Wurf zu wagen", sagte der Minister.

Ein Thema aber wird eher nicht zur Sprache kommen. "Bayern", so ist sich Sigl-Lehner sicher, "wird keinen neuen Pflegebonus mehr auflegen". Hierzu habe er bereits klare Signale wahrgenommen. Signale, die Sigl-Lehner mit Genugtuung zur Kenntnis nimmt. "Ich gönne Pflegekräften jeden Euro", betonte er. Aber Fakt sei doch, dass viele, die sich den Bonus erhofft hatten, keinen bekommen haben. Davon zeugen auch Hunderte von Klagen, die bei Bayerns Verwaltungsgerichten anliegen. Da geht es etwa um Beschäftigte in Altenheimen oder Kliniken, die bei der Auszahlung des Pflegebonus leer ausgingen. Am Aschermittwoch will das Verwaltungsgericht München auf solche Klagen eingehen.

Mit dem Bonus wollte die Politik angesichts der Corona-Pandemie zum Ausdruck bringen, wie sehr sie die Leistung der Pflegekräfte im Freistaat wertschätzt. "Insgesamt hat das Bayerische Landesamt für Pflege nun mehr als 117 Millionen Euro ausbezahlt", heißt es dazu aus dem Gesundheitsministerium. Mit Ende der Antragsfrist Ende Juni 2020 seien insgesamt 351 428 Anträge beim Landesamt eingegangen. Fast 81 Prozent davon seien bewilligt worden.

Wie viel Frustration das bei jenen auslöst, die keinen Bonus erhielten, hatte die Politik indes nicht im Blick. "Wissen die eigentlich, was sie tun?", machte Heinrich Kletzner (die Namen aller Pflegekräfte wurden geändert) seinem Ärger Luft. Anscheinend, so teilte er der Vereinigung der Pflegenden mit, "ist es vom jeweiligen Sachbearbeiter abhängig, wer den Bonus bekommt." Silke Maas wiederum schrieb, sie und ihre Kolleginnen und Kollegen in der ambulanten Pflege hätten den Bonus im April beantragt - nur eine habe ihn erhalten. "Mit Anerkennung für diesen Beruf hat das nicht viel zu tun. Es frustriert eher."

Robert Hinke, bei der Gewerkschaft Verdi auch für die Pflegebranche zuständig, ist skeptisch: "Wir gehen davon aus, dass aufgrund der rigiden Vorgaben der Staatsregierung etliche dieser Klagen hinfällig sein werden", sagte er. Viele Arbeitnehmer, so etwa auch die Reinigungskräfte in den Kliniken, die bei ihrer Arbeit in Pandemiezeiten einem hohen Infektionsrisiko ausgesetzt seien, hätten zwar ebenfalls einen Bonus verdient, bekommen ihn aber nicht.

Dass Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) nun eine weitere Corona-Prämie plant, löst in der Vereinigung der Pflegenden in Bayern - wie zu erwarten - Kritik aus. "Man sollte diese 450 Millionen Euro, die wieder nur einen kleinen Teil der Pflegekräfte erreichen werden, lieber in die Pflege-Ausbildung investieren", sagte Georg Sigl-Lehner.

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SZ vom 17.02.2021/vewo
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