Peter Prönner (Name geändert) hat gelernt, mit Aids zu leben. "Ich musste damit leben lernen", sagt er - und das heißt: Ängste überwinden, diszipliniert die Medikamente nehmen. Aber vor allem: Lebensmut aufbauen, soziale Kontakte pflegen, sich Herausforderungen stellen. 1985, als Krankenhausärzte nach der Ursache für seine schwere Lungenentzündung suchten und schließlich die Diagnose Aids stellten, da war Prönner dem Tod näher als dem Leben. Und irgendwie fassungslos: "Ich Aids?", fragte er sich. Nie im Leben hätte er das geglaubt. Heute weiß der 70-jährige Unterfranke: Der HIV-Test im Krankenhaus hat ihn letztlich gerettet. Sein Appell ist deshalb unmissverständlich: "Insbesondere junge Menschen sollten sich unbedingt auf HIV testen lassen - egal ob schwul oder hetero!"
Gelegenheiten zum Test gibt es reichlich. Um darauf hinzuweisen, startet an diesem Montag die bayerische HIV-Testwoche. "Aids ist zwar mittlerweile behandelbar, aber immer noch nicht heilbar", betont Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU). Das Risiko einer HIV-Ansteckung dürfe folglich nicht unterschätzt werden. Etliche Betroffene wüssten gar nicht, dass sie HIV-positiv seien. Einer Schätzung des Robert Koch-Instituts (RKI) zufolge haben sich im Vorjahr im Freistaat etwa 290 Menschen neu mit dem HI-Virus infiziert, darunter 45 Frauen. Ende 2018 hätten in Bayern laut RKI mehr als 11 800 Menschen mit dem tückischen Erreger gelebt - rund 9400 Männer und 2400 Frauen. "Etwa 1300 hatten keine entsprechende Diagnose", heißt es aus Humls Ministerium. Im Klartext: Sie waren so ahnungslos wie Peter Prönner vor 35 Jahren.
Je früher aber der Erreger im Körper entdeckt wird, um so eher lassen sich auch Gegenmaßnahmen einleiten und gesundheitliche Schäden eingrenzen. Die Therapiemöglichkeiten bei Aids sind heute weit effektiver, betont auch Prönner. Für RKI-Präsident Lothar Wieler ist es Fakt: "Bei Spätdiagnosen ist die Sterblichkeit höher." Es gelte folglich, die Testangebote noch weiter zu verbessern. Seit den 1980er-Jahren, als die Epidemie ihren Lauf nahm, sind in Deutschland schätzungsweise 29 200 Menschen an Aids gestorben. Zu ihnen zählt auch Peter Prönners Lebenspartner. "Das war der Punkt, an dem ich damals nicht mehr weiterleben wollte. Er war meine Liebe", sagt er.
Aber das Leben ging für Prönner weiter. Auch wenn er lange brauchte, um in sich selbst wieder Halt zu finden, er hielt durch. Anfangs, als er seine Aids-Diagnose erhielt, hätte er sich solche Kräfte gar nicht zugetraut. "1985 habe ich geglaubt, in einem dreiviertel Jahr bin ich dran. Ich habe mich also drauf eingestellt, meine Möbel zu verkaufen und mein Testament zu machen", sagt er.
Im Grunde genommen habe er nur drei Möglichkeiten gehabt: "Angesichts der Diagnose durchzudrehen, zweitens sie völlig zu ignorieren, oder drittens, sie anzunehmen und das Beste daraus zu machen." Er habe sich für Möglichkeit drei entschieden.
Dank sich stetig verbessernder Therapieangebote kann Prönner nun sagen: "Heute kann ich mit dieser Krankheit ein normales Leben führen." Mit einer Einschränkung allerdings, die Medikamente seien mit starken Nebenwirkungen verbunden. Dennoch: In den vergangenen 15 Jahren hat sich die Zahl jener Menschen, die in Bayern mit HIV leben, mehr als verdoppelt. Die zweite Nachricht aus dem Gesundheitsministerium in München: Die Zahl der HIV-Neuinfektionen ist in Bayern gegenüber dem Vorjahr erneut etwas zurückgegangen. Doch für Ministerin Melanie Huml ist dies kein Grund zur Entwarnung. "Ein konsequenter Schutz vor einer Ansteckung ist weiterhin notwendig", sagt sie.
Während der bis zum 1. Dezember laufenden HIV-Testwoche finden in ganz Bayern zahlreiche Aktionen und Veranstaltungen statt (Programm im Internet unter www.testjetzt.de). Gesundheitsämter, Aids-Beratungsstellen und Aids-Hilfen bieten Interessierten in dieser Zeit zusätzliche Testmöglichkeiten an. Darüber hinaus könnten auch in vielen Hausarztpraxen HIV-Schnelltests durchgeführt werden.
Peter Prönner, der mit seiner Krankheit stets offen umging, hofft, dass viele die Angebote auch nutzen. "Ich kann mir vorstellen, dass manch einer Angst hat, so eine Diagnose zu bekommen", sagt er. Andererseits: Was sei das denn für eine Haltung, "die Augen zuzumachen, weil man glaubt, ein HIV-positives Testergebnis nicht ertragen zu können". Er wird deutlich: "Aber sie können es ertragen, andere anzustecken." Außerdem, es gebe doch Wege, sich vor Aids zu schützen - im Zweifel klassisch durch Kondome.