Umstrittene Regelung:Die Regierung gibt die Gams zum Abschuss frei

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Um die Gams gibt es seit Jahren erbitterten Streit zwischen Förstern und Jägern. Die einen bangen um die Zukunft der Wälder, die anderen um die Tierbestände. (Foto: Ralf Kistowski/Imago)

Per Verordnung wurden die Schonzeiten für Gämsen, Rotwild und Rehe aufgehoben – zum Schutz der Bergwälder, wie es heißt. Es wird damit gerechnet, dass Naturschützer noch vor Weihnachten gegen die Regelung klagen. Damit geht ein erbitterter Streit in die nächste Runde.

Von Christian Sebald

Der Streit um die Gams geht unerbittlich weiter. Am Freitag – zwei Tage vor Ablauf der Jagdzeit auf die Gams – hat die Regierung von Oberbayern verfügt, dass die Bayerischen Staatsforsten (BaySF) in bestimmten Bergwäldern weiter Gämsen abschießen dürfen. Sie haben dafür per Verordnung die Schonzeiten für die Tiere, aber auch für Rotwild und Rehe aufgehoben. Unmittelbar darauf hat die Wildbiologin und Vorsitzende des Vereins Wildes Bayern, Christine Miller, zu Protokoll gegeben: „Es kann nicht sein, dass sich die Bezirksregierung über geltendes Recht und ein höchstrichterliches Urteil hinwegsetzt. Deshalb werden wir gegen die neue Verordnung klagen.“ Es wird fest damit gerechnet, dass Millers Klage noch vor Weihnachten beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeht. Wie es dann weitergeht, ist offen.

Aus Sicht der Förster steht sehr viel auf dem Spiel. Denn es sind ganz spezielle Bergwälder, in denen weiter frei von Schonzeiten gejagt werden soll: sogenannte Schutzwälder, die seit Jahren mit immensem finanziellen, personellen und logistischen Aufwand saniert werden. Schutzwälder sind Bergwälder, die Ortschaften, Straßen und andere Verkehrswege vor Lawinen, Muren und Sturzfluten bewahren sollen. Außerdem sollen sie die Hochwassergefahr verringern, indem sie das schnelle Abfließen von Niederschlägen aus den Bergen verzögern.

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Mehr als die Hälfte der bayerischen Bergwälder sind als Schutzwälder klassifiziert. Viele sind in schlechtem Zustand und werden mit Millionenaufwand saniert. Unter anderem wurden in ihnen 13,5 Millionen junge Tannen, Buchen und andere Bäumchen gepflanzt. Die Setzlinge haben es schwer in der rauen Bergwelt, sie wachsen nur sehr langsam. Außerdem sind sie ein willkommenes Fressen für Gämsen, das Rotwild und die Rehe. Wenn man die Tiere nicht konsequent fernhält aus den Sanierungsgebieten, ist es mit den jungen Bäumchen schnell dahin. Deshalb die scharfe Jagd dort ohne Schonzeiten.

Miller versteht sich als Anwältin der Gämsen und kämpft seit Jahren gegen die Aufhebung von Schonzeiten. Im Herbst schloss sich das Bundesverwaltungsgericht ihrer Überzeugung an, dass die Jagd ohne Schonzeiten gegen europäisches Naturschutzrecht verstößt. Und zwar nicht nur, was die Gams anbelangt. Sondern auch die Auer- und Birkhühner sowie die Steinadler und die Wanderfalken. Denn all diese streng geschützten Vogelarten leben in den gleichen Lebensräumen wie die Gams und werden, so Millers Argument, durch die Jagd ohne Schonzeit massiv gestört. Eine Verträglichkeitsprüfung sei das Mindeste, was für die Gamsjagd ohne Schonzeit erforderlich sei.

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Die Bezirksregierung stand vor einem Dilemma. Bisher ist nur der mündlich vorgetragene Urteilstenor bekannt, die schriftliche Begründung des Spruchs steht aus. Sie wird aber als notwendig erachtet für den Erlass einer rechtssicheren neuen Verordnung. Auf der anderen Seite drängte die Zeit. Und zwar ungeheuer. Denn die Schonzeit für die Gams beginnt jedes Jahr am 15. Dezember. Wenn die neue Verordnung für die Gamsjagd ohne Schonzeit bis dahin nicht erlassen ist, sind aus Sicht der BaySF ihre Bemühungen um die Schutzwaldsanierung in akuter Gefahr.

Die Bezirksregierung hat nun den Mittelweg gewählt. Sie hat in die neue Verordnung jede zusätzliche Menge Regularien für den Schutz der Vogelwelt vor etwaigen negativen Auswirkungen der Jagd auf die Gams aufgenommen. Dazu zählen beispielsweise Abstände, die die Jäger zu Balz- oder Brutplätzen und Horsten einhalten müssen, oder Uhrzeiten, in denen das jeweilige Jagdgebiet betreten werden darf. Derzeit traut sich aber keiner eine Prognose zu, ob die neue Verordnung Bestand haben wird vor den Richtern.

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