Naturschutz:Der Gams geht es besser, als viele Jäger befürchten

Lesezeit: 3 Min.

Wollen hoch hinaus: Gämsen in freier Wildbahn leben weit oben in den Bergen in Höhen über 2000 Meter. (Foto: Mauritius Images)

Vor allem Jäger fürchten immer wieder um das Symboltier der Bergwelt. Neue Monitoringzahlen der Staatsforsten ergeben aber keinen Hinweis, dass das berechtigt ist. Sie bestätigen vielmehr andere Forschungen.

Von Christian Sebald

Die Gämsen sind die Symboltiere der bayerischen Berge, und zwar für Almbauern, Jäger, Bergsteiger und Naturliebhaber gleichermaßen. Denn sie leben hoch oben, wo es steil und felsig ist. Außerdem sind sie extrem geschickte Kletterer, sie springen locker zwei Meter hoch und sechs Meter weit. Und sie sind extrem schnell. Wenn sie lossprinten, erreichen sie schon mal Tempo 50 – sogar in abschüssigem Gelände.

Dennoch gibt es immer wieder Streit um die Gämsen. Vor allem in Jäger-Kreisen wird befürchtet, dass es schlecht steht um die Tiere. Der Grund ist, dass Gämsen teils scharf bejagt werden.  In den bayerischen Bergen werden gut 4000 Stück pro Jahr geschossen. „Katastrophale Zustände“ und „überjagt“, lauten die Urteile mancher Jäger. Bisweilen wird sogar von „Ausrottung“ gesprochen. Jüngst hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof eine Verordnung kassiert, die die scharfe Jagd möglich machte.

Längst mehren sich freilich die Erkenntnisse, dass es den Gämsen gut geht in den bayerischen Bergen und ihre Bestände mindestens stabil sind. Die aktuelle Einschätzung stammt von Jagdminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) und den Bayerischen Staatsforsten (BaySF), die in mehr als der Hälfte der bayerischen Bergwelt für die Jagd und damit für das Wild dort zuständig sind. Seit fünf Jahren läuft bei den BaySF ein spezielles Gams-Monitoring. Die Bestände, die sie dabei ermitteln, legen nahe, dass die bayerischen Gams-Bestände stabil sind und die Art vital ist. Die Zahlen bewegen sich seit der zweiten Zählung 2021 in der gleichen Größenordnung. 2021 meldeten die BaySF 1873 Gämsen, 2022 waren es 2060, 2023 – das einzige Jahr mit einem Rückgang – 1894 und 2024 sind es mit 1982 Gämsen wieder deutlich mehr Tiere gewesen als im Vorjahr.

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Jagdminister Aiwanger ist denn auch erfreut über die Ergebnisse. „Die aktuellen Bestandszählungen bestätigen erfreulicherweise einen positiven Trend“, sagt er. „Es wurden mehr Tiere gesichtet als in den letzten Jahren.“ Die BaySF erfüllten den Auftrag, die „Bestände nachhaltig zu bewirtschaften“, die Art müsse „stabil und gesund für die Nachwelt erhalten werden“. Staatsforsten-Vorstand Rudolf Plochmann, der für die Jagd in dem Staatsunternehmen zuständig ist, sichert denn auch zu, dass bei den BaySF die Jagd auf die Gams und der Schutz der Art „Hand in Hand gehen“. Man sei sich der Verantwortung für die Tiere „sehr bewusst“.

Nun sind solche Zählungen immer mit zahlreichen Unwägbarkeiten behaftet – allein schon, weil Gämsen wie alle Wildtiere sehr scheu sind und die Beobachter niemals alle Tiere in einer Region zu Gesicht bekommen, geschweige denn abschätzen können, wie groß der jeweilige Ausschnitt im Vergleich zur tatsächlichen Population ist.  Um zumindest ein gewisses Maß an Sicherheit zu erlangen, lassen die BaySF das Monitoring jedes Jahr an den gleichen, knapp hundert Beobachtungspunkten und in der gleichen Jahreszeit zwischen Ende Juli und Oktober stattfinden.

Außerdem werden weitere Daten erfasst, etwa über den Zustand der Hörner und die Kiefer der Tiere, die in den jeweiligen Gebieten erlegt werden. Über die Jahre hinweg lassen sich so zumindest Trends erkennen, also ob es aufwärts oder abwärts mit der Population geht, oder ob sie stabil ist. Nach etwa zehn Jahren, so heißt es bei den BaySF, werde eine „abgesicherte Beurteilung der Populationsentwicklung möglich sein.“

Wenn die BaySF da mal nicht zu vorsichtig sind. Denn ihr Monitoring ist ja nicht das einzige Projekt über die Gams in Bayern. An der Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) in München-Freising und im Nationalpark Berchtesgaden laufen weitere groß angelegte Forschungsprojekte über die Art in Bayern.  Sie haben ebenfalls keinerlei Hinweis ergeben, dass es in irgendeiner Weise schlecht bestellt sein könnte um die Gams in Bayern.

Das Projekt an der LWF gilt unter Experten wie dem langjährigen Wildtierökologen an der TU München, Professor Wolfgang Schröder, als „einzigartig im gesamten Alpenraum“. Die Gründe sind der extrem hohe Aufwand und die völlig neuen wissenschaftlichen Methoden der Biologin Wibke Peters und ihrer Kollegen. Anders als die BaySF, die die Gamsbestände quer durch die bayerischen Berge zählen, haben sich die LWF-Forscher in ihren Forschungen auf zwei Regionen im Karwendel und an der Chiemgauer Kampenwand konzentriert. Dafür lieferten sie konkrete Zahlen über die jeweiligen Bestände dort.  Allein in dem Untersuchungsgebiet im Karwendel leben demnach gut 1000 Gämsen oder etwa 19 Stück je 100 Hektar. Mit einer so riesigen Population hatte dort niemand gerechnet.  Selbst erfahrene Experten wie Schröder waren von den Daten komplett überrascht.

In einer früheren Version war von 19 Gämsen pro Hektar die Rede. Richtig sind 19 pro 100 Hektar. Wir haben den Fehler korrigiert.

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