Landkreis Ostallgäu:Lehrer-Bashing im Füssener Rathaus

Landkreis Ostallgäu: Füssen, eine lebendig gewordenes Postkartenmotiv. Doch diese Idylle sucht man im Füssener Stadtrat aber gerade vergeblich.

Füssen, eine lebendig gewordenes Postkartenmotiv. Doch diese Idylle sucht man im Füssener Stadtrat aber gerade vergeblich.

(Foto: IMAGO/Alexander Rochau)

Ein Stadtrat beleidigt während einer Sitzung eine Kollegin und damit den gesamten Berufsstand der Lehrer. Die Folge: ein Aufschrei.

Glosse von Florian Fuchs

Lehrer, das ist kein Geheimnis, haben ständig Ferien, einen Halbtagsjob bei vollem Gehalt, und tragen Cordhosen mit Schlabberpullis. Meistens sind sie ohnehin nur Lehrer geworden, weil sie für richtige Berufe nicht ausreichend qualifiziert waren. Das sind die Fakten, die sind nicht wegzudiskutieren, wenn man die größten Vorurteile über Lehrer aufzählen wollte. Will man aber eigentlich gar nicht. Nicht umsonst sucht der halbe Freistaat nach Lehrkräften, auch in anderen Bundesländern. Lehrer sind wichtig, schließlich sollen sie entscheidend dazu beitragen, dass die eigenen Kinder mal vernünftige Berufe ergreifen. Insofern ist das natürlich gesellschaftlicher Konsens: Lehrerinnen und Lehrer sind toll.

Vorurteile gegen Lehrer sind trotzdem oft mal schnell bei der Hand, wie letztens im Stadtrat zu Füssen. Da diskutierten die Stadträte eigentlich über einen Radweg am Hopfensee, als die frühere SPD-Landtagsabgeordnete Ilona Deckwerth das Wort ergriff. Einem Kollegen der Gruppierung Bürger für Füssen war der Redebeitrag offenbar zu langatmig, er wollte doch lieber schnell ins Bett. Jedenfalls platzte ihm, so berichtet es unter anderem die Allgäuer Zeitung aus dem Stadtrat, schwer genervt der Kragen. Deckwerth solle aufhören, die Sitzung unnötig in die Länge zu ziehen. "Hier gibt es ein paar Leute, die am nächsten Tag wirklich arbeiten müssen und nicht nur ein paar Kinder betreuen."

Der Radweg am Hopfensee war plötzlich gar nicht mehr so wichtig. Die Freien Wähler beschwerten sich, die CSU beschwerte sich, der Bürgermeister rügte den unsachlichen Beitrag. Der Stadtrat entschuldigte sich umgehend, hat jetzt aber intern in der Fraktionsgemeinschaft mit den Grünen auch noch Ärger: Zwei der drei Kolleginnen und Kollegen dort sind selbst Lehrer.

Zur Strafe könnte man den Querulanten nun Cordhosen mit Schlabberpullis tragen oder Massen an Touristen durch Schloss Neuschwanstein führen lassen. Zielführender wäre es vermutlich, ihn eine Zeit lang im Gymnasium oder anderen Schularten pubertierenden Jugendlichen gegenüber zu stellen, denen er die Weihen der Mathematik und die Fallstricke einer Gedichtanalyse beibringen müsste, ohne dabei die Nerven zu verlieren und ausfällig zu werden. Vermutlich würde ihm das übel zusetzen. Außer natürlich an Nachmittagen und in den Ferien: Da hätte er frei.

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