Freie Wähler:"Die Gesamtsituation ist im Moment relativ komfortabel für uns"

Freie Wähler: Natürliche Partner? FW-Fraktionschef Florian Streibl (vorne) und CSU-Chef Markus Söder betonen gerne das gute Verhältnis in der Koalition. Doch nun steht der Wahlkampf an.

Natürliche Partner? FW-Fraktionschef Florian Streibl (vorne) und CSU-Chef Markus Söder betonen gerne das gute Verhältnis in der Koalition. Doch nun steht der Wahlkampf an.

(Foto: Sven Hoppe/dpa)

Die Freien Wähler starten selbstbewusst in ihre Winterklausur - rein rechnerisch geht ohne sie nichts. Doch im Wahlkampf buhlen sie mit der CSU um die gleichen Zielgruppen. Das könnte hart werden.

Von Andreas Glas, München

Hat Florian Streibl das wirklich gerade gesagt? Augenmaß? Er finde schon, "dass wir in Bayern momentan auf einem guten Weg mit Augenmaß sind", sagt der Landtagsfraktionschef der Freien Wähler über die Politik in der Pandemie. Kopiert da einer die Wortwahl des Ministerpräsidenten? Seit Neuestem predigt Markus Söder ja, dass seine CSU nicht mehr nur im "Team Vorsicht" spiele, sondern auch im "Team Augenmaß". Weniger Härte, mehr Freiheit, das ist Söders neue Corona-Botschaft. Daran könne man sehen, "dass die CSU auf die Linie der Freien Wähler einschwenkt", sagt FW-Fraktionschef Streibl.

Forsche Töne, mit denen die FW-Abgeordneten an diesem Mittwoch im Maximilianeum in ihre Winterklausur starten - und damit ins neue Politikjahr. Dabei taugten die ersten Nachrichten des Jahres gar nicht als Booster fürs Selbstbewusstsein. Vergangene Woche veröffentlichte Sat 1 eine Umfrage, wonach die Freien Wähler auf acht Prozent kämen, wäre jetzt Landtagswahl. Das wären gut dreieinhalb Prozentpunkte weniger als bei der Wahl 2018. Trotzdem sagt Fabian Mehring, Parlamentarischer Geschäftsführer der FW-Fraktion: "Die Gesamtsituation ist im Moment relativ komfortabel für uns."

Verlieren die FW ihr Alleinstellungsmerkmal?

Solche Parolen haben mit den Mehrheitsverhältnissen zu tun, die sich laut Umfrage ergeben würden. Weil die CSU nur auf 35 Prozent käme und die Ampelparteien Grüne (15), SPD (14) und FDP (9) zusammen 38 Prozent erhielten, "könnte keine Regierung ohne uns gebildet werden", sagt Mehring. "Deshalb sind wir selbstbewusst und guter Dinge." Die Frage ist allerdings, ob sich die Freien Wähler in falscher Sicherheit wiegen. Denn falls die Omikron-Variante des Coronavirus wirklich zulässt, dass die CSU einen liberaleren Kurs in der Pandemie fährt: Verlieren die Freien Wähler dann ihr Alleinstellungsmerkmal innerhalb der schwarz-orangen Koalition? Dass sie in der Koalition lange Zeit für einen weniger resoluten Kurs standen, brachte den Freien Wählern ja Sympathien bei CSU-Anhängern, denen die eigene Partei zu streng war - und 7,5 Prozent bei der Bundestagswahl in Bayern, mehr als doppelt so viele Stimmen wie 2017.

Mit einer sanfteren Corona-Politik könnte die CSU den Freien Wählern deren Stimmenzuwächse wieder streitig machen. Doch FW-Geschäftsführer Mehring gibt sich überzeugt, dass ein softer Söder seiner Partei unter dem Strich keine Stimmen kosten wird. "Die Menschen wollen nicht, dass eine Partei so stark ist, dass sie alles dominiert", sagt Mehring. Was er aber feststellt, nicht nur mit Blick auf Corona: "Die CSU will ihr ursprüngliches Klientel wieder bedienen."

Tatsächlich mehren sich die Indizien, dass Parteichef Söder die inhaltlichen Akzente der CSU nach der verpatzten Bundestagswahl (31,7 Prozent) gerade neu tariert. "Wir wollen uns natürlich wieder verstärkt um unsere Stammwähler kümmern. Landwirtschaft, Mittelstand, ländlicher Raum", sagte Söder vor ein paar Tagen. Er steckte damit exakt die Zielgruppen ab, die die Freien Wähler für sich reklamieren - und in denen sie der CSU in den vergangenen Jahren zahlreiche Stimmen klauen konnten, während Söder mit einem urbaneren Kurs weitgehend erfolglos um die Wählerinnen und Wähler der Grünen buhlte.

Die FDP wurde von der CSU förmlich erdrückt

Vieles deutet nun also darauf hin, dass die CSU noch stärker in Konkurrenz tritt zu ihrem Koalitionspartner. Bis zur Landtagswahl 2023 werden die Freien Wähler einen Weg finden müssen, damit umzugehen. Einfach dürfte das nicht werden, jedenfalls nicht, wenn die CSU den neuen Konkurrenzkampf so subtil fortführt, wie sie ihn gerade begonnen hat. "Wir arbeiten gut in der Koalition zusammen", sagte Ministerpräsident Söder neulich erst wieder. Dabei hatte er die Freien Wähler im Bundestagswahlkampf noch heftig attackiert. Wer beobachtet, wie zärtlich Söder plötzlich wieder über seinen Koalitionspartner spricht, fühlt sich erinnert an die Liebesszenen, die sich im Wahljahr 2013 im Bündnis aus CSU und FDP abspielten. "Horst Seehofer war schlau genug, nur gut über die FDP zu reden", hat der frühere FDP-Wirtschaftsminister Martin Zeil mal gesagt über den damaligen CSU-Ministerpräsidenten, der die Liberalen förmlich mit Harmoniebekundungen erdrückte - und ihnen damit die Luft nahm, sich als selbständige Partei zu profilieren. Das Resultat dieses Manövers ist bekannt: Die CSU holte die absolute Mehrheit zurück, die FDP flog aus dem Landtag.

Trotz der Gefahr, durch zu große Koalitionsharmonie an Profil und damit an Stimmen zu verlieren, pusten die Freien Wähler Söders Luftküsschen zurück. Die CSU sei "ganz klar unser natürlicher Partner und die erste Adresse" auch für künftige Koalitionen, sagt FW-Geschäftsführer Mehring. Und Fraktionschef Streibl betont, dass beide Parteien nach der Bundestagswahl "wieder näher zusammengerückt" seien. Die Koalition sei ein "Erfolgsmodell", man werde "in Zukunft mehr Kampfgemeinschaft sein, als dass wir uns gegenseitig bekriegen".

Bei ihrer Fraktionsklausur, von Mittwoch bis Freitag, werden sich die Freien Wähler unter anderem mit dem Thema Schule befassen. Gerade der Sportunterricht habe in der Pandemie gelitten, sagt Streibl. Nun gehe es darum, die Gesundheit der Schülerinnen und Schüler "wieder mehr ins Bewusstsein zu bringen". Hierzu haben die Freien Wähler mehrere Gesprächspartner geladen, darunter Dominik Klein, früherer Handball-Nationalspieler. Ein weiterer Schwerpunkt der Klausur wird die Pflege sein. "Wir benötigen viel mehr Menschen im System", sagt Streibl, "top ausgebildet, besser bezahlt und gesellschaftlich wertgeschätzt."

Schule, Pflege, beides soziale Themen, mit denen auch die CSU wieder stärker hausieren gehen möchte. Für die Freien Wähler wirklich keine Gefahr beim Stimmenfang? "Das Becken ist groß genug" für beide Parteien, sagt Fraktionschef Streibl, "wenn wir zum Wohl des Landes arbeiten wollen, müssen wir zusammenarbeiten". Früher oder später dürfte der Frieden allerdings ein Ende haben. Im Wahlkampf, sagt Streibl, werde man "wieder mehr miteinander hakeln".

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