Freie Wähler:Aiwanger will mit bayerischen Landräten in den Bundestag kommen

Lesezeit: 4 Min.

Blick in die Ferne: Hubert Aiwanger will es mit seinen Freien Wählern in den Bundestag schaffen. (Foto: Sascha Fromm/Imago)

Der FW-Chef will diesmal unbedingt bei der Bundestagswahl erfolgreich sein – über den Weg dreier Direktmandate. Dazu greift er auf erfahrene Kommunalpolitiker zurück. Einer von ihnen schickte 2016 einen Bus mit Asylbewerbern vors Kanzleramt.

Von Johann Osel

Um mit seinen Freien Wählern diesmal in den Bundestag zu kommen, greift Parteichef Hubert Aiwanger auf erfahrene Landräte zurück. Nach Informationen der SZ soll es ein entsprechendes Kandidaten-Team geben, dessen Mitglieder in Bayern Direktmandate holen sollen. Darunter befindet sich der Landshuter Landrat Peter Dreier. Sein FW-Kreisverband bestätigte inzwischen die Kandidatur auf Facebook. Außerdem soll die Oberallgäuer Landrätin Indra Baier-Müller zum Team gehören. Weitere Kandidaten mit kommunalpolitischer Erfahrung und in Aiwangers Augen guten Aussichten könnten noch dazukommen. Am Freitag soll es in München eine Pressekonferenz dazu geben.

Auf einem Bundesparteitag der Freien Wähler im unterfränkischen Geiselwind am Samstag soll das Team dann präsentiert werden – eher als symbolischer Akt, als Start der Kampagne zur Wahl im Februar. Denn auch die lokale Aufstellung muss ja noch stattfinden, die bayerische Landesliste mit voraussichtlich Hubert Aiwanger an der Spitze wählen die FW ebenfalls erst noch.

Landrat Peter Dreier hat bereits Spuren in Berlin hinterlassen. Im Januar 2016 schickte er einen Bus mit 31 Asylbewerbern vors Kanzleramt von Angela Merkel, um damit die Überlastung der Kommunen zu illustrieren. Sein Profil in Migrationsfragen würde zu Aiwangers kantigem Asylkurs passen – und womöglich auch in die Zeit. In den vergangenen Monaten hatte Dreier bundespolitische Ambitionen noch bestritten, auch auf SZ-Nachfrage. Er ist seit 2014 im Amt, die letzte Landratswahl 2020 gewann er mit 73 Prozent. Eine weitere Amtszeit strebt der 57-Jährige, unabhängig vom Ausgang der Bundestagswahl, nicht an. Der Wahlkreis Landshut ist eigentlich die Heimat von Aiwanger selbst – die Folge dürfte sein, dass der stellvertretende Ministerpräsident selbst in einem anderen niederbayerischen Wahlkreis antritt. Spekulationen gab es zuletzt, dass es sich um Rottal-Inn handeln könnte. Näheres wird wohl am Freitag zu erfahren sein.

Auch die schwäbische Landrätin Baier-Müller, 53, bespielt das Thema Migration häufig – für ihren Landkreis hat sie das Erreichen der „Kapazitätsgrenze“ bei der Aufnahme von Flüchtlingen erklärt. Sie kam erst 2020 ins Amt, hatte damals bei der Kommunalwahl einen Mitbewerber der CSU geschlagen – den früheren Sportfunktionär Alfons Hörmann. Am Donnerstag bestätigte der FW-Bezirksverband auch Baier-Müllers Kandidatur. Dessen Vorsitzender, der bayerische Digitalminister Fabian Mehring, schrieb dazu: „Wir brauchen Leute im neuen Bundestag, die wissen, was ihre Entscheidungen vor Ort bewirken.“

Peter Dreier, Landrat von Landshut, gehört zu den Hoffnungsträgern von FW-Chef Hubert Aiwanger. Der 57-Jährige hat bereits Spuren in Berlin hinterlassen. (Foto: Landratsamt Landshut)

Ziel von Hubert Aiwanger ist es, über drei Direktmandate bundesweit den Einzug in den Bundestag zu schaffen. Seit Längerem fahndet er nach passenden Kandidaten, seit dieser Woche führte er direkte Gespräche, war zu hören. Mit dem Wahlrecht, wie es auch nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Bestand hat, bleibt die sogenannte Grundmandatsklausel erhalten. Das heißt: Eine Partei, die deutschlandweit drei Direktmandate erringt, kommt ins Parlament, auch wenn sie an der Fünf-Prozent-Hürde scheitert. Die Fraktion hätte dann aber nicht nur die drei Mitglieder, sondern eine größere Personenstärke je nach Ergebnis.

In FW-Parteikreisen hieß es schon zuvor, dass man auf der Suche nach Bewerbern sei, die hohe Chancen hätten. Am besten wäre es nämlich, alle drei Direktmandate gleich in Bayern zu holen. Wenn dann noch weitere direkt Gewählte hinzukämen, etwa in Rheinland-Pfalz, wo die FW ebenfalls im Landtag sitzen – „gerne“.

Die Fünf-Prozent-Hürde bei der Bundestagswahl hatten die Freien Wähler auch schon vor dem Neuwahltermin im Grunde abgeschrieben; wenn auch nicht öffentlich. Erst kürzlich jubelte die bayerische FW-Generalsekretärin, die Landtagsabgeordnete Susann Enders, in einer Pressemitteilung über „steigende Umfragewerte“ – gemeint war aber nur: drei Prozent im ARD-Deutschlandtrend, ein Zuwachs von 0,6 Prozentpunkten im Vergleich mit dem nationalen Ergebnis bei der Bundestagswahl 2021. In etwa bei diesem Wert deutlich unterhalb der Fünf-Prozent-Hürde liegen die FW in Umfragen seit Langem, ohne Aufwärtstrend. Zuletzt gab es auch Rückschläge, etwa bei der Europawahl, wo der Partei selbst in Bayern nur 6,8 Prozent gelangen.

Bei der Bundestagswahl 2021 waren es nur magere 2,4 Prozent für die FW

Vielleicht wollte Generalsekretärin Enders nur noch mal das Anliegen transportieren, das auch Aiwanger mit dem Einzug in den Bundestag verknüpft: „In Bayern übernehmen wir seit 2018 Regierungsverantwortung und sorgen für eine stabile bürgerliche Koalition. Diese Stabilität braucht es ab 2025 auch im Bund.“ Konkret sehen sich die FW als Verhinderer einer Bundesregierung, der die Grünen oder auch die SPD wieder angehören – ein Wunschbündnis aus Union, FDP und FW. Aiwanger selbst hält sich nach wiederholter Aussage auf der Plattform X, ehemals Twitter, für höchst geeignet im Amt des Bundeswirtschaftsministers.

Bei der Landtagswahl 2023 hatte die Partei kräftig zugelegt: 15,8 Prozent, plus 4,2 Punkte. Einfluss darauf hatten wohl Solidarisierungseffekte mit Aiwanger in der Flugblatt-Affäre. Gerade in Niederbayern zeigte sich hier eine plötzliche Stärke der FW, von der man nun offensichtlich weiterhin zu zehren hofft. Manche in der Partei reden von Stammwählerschaft, die entstanden sein könnte. Das erklärt auch den Schwerpunkt der Direktmandate-Offensive in dem Regierungsbezirk – eben mit Dreier und Aiwanger, womöglich kommen noch weitere bekanntere Kandidaten in Ostbayern hinzu.

In Geiselwind am Samstag soll der ganze Plan einer breiteren Öffentlichkeit präsentiert werden – denn sowohl das Ausreichen von drei Direktmandaten für den Bundestag als auch die Option einer Regierung ohne SPD und Grüne sei potenziellen Wählern noch kaum bewusst, heißt es in Parteikreisen. Erfreulich sei es, dass Mitglieder des Kandidaten-Teams ihre bisherige Rolle als recht unabhängige Landkreis-Könige aufgeben und sich für eine Fraktion in Berlin zur Verfügung stellen würden. Landrat Peter Dreier ließ sich in der Landshuter Zeitung so zitieren: „Wer Kritik übt, der muss aber auch bereit sein, Verantwortung zu übernehmen. Sollte es bei dieser Bundestagswahl klappen, hätte ich die Gelegenheit dazu.“

Streitig machen würden die FW die Direktmandate in Bayern der CSU. Die Partei von Ministerpräsident Markus Söder hatte 2021 alle Wahlkreise außer einen direkt gewonnen; die Ausnahme ging an die Grünen, in München-Süd. Was Söder von den Ambitionen seines Vizes am Kabinettstisch hält, hat er mehrmals klargestellt, etwa zuletzt bei der Landesversammlung der Jungen Union in Nürnberg. Gerade niederbayerische JU-Vertreter trieb dort die Frage um: Ob der „Hauptgegner Grüne“ reiche, was man strategisch gegen AfD und Freie Wähler unternehmen wolle? Söder sagte, vor den Freien Wählern dürfe man keine Angst haben. Das Landtagswahlergebnis sei nur durch die Flugblatt-Affäre entstanden, alles verflüchtigt. Es sei aber Aiwangers demokratisches Recht, auch im Bund zu kandidieren: „Jeder soll in sein Unglück laufen, wie er will.“

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusBayern: CSU gegen AfD
:Söders Risikospiel mit der AfD

Während die AfD in Bayern den Großangriff auf die CSU plant, facht Markus Söder die Stimmung gegen die Grünen weiter an. Bekämpft da jemand den falschen Gegner?

Von Andreas Glas und Johann Osel

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: