Neulich war so ein Moment, da hätte man ganz kurz glauben können, in Bayern sei die Zeitenwende eingetreten. Also nicht die militärische, die der Bundeskanzler in einer seiner vermutlich am längsten nachhallenden Reden angekündigt hat. Auch nicht eine politische in Bayern, Gott bewahre. Aber doch klang es bemerkenswert, was da vermeldet wurde: In Bayerns Kliniken arbeiten erstmals mehr Ärztinnen als Ärzte, teilte die Bayerische Landesärztekammer mit. Eine „Zeitenwende in der Medizin“, nennt es deren Präsident.
Dabei ist das wirkliche Bemerkenswerte an der Nachricht, dass sie als bemerkenswert empfunden wird. Immerhin ist die Hälfte der Bevölkerung – sogar ein kleines bisschen mehr – weiblich und die Gleichberechtigung ist in der Bayerischen Verfassung festgeschrieben. In der Praxis sieht es freilich anders aus. Dabei sind auch die Medizinstudienplätze längst zu zwei Dritteln von Studentinnen belegt. Aber dass aus dem „Herrn Doktor“ eine „Frau Doktorin“ wird? Am Ende gar eine Bergdoktorin im Fernsehen? So weit ist es dann doch noch nicht.

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Die Chefetagen in vielen Branchen sind mit Männern besetzt, selbst wenn der Nachwuchs überwiegend weiblich ist. Alles wie gehabt. Da verwundert es nicht, wenn der Finanzstaatssekretär feministische Erfolge wie diesen verkündet: Der Anteil der Frauen in Vorständen und Geschäftsführungen bei den Unternehmen, an denen der Freistaat beteiligt ist, lag im vergangenen Jahr bei 21,7 Prozent. Gut ein Fünftel, da schau her. In den staatlichen Aufsichtsräten ist die Quote auf 32,8 Prozent gesunken.
Aber wie soll es anders sein in einem Land, in dem seit jeher Männer regieren? Das war in der Monarchie schon so und hat sich nicht geändert, seit die CSU von den Wittelsbachern übernommen hat. Markus Söder hat seinen Vorsatz von einem paritätisch besetzten Kabinett schnell wieder aufgegeben und auf den geradezu peinlichen Frauenanteil im Landtag, vor allem in den Regierungsfraktionen, kann gar nicht oft genug hingewiesen werden.
Dabei hätte Bayern mehr Frauen verdient. Immerhin steht es unter höchstem weiblichem Schutz und die Patrona Bavariae schaut der ganzen Männerwirtschaft wirklich schon sehr lange zu. Die Bavaria auf Erden ist auch eine Frau und hat es in der Person von Luise Kinseher sogar auf den Nockherberg geschafft, wo in der Regel kein Frauenüberschuss herrscht.
Nicht zu vergessen all jene Frauen, deren Wirken gar nicht hoch genug geschätzt werden kann, selbst wenn die Männer an ihrer Seite als Erste genannt werden. Aber was wäre Karl Valentin ohne Liesl Karlstadt gewesen. Und wie es dem Monaco Franze ohne sein Spatzl ergangen ist, das hat man ja am Ende sehen können. Sie bahnt sich schon an, die Zeitenwende.