Es ist ein verzweifelter Kampf, den Waldbesitzer und Förster in diesen Tagen im Frankenwald führen. Die wochenlangen Hitze- und Dürreperioden setzen den Wäldern überall in Bayern zu. Aber nirgendwo im Freistaat ist die Lage so dramatisch wie in seinem nordöstlichen Zipfel. "Wir haben hier eine Massenvermehrung des Borkenkäfers, wie es sie seit Menschengedenken noch nicht gegeben hat", sagt Fritz Maier, Chef des Staatsforstbetriebs in Nordhalben (Landkreis Kronach). "Alle verfügbaren Leute sind im Einsatz, um die Ausbreitung des Schädlings einzudämmen." Bislang freilich sieht es nicht danach aus, als wären schnelle Erfolge gegen den Schädling möglich. Laut Bund Naturschutz (BN) sind dem Borkenkäfer im Frankenwald schon Tausende Hektar Fichtenwald zum Opfer gefallen.
Der Frankenwald ist ein eher stilles Mittelgebirge. Er erstreckt sich zwischen Coburg, Kulmbach, Hof und der Grenze nach Thüringen, ist gut 100 000 Hektar groß und zur Hälfte bewaldet. Seine höchste Erhebung ist der Döbraberg (795 Meter). Etwa 70 Prozent der Bäume in den Wäldern sind Fichten, nur zwölf Prozent Buchen, und Tannen kommen auf einen Anteil von nur vier Prozent. Knapp zwei Drittel der Wälder sind in Privatbesitz, ungefähr 22 000 Hektar sind Staatswald, beim Rest handelt es sich um Kommunalwälder.
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Der größte Teil des Frankenwaldes ist ein Naturpark. Zu den Schönheiten dort zählen das Höllental bei Bad Steben mit seinen Aussichtspunkten "Hirschsprung" und "König David", die Radspitze und der "Eckscher Höhenweg", die Steinachklamm bei Grafengehaig und die Teuschnitzer Aue. Als die Staatsregierung vor fünf Jahren unter dem damaligen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU) in Bayern einen dritten Nationalpark einrichten wollte, stand kurze Zeit auch der Frankenwald zur Auswahl. Er wurde aber schnell wieder von der Liste genommen. Der Grund: Die allermeisten Wälder in der Region sind reine Wirtschaftswälder, die Holzwirtschaft hat dort traditionell Vorrang.
Befallene Bäume müssen schleunigst gefällt werden
Die Schäden im Frankenwald sind gigantisch. Allein die drei Frankenwald-Staatsforstbetriebe Coburg, Rothenkirchen und Nordhalben haben in den letzten eineinhalb Jahren eine halbe Million Kubikmeter Käferholz gemacht. So werden die Fichten genannt, die von dem Schädlinge befallen worden sind, und deshalb schleunigst gefällt werden müssen. Wenn man dieses Käferholz auf einem Fußballfeld übereinander aufstapeln würde, würde der Quader 70 Meter in die Höhe ragen. Die Menge entspricht zehn Prozent des Holzes, das die Bayerischen Staatsforsten pro Jahr aus den bayerischen Wäldern insgesamt holen. Beim BN spricht man von einem neuen Waldsterben.
Die Harvester und Forwarder, wie die schweren Maschinen heißen, mit denen die Waldarbeiter der Plage Herr zu werden versuchen, werden auch in den kommenden Wochen weiter durch den Frankenwald rollen und einen Käferbaum nach dem anderen umlegen und abtransportieren. Peter Hagemann vom Forstbetrieb in Rothenkirchen geht davon aus, dass seinen Leuten vor Ende Oktober keine Atempause gegönnt sein wird. In ihrer Not haben die Bayerischen Staatsforsten eine bayernweite Allianz geschmiedet. Bis aus den Forstbetrieben im oberbayerischen Bad Tölz und Oberammergau haben sie Waldarbeiter, Förster und sogar Auszubildende in den Frankenwald verlegt. "Die Solidarität ist groß, alle helfen mit", sagt Alfred Schrenker vom Staatsforstbetrieb Coburg. Sein Kollege Hagemann sagt: "Wir kämpfen um jeden Quadratmeter Wald, wir überlassen unsere Wälder nicht einfach dem Käfer."
Bei der Bekämpfung des Borkenkäfers kommt es auf eines ganz besonders an: aufs Tempo. Denn es gilt, die Schädlinge möglichst sofort zu erwischen, wenn sie sich in eine Fichte eingebohrt haben. Dann kann der Baum umgelegt und aus dem Wald geholt werden, weit bevor die Nachkommen des Schädlings schlüpfen, ausfliegen und weitere Bäume heimsuchen. Frisch befallene Fichten erkennt man aber nicht so einfach. Sie stehen genauso grün im Wald wie nicht befallene. Der einzige Unterschied sind die kleinen Einbohrlöcher in ihrer Rinde und das Bohrmehl an ihrem Stammfuß. Wenn man also frisch befallene Fichten finden will, muss man die Wälder gezielt danach absuchen. Dafür braucht es möglichst viele Leute mit geschultem Blick. Die haben die Bayerischen Staatsforsten. Ihre Belegschaft zählt 2400 Mitarbeiter, gut die Hälfte sind Waldarbeiter, die von der Weite jeden Käferbaum erkennen.
Etliche Waldbesitzer haben bereits resigniert
Viele private Waldbesitzer, vor allem die kleinerer Waldstücke, können aber weder auf so viele Arbeitskräfte noch auf eine so ausgefeilte Logistik wie die Bayerischen Staatsforsten zurückgreifen. Deshalb hätten auch im Frankenwald bereits etliche Besitzer kleiner und mittlerer Wälder resigniert, sagt Staatsförster Hagemann. Damit nicht noch mehr resignieren, fordert der BN ein Aktionsprogramm speziell für den Frankenwald. In dessen Zentrum sollen laut BN-Chef Richard Mergner "eine intensive Beratung der Waldbesitzer und mehr Personal an den Forstämtern" stehen. Minimum für das Personal-Plus sind aus Mergners Sicht drei zusätzliche Förster pro Landkreis in der Region. Außerdem soll der Freistaat gerade in den privaten Wäldern den Umbau reiner Fichtenwälder in stabile Mischwälder mit Tannen, Buchen und Ahornen ausweiten.
Aber warum richtet der Borkenkäfer im Frankenwald deutlich mehr Unheil an als andernorts in Bayern? Das hat zwei Gründe. Der eine ist, dass es in Franken schon immer sehr viel weniger regnet als südlich der Donau. Und in diesem Jahr hat es im Norden des Freistaats noch einmal fast um die Hälfte weniger geregnet als im langjährigen Mittel. Der andere Grund ist die Geologie des Frankenwalds. "Wir haben hier sehr flachgründige, steinige Schieferböden", sagt Forstbetriebschef Hagemann. "Die halten kein Wasser, der wenige Regen, der dieses Jahr gefallen ist, ist einfach weggesickert." Trockenheit schwächt aber gerade Fichten so sehr, dass der Borkenkäfer leichtes Spiel hat.