Hitzewelle in BayernNormaler Unterricht? Eine echte Belastungsprobe in maroden Schulhäusern

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Ein Fenster an einer Grundschule ist zum Lüften geöffnet. Besser wäre der Einbau von Klimaanlagen, finden selbst die Grünen, obwohl es sich dabei um Energiefresser handle.
Ein Fenster an einer Grundschule ist zum Lüften geöffnet. Besser wäre der Einbau von Klimaanlagen, finden selbst die Grünen, obwohl es sich dabei um Energiefresser handle. (Foto: Christoph Schmidt/dpa)

Die dringend sanierungsbedürftige Infrastruktur ist mal wieder ein Problem - in einer Forchheimer Schule muss man gar mit improvisierten Mitteln gegen die Hitze ankämpfen. Dabei wäre die Lösung recht einfach.

Von Elena Zengel

Während sich Kinder in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen in ihren Ferien schon über Freibadwetter freuen, müssen bayerische Schulkinder noch bis zum 1. August ausharren, bis ihre Sommerferien beginnen. Die Hitze – kombiniert mit schlecht gedämmten Schulgebäuden und Klassenzimmern ohne Lüftungsanlagen – macht den letzten Schulmonat zu einer anstrengenden Angelegenheit.

„Wir haben seit Jahren das gleiche Problem“, beklagt Martina Eier. Die Schulleiterin der Pestalozzischule im oberfränkischen Forchheim kennt das tropische Klima im Klassenzimmer. Das Schulhaus der Grund- und Mittelschule ist 47 Jahre alt und sanierungsbedürftig. Die Schulfamilie kämpft mit einfachsten Mitteln gegen die hohen Temperaturen. „Der Hausmeister versucht in der Frühe zu lüften“, so Eier. Tagsüber sorgen Jalousien für Schatten in den Klassenzimmern, und in der Schule gebe es einen Trinkbrunnen, aber es sei einfach trotzdem sehr heiß.

Deshalb versuchen die Lehrer der Pestalozzischule, ihre Schüler zum Trinken anzuregen und, wenn möglich, die Unterrichtsformen anzupassen. Sie weichen mit den Grundschülern zum Beispiel auch mal auf einen nahegelegenen Spielplatz aus, an dem es mehr Schattenplätze gibt, wenn es drinnen zu heiß wird. Den älteren Kindern falle es aber schwerer als den Grundschülern, sich bei den Temperaturen noch für den Unterricht zu motivieren, sagt die Schulleiterin.

Aktuell machen die Neuntklässler außerdem ihre Abschlussprüfungen an der Schule, die seien aber nicht so stark von der Hitze betroffen: „Wir haben dieses Jahr nicht so viele Prüflinge. Außerdem sind die Prüfungen noch am Vormittag vorbei“, sagt Direktorin Eier.

Die Entscheidung Hitzefrei zu geben, überlässt das Kultusministerium den Schulleitungen, denn die Situation bei hohen Temperaturen sei von Schule zu Schule unterschiedlich. „Hitzefrei kann bei uns nicht gemacht werden“, so Eier über die Pestalozzischule. Ein großer Teil der Schüler würde gar nicht nach Hause kommen. Ungefähr drei Viertel der 285-köpfigen Schülerschaft kämen nicht aus der Stadt Forchheim, sondern aus dem Umland und seien auf den Transport angewiesen, der extra für sie organisiert werde. „Bei uns fahren Kleinbusse“, so Eier. Das sei ein entscheidender Grund, weshalb Schulen im ländlichen Raum an heißen Tagen nicht so einfach freigeben könnten.

An Eiers Schule würde zudem ein großer Teil der Grund- und Mittelschüler die Ganztagsbetreuung wahrnehmen. Die Schule könnte sie nicht einfach unbetreut lassen. Die Schulleiterin hat auch schon ein besorgter Anruf von Eltern erreicht, die befürchteten, dass ihr Kind bei einem möglichen Hitzefrei unbeaufsichtigt wäre. Auch Simone Fleischmann, Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands, betont, man müsse beim Thema Hitzefrei immer die „regionale Machbarkeit“ berücksichtigen.

Dürfte in bayerischen Schulen öfter zu finden sein: eine mehr als provisorische Dämmung der Fenster in einem Klassenzimmer.
Dürfte in bayerischen Schulen öfter zu finden sein: eine mehr als provisorische Dämmung der Fenster in einem Klassenzimmer. (Foto: Florian Peljak)

Außerdem machte sie darauf aufmerksam, dass nicht nur Schüler, sondern auch Lehrer unter der Hitze im Klassenzimmer leiden: „Seien Sie mal mit 28 Kindern bei dieser Hitze für vier Schulstunden in einem Klassenraum.“ Weil man sich aber durch den Klimawandel auch längerfristig auf solch hohe Temperaturen einstellen muss, plädiert Fleischmann dafür, dass Schüler und Lehrer lernen müssten, mit der Hitze umzugehen, zum Beispiel durch eine bewusste Ernährung. Die Verbandsvorsitzende fordert aber auch, mehr Schulgebäude durch bauliche Maßnahmen hitzeresistenter zu machen.

In Zeiten des Klimawandels sei Hitzeschutz eine der großen Herausforderungen für Schulen, heißt es beim BLLV. „Jede Renovierung, Restaurierung und jeder Schulhaus-Neubau muss immer auch unter dem Hitze-Aspekt betrachtet werden“, sagte Fleischmann der Deutschen Presse-Agentur. Leider gebe es bereits jetzt einen großen Investitionsstau. In Bayern werde die Situation zusätzlich verschärft, weil das Bundesland als letztes in die Sommerferien startet. „Das heißt, Schülerinnen, Schüler und Lehrkräfte müssen den ganzen heißen Juli hindurch in diesen Räumlichkeiten arbeiten.“

Die BLLV-Präsidentin gibt zu bedenken, dass Hitze nicht nur Schülerinnen und Schülern zu schaffen mache, sondern auch den Lehrkräften. „Wenn eine 62-jährige Lehrerin an einer Schule mit Ganztagsbetreuung bei weit über 30 Grad eine zweite Klasse mit 24 Kindern bis 16.30 Uhr betreuen muss, dann ist das, wie einen Sack Flöhe zu hüten.“

Landespolitik diskutiert über Klima

Auch in der Landespolitik ist die Problematik angekommen. Grünen-Landtagsfraktionschefin Katharina Schulze fordert Klimaanlagen für Schulen, Kitas, Kliniken und Altenheime. Wenn man arbeiten oder lernen müsse, wenn man alt oder krank sei, reiche es eben nicht, einen Ventilator vors Gesicht zu bekommen, sagte Schulze. Sondern es brauche insgesamt eine einigermaßen angenehme Raumtemperatur. Denn wenn es so heiß sei wie jetzt, belaste dies den Körper und den Kreislauf.

Für den Einbau von Klimaanlagen gebe es jetzt ein Zeitfenster: Wenn man nun mithilfe des neuen Bundes-Investitionsprogramms viele Gebäude saniere, dann müsse man dabei auch an Beschattungen oder Klimaanlagen denken. Es brauche Klimaschutz, es brauche eine Reduzierung des CO₂-Ausstoßes. „Aber das alleine wird uns nicht retten. Wir müssen auch uns anpassen an die Klimakrise.“ Dazu zähle, sich vor Hitze zu schützen, argumentierte Schulze. Obwohl Klimaanlagen allgemein als Stromfresser gelten, sagt Schulze: „Wir brauchen sie einfach, Punkt.“ Es leuchte ihr nicht ein, wie man gegen eine Klimaanlage sein kann, wenn es so heiß ist. „Räume, in denen sich die Menschen viel aufhalten, so runterzukühlen, dass es in Hitzeperioden aushaltbar ist – damit müssen wir uns beschäftigen“, forderte Schulze. Die Grünen wollen dazu auch einen Dringlichkeitsantrag in den Landtag einbringen.

An der Forchheimer Pestalozzischule freuen sich Lehrer und Schüler auf die Zukunft. Die Schule wird saniert und zum Teil auch neu gebaut. Das neue Gebäude soll mit einer Fußbodenheizung, die auch eine Kühlfunktion besitzt, besserer Beschattung der Klassenzimmer und einer grüneren Gestaltung des Schulgeländes ausgestattet sein. So sei man besser für die heißen Sommer der Zukunft gewappnet, hofft Schulleiterin Eier.

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