Süddeutsche Zeitung

Bayern-Folgen für den Bund:Wieso Merkel nicht richtig feiern kann

Wenn die Bayern feiern, freut sich die CDU nur begrenzt. Seehofers Triumph bringt Kanzlerin Merkel auch Probleme im Endspurt zur Bundestagswahl - von SPD, FDP und Grünen gar nicht zu reden. Die Folgen für die Entscheidung in Deutschland.

Eine Analyse von Thorsten Denkler, Michael König und Antonie Rietzschel

  • CDU: Freude, gepaart mit drei Problemen

Es ist ein "Ja, aber"-Ergebnis für die Christdemokraten. Sie freuen sich mit ihrer bayerischen Schwesterpartei, zugleich bereitet ihnen die absolute Mehrheit der CSU in Bayern Probleme. Eines heißt Horst Seehofer.

Der bayerische Ministerpräsident wird nun vor Selbstbewusstsein strotzen. Er hat schon angekündigt, an seiner Forderung nach einer Pkw-Maut für Ausländer festzuhalten, obwohl CDU-Chefin Angela Merkel sie nicht will. Das riecht nach Diskussionen, die die Kanzlerin in ihrem Harmonie-Wahlkampf gar nicht gebrauchen kann. Seehofer zu widersprechen, dürfte ihr jetzt aber erst recht schwerfallen.

Das zweite Problem ist die FDP. Die Liberalen werden nach ihrer Pleite in Bayern verstärkt um Leihstimmen von CDU-Wählern buhlen. Ihr Argument klingt plausibel: Liebe Leute, wenn ihr Schwarz-Gelb wollt, müsst ihr uns helfen. Die CDU will das unbedingt verhindern. Sie verweist auf Niedersachsen, wo zu viele Leihstimmen zugunsten der FDP eine knappe rot-grüne Mehrheit gebracht haben. Deshalb sagte die CDU-Prominenz am Wahlabend unisono, die Liberalen bräuchten keine Hilfe, sie würden es auch so schaffen.

Und drittens: das Motivationsproblem. Mancher CDU-Wähler wird am kommenden Sonntag bei der Bundestagswahl womöglich zu Hause bleiben, weil er seine Partei angesichts des bayerischen Ergebnisses in Sicherheit wähnt. Gelingt es der SPD, stark zu mobilisieren, könnte sie die schwarz-gelbe Mehrheit gefährden.

  • SPD: Nichts gewonnen, nichts verloren

Das Ergebnis der Bayern-SPD in einen Sieg oder auch nur in Rückenwind für die Bundespartei umzudeuten, ist zwar Quatsch. Es fällt Kanzlerkandidat Peer Steinbrück natürlich dennoch nicht schwer. Das Ergebnis sei besser, als die Umfragen es vermuten hätten lassen, sagt er. So werde es auch am 22. September sein. Rot-Grün sei möglich.

Bis dahin muss aber noch einiges passieren. Dem Wunschbündnis mit den Grünen - und nur dieses würde Steinbrück zum Kanzler wählen - ist er an diesem Wahlabend in Bayern jedenfalls kein Stück näher gekommen. Er hat sich davon aber auch nicht entfernt.

Im Bund werden nur wenige Prozentpunkte über Sieg und Niederlage entscheiden. Das eigentliche Wahlziel der SPD kann nur lauten: Schwarz-Gelb verhindern. Dann kann zumindest nicht gegen die SPD regiert werden. Zumindest dann nicht, wenn Union und FDP bei ihren Versprechen bleiben, nichts, aber auch gar nichts mit den Grünen zu versuchen. Die große Koalition bleibt die wahrscheinlichste Konstellation, falls Schwarz-Gelb die Wiederwahl misslingt.

  • Grüne: Zurück zu den Wurzeln

Der politische Trend läuft derzeit gegen die Grünen - das ist durch die Bayern-Wahl allen klargeworden. Bislang war es eher ein dumpfes Gefühl, nun ist es mit Zahlen belegt. 8,5 Prozent in Bayern sind zu wenig für die eigenen Ansprüche, zu wenig für ein starkes Signal für die Bundestagswahl. Die fehlende Machtperspektive habe wohl die Wähler demobilisiert, sagte Parteiratsmitglied Gesine Agena.

Stimmt das, dann wäre das ein großes Problem für die Grünen auch in einer Woche. Denn auch im Bund ist die gewünschte rot-grüne Koalition nicht in Aussicht, auch im Bund könnten am kommenden Sonntag die Wähler fernbleiben.

Der Wahlkampf der Grünen lief sehr lange sehr gut, doch dann kamen die Debatten um höhere Steuern und - von der Bild-Zeitung lanciert und von der FDP begeistert aufgenommen - der Wirbel um den "Veggie-Day". Jetzt scheint die Luft raus, und wenn Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt nun verkündet, man wolle im Wahlkampfendspurt stark auf das Thema Energiewende setzen, ist das auch ein Eingeständnis einer verpatzten Kampagne. Sich jetzt wieder als Ökopartei zu positionieren, darauf hätten die Grünen auch früher kommen können.

  • FDP: Nach der Klatsche bleibt nur Hoffnung

Dass es nicht wieder für Schwarz-Gelb in Bayern reichen würde, war irgendwie schon eingeplant. Dass es knapp werden könnte mit dem Wiedereinzug in den Landtag, auch das war vielen klar. Aber eine so deutliche Niederlage? Mit nur drei Prozent sind die Liberalen aus dem Landtag geflogen, und das ist mehr als nur knapp, das ist eine Klatsche. Viel schlimmer als erwartet. Schwarz-Gelb ist damit auch im Bund ernsthaft gefährdet, weil das Signal aus Bayern wertvolle Prozentpunkte im Wettbewerb mit der Opposition kosten kann.

Die FDP muss jetzt alles versuchen. Leihstimmen der CDU braucht sie. Ganz dringend. Sie hat schon einen Pakt mit der Union ins Gespräch gebracht, in kippeligen Wahlkreisen gemeinsam dafür zu werben, den CDU-Direktkandidaten zu wählen - und dafür die wichtigere Zweitstimme der FDP zu überlassen. Wer so denkt, hat echt Angst, dass die Wahl am kommenden Sonntag verloren gehen könnte. Für die FDP wird die kommende, letzte Woche vor der Bundestagswahl unerwartet zum Existenzkampf.

  • Linke: Watschn für westdeutschen Parteifreunde

Grüne und Freie Wähler hätten auch drei Anläufe gebraucht, um in den bayerischen Landtag zu kommen, hat Gregor Gysi seinen Genossen an diesem Sonntagabend getwittert. Soll heißen: Er findet das Wahlergebnis in Bayern nicht so schlimm. Die Linke hat sich gegenüber 2008 zwar ein bisschen verschlechtert, doch für die Bundestagswahl wird es kaum relevant sein, wie die Linke in dem tiefschwarzen Bundesland abgeschnitten hat. Dass sie hier mit ihren Kernforderungen - Hartz IV abzuschaffen, alle Auslandseinsätze der Bundeswehr zu beenden und eine Grundsicherung einzuführen - kaum Stimmen gewinnen kann, wissen auch die Wähler im Rest von Deutschland.

Gleichzeitig offenbart das regelmäßige schlechte Abschneiden der Linken in Bayern und anderen Bundesländern im Westen - etwa Anfang des Jahres in Niedersachsen - ein Scheitern der harten West-Linken. Während die Linke in den Landtagen des Ostens teilweise zweitstärkste Kraft ist, dümpelt sie hier vor sich hin.

Gysi ist innerhalb der Partei liebstes Streitobjekt der West-Linken, und andersrum. So könnte dessen Kommentar durchaus auch als innerparteiliche Watschn für die Genossen in Bayern verstanden werden.

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