Geflüchtete in Bayern:Zahl der Asylsuchenden steigt leicht

Geflüchtete in Bayern: Das Abschiebegefängnis im oberfränkischen Hof soll am Montag eröffnet werden. Es sollen dann bis zu 150 Personen dort untergebracht werden.

Das Abschiebegefängnis im oberfränkischen Hof soll am Montag eröffnet werden. Es sollen dann bis zu 150 Personen dort untergebracht werden.

(Foto: Olaf Przybilla)

Rund 14 000 Geflüchtete sind im laufenden Jahr nach Bayern gekommen, vor allem Menschen aus Afghanistan und Syrien suchen Asyl. Unterdessen wird im oberfränkischen Hof bald ein Abschiebegefängnis in Betrieb genommen.

Von Matthias Köpf und Clara Lipkowski, München/Nürnberg

Die Zahl der Asylsuchenden in Bayern ist zuletzt leicht gestiegen. Besonders aus Afghanistan und Syrien suchten Menschen Schutz, teilt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) auf Nachfrage am Mittwoch mit. 2029 Menschen hatten im September erstmalig Asyl beantragt, im August waren es noch 1876. Im Juli lag diese Zahl bei 2014 und im Juni bei 1543.

Insgesamt kamen nach Auskunft des bayerischen Innenministeriums im laufenden Jahr bis September bereits 13 943 Geflüchtete nach Bayern, im gesamten Jahr 2020 waren es weniger - 13 849. Man rechne mit einem weiteren Anstieg, teilt eine Sprecherin mit, auch wegen sogenannter Ortskräfte aus Afghanistan, sehe aber derzeit eine "moderate" Entwicklung.

Der leichte Anstieg zeigt sich auch im oberfränkischen "Ankerzentrum". Zwar nimmt die Massenunterkunft in Geldersheim bei Schweinfurt keine "Ortskräfte" auf - diese werden in der Regel in kleineren Unterkünften untergebracht -, doch auch dort verzeichnet die Bezirksregierung einen Zuwachs vor allem aus Afghanistan und Syrien, vor allem Familien kämen, teilt ein Sprecher mit. Seit Juli mache sich ein Anstieg bemerkbar, seither habe sich die Zahl auf erhöhtem Niveau eingependelt. 910 Menschen wohnen derzeit in der ehemaligen US-Kaserne. 44 Prozent kommen aus Afghanistan, 16 Prozent aus Syrien. Weitere etwa 15 Prozent seien Staatsangehörige aus Somalia, elf Prozent der Menschen kämen aus Algerien. In der Vergangenheit hatte sich die Belegung des "Ankerzentrums" länger unter 900 bewegt, in Hochphasen der Corona-Pandemie lag sie auch mal bei rund 600. Wie die anderen sechs bayerischen "Ankerzentren" ist es derzeit zu etwa 75 Prozent ausgelastet.

In Hof gibt es künftig 150 Haftplätze

Große Veränderungen bei der Zahl der Flüchtlinge hat der Bayerische Flüchtlingsrat zuletzt nicht wahrgenommen und auch "keine wahnsinnige Steigerung in der Zahl der Abschiebungen", berichtet Sprecher Stephan Dünnwald. Von einer Zahl von 200 000 Flüchtlingen pro Jahr, wie sie Bundesinnenminister Horst Seehofer 2016 als "vertretbar" bezeichnet hatte, sei man in ganz Deutschland jedenfalls weit entfernt. Wer etwa vor den Taliban aus Afghanistan fliehe, sei bis auf die wenigen Ausgeflogenen oft noch dort oder in Pakistan oder Iran unterwegs, aber wohl noch lange nicht in Europa angekommen. Auch Flüchtlinge, die vom belarussischen Machthaber Lukaschenko an die polnische Grenze geschafft würden, seien in Bayern zahlenmäßig noch nicht groß aufgefallen.

Von den aktuellen Asylzahlen unberührt wird am kommenden Montag ein weiteres Abschiebegefängnis in Betrieb genommen. Im oberfränkischen Hof gibt es künftig 150 Haftplätze, die sich der Freistaat knapp 80 Millionen Euro kosten lässt. Damit verdoppelt sich die Zahl der Plätze für die Abschiebehaft in Bayern zunächst ungefähr. Zu den 150 kommen weitere 96 Plätze in Eichstätt, 24 in Erding und 22 am Münchner Flughafen. Von überall dort lässt der Freistaat Menschen außer Landes schaffen - wobei bundesweit ein Stopp nach Afghanistan gilt, allerdings wird in etliche andere Länder abgeschoben.

Der Jesuit Dieter Müller und seine Mitstreiter versuchen, Geflüchtete vor einer möglichen Abschiebung wenigstens aus dem Gefängnis zu holen. Müller ist eigens umgezogen, um künftig näher am Hofer Gefängnis zu sein. "Wir Jesuiten laufen immer der Arbeit nach", sagt Müller, der den Flüchtlingsdienst des Ordens in Bayern koordiniert. Seit Kurzen von Nürnberg aus, denn die Stadt liegt in der Mitte zwischen dem 2017 eingerichteten Abschiebegefängnis im oberbayerischen Eichstätt und dem neuen in Hof. Ungefähr die Hälfte der Insassen komme direkt von der Bundespolizei, die sie an den Grenzen aufgegriffen habe, sagt Müller.

Die Zahl der unerlaubten Einreisen steigt

Die teilt unterdessen am Mittwoch mit, dass auch sie zuletzt wieder mit mehr Migrantinnen und Migranten zu tun hatte - nachdem 2020 Corona-bedingt noch deutlich weniger Menschen versucht hatten, unerlaubt nach Bayern einzureisen. Von Januar bis August dieses Jahres seien es 8850 versuchte Übertritte gewesen - 16 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum, sagt ein Bundespolizeisprecher. Etwa 4000 von ihnen seien bei den Kontrollen an der österreichischen Grenze direkt abgewiesen worden, von den anderen ein Teil in die Asylverfahren beim Bamf überführt worden - oder in Abschiebehaft.

Kommen sie dann ins Gefängnis, wie künftig auch nach Hof, müssen sie nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs von 2014 getrennt von Strafgefangenen untergebracht sein. Eine Sprecherin des Justizministeriums verweist außerdem auf etwa "großzügigere Besuchszeiten sowie Telefoniemöglichkeiten". Der Jesuit Dieter Müller sieht das Hofer Gefängnis trotzdem kritisch: Der Freistaat habe damit "völlig übers Ziel hinausgeschossen". Je nach Zähigkeit und Idealismus des betreffenden, meist aus Spenden bezahlten Anwalts komme es in bis zur Hälfte aller Fälle zu Gerichtsurteilen, wonach die Abschiebehaft rechtswidrig war, sagt er. Dies hilft den Insassen oft wenig, weil sie dann bereits abgeschoben sind. Doch unabhängig davon, ob dies rechtens war, werde das Instrument der Abschiebehaft in Bayern "unverhältnismäßig oft und unverhältnismäßig lange" angewandt, sagt Müller. Im Schnitt verbringen oft sonst unbescholtene Menschen vier bis sechs Wochen hinter Gittern. Das Justizministerium argumentiert, die Haft stelle sicher, dass sich Ausreisepflichtige nicht ihrer Abschiebung entziehen.

Eine gewisse politische Hoffnung setzt Jesuit Müller in eine Ampelkoalition, wie sie sich für den Bund abzeichnet. Die könnte sich offen für Forderungen zeigen, Flüchtlingen in Abschiebhaft einen staatlich finanzierten Pflichtanwalt zur Seite zu stellen und ihnen bei unrechtmäßiger Haft eine Entschädigung zu zahlen. Das könnte nach Müllers Erwartung dazu führen, dass "auch die Behörden anders agieren".

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