NS-Geschichte„Unglaublich pietätlos und würdelos“

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Diese Gedenktafel für einen tschechischen Arzt ist aus der Gedenkstätte Flossenbürg gestohlen worden.
Diese Gedenktafel für einen tschechischen Arzt ist aus der Gedenkstätte Flossenbürg gestohlen worden. (Foto: Polizeiinspektion Neustadt a.d.Waldnaab)

Aus der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg sind mehrere Objekte gestohlen worden, offenbar wahllos. Die Polizei vermutet ein recht schlichtes Motiv.

Von Sara Rahnenführer, Flossenbürg

Als das Personal der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg in der Oberpfalz am Montagmorgen seinen ersten Rundgang macht, fällt der leere Platz sofort auf, an dem zuvor eine Gedenktafel befestigt war. „Die Tafel ist so groß wie ein A-4-Blatt und war an einer hellen Fliesenwand angebracht“, sagt Jörg Skriebeleit, der Leiter der Gedenkstätte, am Mittwoch am Telefon. Nun war sie weg, offenbar geklaut.

Neben der Messingtafel wurden eine Metallhalterung, an der früher ein Waschbecken befestigt war, sowie der Metalldeckel eines Kamins gestohlen. Alle Objekte befanden sich im ehemaligen Sektionsraum des Krematoriums.

Die Polizei vermutet, dass es mindestens zwei Täter waren und der Diebstahl während der Besuchszeiten am Wochenende stattgefunden haben muss. „Es wurden keine Aufbruchspuren gefunden, und wir gehen davon aus, dass einer der Täter Schmiere gestanden haben muss, während der andere die Teile abmontiert hat“, sagt Skriebeleit. Die Täter hatten demnach auch entsprechendes Werkzeug dabei. Nach Angaben der Polizei waren die Täter vermutlich nicht gezielt auf diese Objekte aus. „Sie haben einfach das abmontiert, was am schnellsten ging“, sagt ein Polizeibeamter der Dienststelle Neustadt an der Waldnaab.

Nach dem jetzigen Stand der Ermittlung geht die Polizei davon aus, dass es sich um Sammler von Relikten aus der NS-Zeit handelt. Denn die Gegenstände haben keinen hohen Materialwert. „Es geht den Tätern womöglich um eine Art Souvenir aus der Gedenkstätte. Was unglaublich pietätlos und würdelos ist“, sagt Skriebeleit.

Die Polizei fahndet nach den gestohlenen Objekten unter anderem auf illegalen Plattformen wie dem Darknet, aber auch legalen wie Kleinanzeigen. Der Fall wurde an die Kriminalpolizei in Weiden übergeben, nachdem ein weiterer Diebstahl in der KZ-Gedenkstätte Dachau angezeigt worden war. Die Fälle werden nun gemeinsam behandelt.

Jörg Skriebeleit, hier bei einer Buchvorstellung, ist Leiter der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg.
Jörg Skriebeleit, hier bei einer Buchvorstellung, ist Leiter der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg. (Foto: Robert Haas)

Die KZ-Gedenkstätte Flossenbürg hat neben der Anzeige wegen Diebstahls auch Anzeige wegen Störung der Totenruhe und Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener erhoben. „Die Gedenktafel war von Angehörigen eines tschechischen Arztes angebracht worden, der im Januar 1945 im KZ-Flossenbürg ermordet wurde“, sagt Skriebeleit. Die Mitarbeiter der Gedenkstätte versuchen die Tochter derzeit zu kontaktieren, die Ende 1979 den Antrag für die Gedenktafel gestellt hat. „Wir werden die Gedenktafel aber auf jeden Fall replizieren und wieder anbringen“, sagt Skriebeleit.

Dass Dinge aus der KZ-Gedenkstätte geklaut werden, ist keine Neuheit. Erst im Frühjahr dieses Jahres wurden aus dem Steinbruch, der auch Teil der Gedenkstätte ist, Granitplatten gestohlen. Nach Angaben der Polizei ging es den Dieben dabei jedoch um den Materialwert.

Nach dem Diebstahl am Wochenende will man sich in der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg über mögliche Überwachungstechnologien beraten. Bislang war Sicherheitspersonal auf dem 40 Hektar großen Gelände im Einsatz, Überwachungskameras gibt es keine. „Wir wollten die Gedenkstätte durch das Anbringen von sichtbaren Kameras nicht zu sehr verändern. Jetzt überlegen wir aber auf technologische Überwachung zurückzugreifen“, sagt Skriebeleit.

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