Artenschutz:Der Streit um die Fischotter

Artenschutz: Ein Fischotter frisst mehr als ein Kilogramm Fisch am Tag. Deshalb fordern die Teichwirte in der Oberpfalz und in Niederbayern den Abschuss der streng geschützten Tiere.

Ein Fischotter frisst mehr als ein Kilogramm Fisch am Tag. Deshalb fordern die Teichwirte in der Oberpfalz und in Niederbayern den Abschuss der streng geschützten Tiere.

(Foto: Silas Stein/dpa)

Die Teichwirte beklagen hohe Fraßschäden durch die streng geschützten Raubtiere. Deshalb will die Staatsregierung deren Abschuss erleichtern. Nun befasst sich der Verwaltungsgerichtshof mit der Sache.

Von Christian Sebald

Wenn es um den Fischotter geht, hat Franz Kühn eine klare Meinung. "Die Schäden, die er in meinen Fischteichen anrichtet, werden immer schlimmer", sagt Kühn, der in Tirschenreuth in der Oberpfalz eine weitläufige Fischzucht und den Traditionsgasthof Schwan betreibt. "Deshalb ist die neue Verordnung richtig, mit der die Staatsregierung nun den Abschuss von Fischottern erleichtert." Beim Landesfischereiverband (LFV) sehen sie die Sache wie Kühn. "Wir Fischer haben schon seit Jahren auf die wachsenden Probleme mit dem Fischotter in bayerischen Gewässern hingewiesen", sagt Axel Bartelt, der seit wenigen Wochen Präsident des LFV ist und bis zu seiner Pensionierung Präsident der Regierung der Oberpfalz war. "Jetzt haben wir endlich eine sichere Rechtsgrundlage für die dringend erforderliche Regulierung der Fischotter."

Bei den Naturschutzverbänden, vor allem beim Bund Naturschutz (BN), sind sie entsetzt. Denn Fischotter zählen - wie die Wölfe, deren Abschuss die Staatsregierung ebenfalls erleichtert hat - nach dem europäischen Naturschutzrecht zu den streng geschützten, ganzjährig geschonten Tieren. Außerdem werden sie in der Roten Liste Deutschlands als gefährdet eingestuft. Lutra lutra, so ihr wissenschaftlicher Name, war Jahrhunderte heimisch in Bayern. Wie andere Raubtiere wurden die Tiere gnadenlos gejagt. Denn Fischotter sind nicht nur extrem geschickte Schwimmer. Sondern sie fressen bis zu 1,2 Kilo Fisch am Tag. Vor 30 Jahren waren sie bis auf wenige Exemplare im Bayerischen Wald ausgerottet.

Inzwischen haben sich die Bestände wieder deutlich vermehrt. Vor allem in der Oberpfalz und Niederbayern. Nach einem Gutachten der Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) leben in den beiden Regierungsbezirken etwa 650 Fischotter. Der Oberpfälzer Teichwirt Kühn beziffert die Schäden durch sie alleine in seinem Betrieb auf ungefähr 15 000 Euro im Jahr - "mit steigender Tendenz", wie er betont. Agrarministerin Michaela Kaniber (CSU), die auch für die Fischhaltung zuständig ist, spricht 2022 von insgesamt 2,7 Millionen Euro Schaden in der Oberpfalz und Niederbayern. Was die Population im übrigen Bayern anbelangt, wollte sich das LfL nicht festlegen. Die Daten von dort seien so lückenhaft, dass eine Abschätzung auf ihrer Basis sofort auf Kritik stoßen würde. Deshalb sollen zusätzliche Daten erhoben werden. Bis Ende 2023 wird eine Schätzung des Gesamtbestands erwartet.

Am Montag verhandelt der Verwaltungsgerichtshof

Am Montag beschäftigt sich der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) mit dem Fischotter. Genau gesagt, mit einem Pilotprojekt der Regierung der Oberpfalz unter ihrem damaligen Präsidenten Bartelt. Danach sollten in drei Fischzuchtanlagen dort bis zu sechs Fischottermännchen eingefangen und getötet werden dürfen, um in ihnen weitere Fraßschäden zu verhindern. Anlass ist ein Urteil des Verwaltungsgerichts (VG) Regensburg gegen das Projekt. Die Regensburger Richter haben in ihrem Spruch den strengen Schutzstatus der Fischotter voll bestätigt. Außerdem teilen sie die Einschätzung des BN und anderer Experten, dass das Fangen und Töten der Tiere ungeeignet ist, um Schäden in der Teichwirtschaft zu verhindern. Denn frei werdende Reviere würden schnell von nachfolgenden Ottern neu besetzt. Außerdem könne nicht ausgeschlossen werden, dass in die Fallen Weibchen und Jungtiere geraten, was verboten sei, urteilten die Richter. Die Freistaat hat den Spruch nicht akzeptiert und ist dagegen in Berufung gegangen.

Mit der neuen Fischotter-Verordnung der Staatsregierung ist das umstrittene Pilotprojekt eigentlich hinfällig. Denn die Verordnung geht weit über es hinaus. Nach ihr können Fischotter seit 1. Mai überall ganzjährig entnommen werden, wo sie "ernste fischwirtschaftliche Schäden" verursachen. Die Entnahme ist allerdings nur zulässig, wenn es keine zumutbaren Alternativen dazu gibt, etwa die Einzäunung der Fischteiche. Außerdem dürfe der Erhalt der Population nicht verschlechtert werden. Deshalb soll in den jeweiligen Regionen eine Höchstzahl an Tieren festgelegt werden, die abgeschossen werden dürfen. Der VGH beschäftigt sich deshalb in aller erster Linie damit, ob Kläger und Beklagte überhaupt noch ein Interesse an der Fortsetzung des Streits über das Projekt haben können oder ob er sich wegen der neuen Verordnung erübrigt.

Artenschutz: Agrarministerin Michaela Kaniber beziffert die Fraßschäden durch Fischotter im vergangenen Jahr auf 2,7 Millionen Euro.

Agrarministerin Michaela Kaniber beziffert die Fraßschäden durch Fischotter im vergangenen Jahr auf 2,7 Millionen Euro.

(Foto: Catherina Hess)

Beim BN hoffen sie sehr darauf, dass der VGH über das Pilotprojekt entscheidet. Denn sie sehen viele Parallelen zwischen ihm und der Verordnung. Sollte auch der VGH das Pilotprojekt für nichtig erklären, wäre das aus Sicht der BN-Artenschutz-Expertin Christine Margraf ein Prädjudiz gegen die neue Verordnung. Aber nicht nur der BN hat ein Problem mit der Verordnung. Auch Teichwirte wie Kühn sind sich nicht wirklich sicher, dass sie hält. Und zwar nicht nur in rechtlicher Hinsicht. Sondern auch in der Praxis. "Das fängt damit an, ob sich Jäger finden, die bereit sind, sich nächtelang an unseren Fischweihern zu positionieren und Jagd auf die Tiere zu machen", sagt Kühn. "Außerdem wäre es sehr kompliziert, wenn wir für jeden Fischotter, der abgeschossen werden soll, einen separaten Antrag stellen müssten."

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