Es wirkt beinahe, als gäbe es einen Trauerfall zu beklagen, am Montag im Finanzministerium in München. Betretene Mienen bei all den Männern, die vorn an der blauen Wand stehen. Es ist auch ein langer Trauerzug, der da zur Pressekonferenz nach den Verhandlungen zum kommunalen Finanzausgleich erscheint: der Finanz- und der Wirtschaftsminister, die Chefs der vier kommunalen Spitzenverbände – Bezirke, Landkreise, Städte und Gemeinden –, die obersten Haushälter der Regierungsfraktionen von CSU und Freie Wähler noch dazu. Es sei ein „enormer Kraftakt“ gelungen, sagt Finanzminister Albert Füracker (CSU) dann.
Die Spitzenrunde hat länger gedauert als veranschlagt, fünf Stunden saßen sie im Ministerium zusammen. Dann steht der Kompromiss: Gut zwölf Milliarden Euro erhalten die Kommunen kommendes Jahr, ein Aufwuchs von 608 Millionen Euro, 5,3 Prozent plus. Dazu gehört auch eine strukturelle Änderung. Die sogenannte Verbundquote – der prozentuale Anteil der Kommunen an den gemeinschaftlichen Steuereinnahmen – steigt um ein Viertelprozent auf 13 Prozent. Das ist eine strategische Verbesserung der Finanzlage der Kommunen. Bei den alljährlichen Verhandlungen über den kommunalen Finanzausgleich geht es darum, wie viel Geld der Freistaat den Kommunen überweist, die selbst nur begrenzt über eigene Steuereinnahmen verfügen. Für deren Pflichtaufgaben, unter anderem auch für Hochbau, was etwa für Schulen und Kitas relevant ist, für soziale Ausgaben, für Kliniken oder Infrastruktur.
Ein Zuwachs, alles gut also? Den Eindruck vermittelt keiner am Montag, daher die betrübte Stimmung. Man gehe damit „an die äußerte Grenze dessen, was der Freistaat Bayern wirklich in der Lage ist zu finanzieren“, sagt Füracker – das gelte es nun, „an anderer Stelle zu konsolidieren“; auch bei Projekten seiner Staatsregierung. Uwe Brandl, Präsident des Gemeindetags und Verhandlungsführer der kommunalen Familie, sagt: Selbst dieses gute Ergebnis könne nicht darüber hinwegtäuschen, dass es die Aufgabe der Zukunft sei, Standards abzubauen. „Der Wohlfahrtsstaat kann nur das zur Verfügung stellen, was die Volkswirtschaft verdient.“ Nötig sei eine „dramatische Aufgaben- und Ausgabenkritik“, was nur „nice to have“ sei, gelte es abzustellen. Zur „steigenden Ausgabendynamik“ soll unter Federführung der Staatskanzlei von Ministerpräsident Markus Söder jetzt eine staatlich-kommunale Arbeitsgruppe eingerichtet werden. Eine bayerische Sparkommission, wenn man so will.
Die Verhandlungsrunde am Montag war mit Spannung erwartet worden. Einerseits ist da der Freistaat, dem die anhaltende Wirtschaftsflaute zu schaffen macht. Der Etat für 2025 – mehr als 70 Milliarden Euro – ist zwar im Zuge des laufenden Doppelhaushalts bereits beschlossen worden; die Aussichten des Finanzministers aber sind derzeit wenig rosig: Bis 2026 muss der Freistaat mit Steuerausfällen von rund 2,4 Milliarden Euro rechnen, wie jüngst aus der regionalisierten Steuerschätzung hervorging – Füracker muss also wohl auf Geld verzichten, das schon in Aussicht stand.
Kommunaler Finanzausgleich:Wer bezahlt was in Bayern?
Der kommunale Finanzausgleich soll bayernweit „gleichwertige Lebensverhältnisse“ ermöglichen – dafür muss das Geld zwischen Kommunen, Landkreisen und Bezirken mit ihren unterschiedlichen Aufgaben verteilt werden. Das ist kompliziert.
Auf der anderen Seite in dieser Gemengelage stehen die Kommunen, die über höhere Kosten klagen, vom Personal bis zur Infrastruktur. Seit Wochen schon trommelten sie für eine bessere Finanzierung. Zuletzt hatte der Landkreistag sogar vor Handlungsunfähigkeit gewarnt, bei einem Krisentreffen von Dutzenden Landräten mit den Regierungsfraktionen CSU und FW in München – die kommunale Selbstverwaltung sei existenziell bedroht. Auch Städte- und Gemeindetag hatten unlängst düstere Warnungen vermeldet: Dringend nötige Investitionen etwa in Kitas und Schulen, in Energieversorgung oder Nahverkehr stünden auf der Kippe. Bei aller Zustimmung über das konkrete Ergebnis am Montag – über den Berg sehen sich die kommunalen Verbandsvertreter damit nicht.
Füracker mahnte am Montag, das Thema Asyl müsse man „in den Griff bekommen“
Die Unterbringung von Migranten übrigens, die für viele Kommunen zu den größten Herausforderungen zählt, betrifft diesen Finanzausgleich nur indirekt – die Kosten werden anderweitig erstattet. Allerdings bleibt am Ort etwa Personalaufwand für das Management der Unterbringung. Und vor allem die undankbare Rolle, Immobilien zu finden und mit Widerstand von Bürgern umzugehen. Füracker mahnte am Montag, das Thema Asyl müsse man „in den Griff bekommen“, das sei zentral für sämtliche Haushalte. Und der Bund, so der Finanzminister, müsse auch den „Rettungsring“ in Sachen wirtschaftlicher Entwicklung werfen.
Die Arbeitsgruppe, um die Ausgaben und Finanzierungsstrukturen auf den Prüfstand zu stellen, soll Staatskanzleichef Florian Herrmann leiten. Wohin die Reise gehen können, legten die Wortmeldungen am Montag nahe. Es sei eine „Lebenslüge“ und „Illusion“, sagte etwa Landräte-Chef Karmasin, dass der Staat „eine Art Rundum-sorglos-Paket“ biete. Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW) gab als Richtschnur aus: „Standards senken und Kosten runterbekommen“. Der FW-Haushaltspolitiker Bernhard Pohl malte das Bild, man müsse „aus Goldrand Eisen in vielen Situationen machen“. Die Grünen im Landtag indes nannten den frischen Kompromiss am Montag „mutlos“, sie fordern etwa eine noch stärkere Anhebung der Verbundquote.