Süddeutsche Zeitung

Fasching:Zeit für die Weiberroas

Der Unsinnige Donnerstag etabliert sich als Tag zum Feiern beinahe wie der Rosenmontag. Dabei gibt es den öffentlichen Weiberfasching im Freistaat noch gar nicht so lange.

Glosse von Johann Osel

Die Straubinger Klofrau Helga Bauermann hat es in dieser Kolumne schon zu einiger Berühmtheit gebracht, als sie ein Buch über ihren Job in einer Diskothek geschrieben hat. Aus akutem Anlass gilt es, den Erfahrungsschatz erneut anzuzapfen: Es geht um den Weiberfasching, der am Donnerstag ansteht. Die Expertin berichtet von "Mädchen außer Rand und Band, viele halten sich für trinkfester, als sie es sind".

Dieses Ärgernis schlägt sich eben auf dem Klo unappetitlich nieder; die Rede ist außerdem von männlichen Strippern und allgemeinem "Die-Sau-Rauslassen", just und besonders an diesem Tag. Das macht den Weiberfasching aus, nicht aus Zufall. Ein Rosenheimer Lokal lädt dezidiert zum "totalen Faschingseskalationsmodus" inklusive "gemeinsamen Popowackeln". In Niederbayern findet donnerstags selbst in kleineren Orten eine "Weiberroas" statt, rasende Frauen also. Das klingt mehr nach Drohung als nach Einladung.

Schaut man in regionale Faschingskalender, finden sich oft ebenso viele Frauensausen wie Rosenmontagsbälle. Der Trend ist vergleichsweise neu. Klar, Frauenfaschingstrubel gibt es schon lange, alte Dorfchroniken berichten vom Weiberfasching als Kaffeekränzchen, bei dem nebenbei eine neue Hebamme gewählt wurde. Katholische Frauenbünde datieren die Gründung ihrer Faschingsevents - mäßig eskalierend - oft in die Fünfzigerjahre, auch gibt es mancherorts traditionelle Faschingsbälle. Dass aber Frauen bayernweit eigens feiern, dass der Weiberfasching ins öffentliche Leben dringt und Kollegen die Krawatte abgeschnitten wird - das scheint sich erst in jüngeren Jahrzehnten etabliert zu haben in Bayern. Angelehnt ans Rheinland, wo die Weiberfastnacht ihre Heimstatt hat und wo sie als inoffizieller Feiertag gilt: Oft ruht am Nachmittag in Firmen der Betrieb.

Erlaubt ist, was gefällt - soll es so sein. Doch mancher mag den Trubel für unzeitgemäß halten. Wegen all der Genderfragen, die heute zu berücksichtigen wären, aber auch wegen des Ursprungsgedankens - dass an jenem Tag die Frauen das Regiment übernehmen dürfen. Da hat sich ja viel geändert, es regiert in Deutschland Angela Merkel und in Europa Ursula von der Leyen, und in Bayern ... - nun gut, ein wenig Weiberroas und Eskalation am Donnerstag dürfte nicht schaden!

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SZ vom 19.02.2020/vewo
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