Justizskandal:Markwort sieht "Rechtsverletzungen" im Fall Mollath

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Sinneswandel: Als er BR-Stammtisch-Moderator war, beurteilte Helmut Markwort den Fall Mollath in der Sendung als weniger skandalös. (Foto: Peter Kneffel/dpa)
  • Der Justizskandal um Gustl Mollath hat ein parlamentarisches Nachspiel.
  • Bayerns Staatsregierung soll nach dem Willen des FDP-Landtagsabgeordneten Helmut Markwort Auskunft geben, ob jemand für die 670 000 Euro an Ausgleichszahlungen zur Verantwortung gezogen wird.
  • Markwort hat eine entsprechende schriftliche Anfrage an die Staatsregierung eingereicht.

Von Olaf Przybilla und Wolfgang Wittl, München

Als Helmut Markwort noch Moderator des BR-Sonntagsstammtischs war, geriet der Justizfall Mollath in der Sendung immer wieder zur Streitsache. Gegenüber standen sich der Karikaturist und damalige BR-Stammtisch-Stammgast Dieter Hanitzsch, der die neuesten Entwicklungen in der Causa meist ungeheuerlich fand; und auf der anderen Seite der Moderator Helmut Markwort, der eine prononcierte Gegenposition dazu einnahm und wenig Zweifel daran zu lassen schien, dass er den Fall für deutlich weniger skandalträchtig hielt als viele öffentliche Beobachter.

In sozialen Medien hat Markwort harsche Kritik dafür einstecken müssen, abgehalten hat ihn das nicht. In ganz anderer Funktion - als FDP-Abgeordneter im Landtag - ist Markwort inzwischen aber selbst der Ansicht, dass sich "Vertreter der Justiz, Gutachter und Anstaltsleiter" sowie aufsichtsführende Mitglieder der Staatsregierung im Fall Mollath "wohl erhebliche Rechtsverletzungen haben zu Schulden kommen lassen". In einer Anfrage will er nun wissen, ob die Staatsregierung beabsichtigte, gegen einzelne Verantwortliche Regressansprüche anzumelden und diese für ihr Handeln in Haftung zu nehmen.

Justizopfer
:Freistaat Bayern zahlt Mollath zusätzlich 600 000 Euro

Mehr als sieben Jahre hat Gustl Mollath in der Psychiatrie verbracht - zu Unrecht, wie sich später herausstellte. Nun hat er sich vor Gericht mit dem Freistaat auf eine Entschädigung geeinigt.

Von Olaf Przybilla

Anlass für seine Anfrage ist eine gütliche Einigung am Landgericht München I. Im November sind Gustl Mollath, dem wohl bekanntesten Justizopfer Deutschlands, mit dieser 600 000 Euro zugesprochen worden für die mehr als sieben Jahre, in denen er in psychiatrischen Einrichtungen untergebracht war. Zuvor hatte Mollath bereits 70 000 Euro zugesprochen bekommen, nachdem er als zwangseingewiesener vermeintlicher Wahn-Patient insgesamt 2747 Tage in der Psychiatrie erleiden musste. Mollath war 2006 nach einem Prozess wegen ihm vorgeworfener Gewalt gegen seine Ehefrau in eine Klinik eingewiesen worden - zu Unrecht, wie sich Jahre später in einem Wiederaufnahmeverfahren herausstellen sollte. Mollath hatte daraufhin den Freistaat verklagt.

Wenn aber der Freistaat aufgrund unberechtigter Unterbringung deutlich mehr als eine halbe Million Euro bezahlen muss, so heiße das "im Klartext, dass der bayerische Steuerzahler diesen Betrag zu entrichten" habe, kritisiert Markwort. Er verweist auf eine Fassung des Wiederaufnahmeauftrags der Regensburger Staatsanwaltschaft, in der diese 2012 sogar einen möglichen "Vorsatz" von Amtsträgern zuungunsten Mollaths ins Spiel gebracht hatte.

Grundsätzlich gilt, dass der Staat verantwortlich ist, wenn einer seiner Beamten "die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht" verletzt. So regelt dies das Grundgesetz. Regressansprüche kann der Staat lediglich dann erheben, wenn einem Beamten eine grobe Fahrlässigkeit oder sogar ein Vorsatz nachgewiesen werden kann. Richter wiederum sind laut Bürgerlichem Gesetzbuch für den entstehenden Schaden einer Amtspflichtverletzung nur dann verantwortlich, wenn diese in einer Straftat besteht. Beispielsweise, wenn ein Richter eine Rechtsbeugung begeht.

Am ersten Verhandlungstag des Amtshaftungsverfahrens im Fall Mollath hatte der Richter festgestellt, dass das Strafverfahren am Landgericht Nürnberg 2006 wohl schnell habe beendet werden sollen und "sicher nicht mit der gebotenen Sorgfalt geführt" worden sei. Tatsächlich hatten mehrere Augenzeugen des Strafverfahrens 2006, darunter ein Schöffe, die Verhandlungsführung des damaligen Vorsitzenden Richters hart kritisiert. So sei Mollath über Stunden "angeschrien" worden, obwohl das Gericht in ihm offenbar einen kranken Menschen gesehen habe. Auch beanstandete ein Schöffe, ein ehemaliger Klinikdirektor, im Nachhinein, dass das Gericht der Frage hätte nachgehen müssen, welche Motive es gegeben haben könnte, dass Mollath "etwas angehängt" werden sollte. Dies sei nicht geschehen. Einen solchen richterlichen Ton wie im Mollath-Prozess habe er nie erlebt, erklärte der Schöffe. Im schriftlichen Urteil gegen Mollath waren hernach ganze Seiten falsch, weil das Gericht eine Festnahmesituation verwechselt hatte. Und auch die Strafvollstreckungskammern hatten sich in den Jahren danach wenig Mühe gegeben, den Fall einmal gründlich zu untersuchen. Man verließ sich aufs vorhandene Aktenmaterial - das aber stark fehlerbehaftet war. Am Ende war Mollath siebeneinhalb Jahre unfrei.

Woher Markworts vermeintlicher Sinneswandel kommt? Er habe in der BR-Sendung "den Advocatus Diaboli" gegeben, erklärt er; sei aber immer der Ansicht gewesen, dass man einen Menschen wie Mollath keinesfalls "jahrelang wegsperren" dürfe. In dieser Causa seien offenkundig "schwere Staatsfehler" begangen worden.

Das Justizministerium verweist auf die grundsätzlichen Regeln zur Amtspflichtverletzung. Zur konkreten Anfrage könne man nichts sagen, da sie noch nicht eingegangen sei. Ist sie das, werde sie "unter Beachtung der gesetzten Frist" beantwortet.

© SZ vom 10.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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