Droben vom Jenner aus gesehen, bietet sich all den Urlaubern und Ausflüglern nun ein etwas eintönigeres Bild als früher. Die Grundfarbe des riesigen Parkplatzes, der da unten nur 300 Meter Luftlinie vom Königssee entfernt das Tal füllt, war auch vorher schon grau. Aber wenn Ausflügler da sind, dann stehen auch ihre Autos dort, und von denen sind immerhin einige ein bisschen bunter. Seit dem vergangenen Sommer überspannen aber sechs große Carport-Reihen mehr als 270 Stellplätze, also gut ein Zehntel der Gesamtkapazität. Und deren 4700 Quadratmeter Dachfläche sind inzwischen dicht bestückt mit dunklen Photovoltaik-Paneelen. Darunter sind Dutzende Ladesäulen für die E-Autos installiert.
Diese „größte Photovoltaik-Carportanlage mit öffentlicher Ladeinfrastruktur in Bayern“ haben die Gemeinde Schönau und die kommunale „Watzmann Natur Energie GmbH“ (WNE) vor einigen Tagen in aller Form eröffnet. Der Superlativ ist sorgfältig gewählt, denn erst im April wurde an der A 96 bei Bad Wörishofen im Allgäu der „größte Solar-Carport in Bayern“ in Betrieb genommen. Die gut 22 000 Solarmodule dort überspannen sogar 2160 Stellplätze für den benachbarten Skyline-Park. Die beiden Großprojekte fügen sich in die rasante Ausdehnung der Photovoltaik-Flächen in Bayern. Doch die neuen Solarparks gefallen nicht allen.

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„Photovoltaik-Freiflächenanlagen sind unbeliebter als Windenergie-Anlagen, auch bei jungen Menschen“, sagt dazu Sören Schöbel. Der Professor für „Landschaftsarchitektur regionaler Freiräume“ an der TU München erforscht unter anderem, wie solche Anlagen bei den Menschen ankommen. Zuerst müssten die ohnehin schon beanspruchten und versiegelten Flächen genutzt werden. So laute die erste Antwort praktisch immer, sagt Schöbel, und tatsächlich gebe es auch längst eine PV-Pflicht für geeignete Gewerbebauten. Hauptkritikpunkte an der Freiflächen-Photovoltaik sind demnach die Zerstörung des Landschaftsbilds und der Verbrauch an wertvollen Ackerflächen.
In dieser Hinsicht ist am Königssee vieles gelungen. Das Projekt liegt zwar in einer äußerst sensiblen und touristisch bedeutsamen Gebirgslandschaft unmittelbar am Nationalpark Berchtesgaden. Der Parkplatz war aber längst versiegelt. Strom produzieren die Solarpaneele dort schon seit mehreren Wochen. Ihre Spitzenleistung haben sie laut WNE-Geschäftsführer Anton Poettinger erstmals an Ostern erreicht – und den allergrößten Teil des Stroms gleich an ladende E-Autos abgegeben. Denn wenn die Sonne scheint, entsteht nicht nur viel Solarstrom. Es kommen auch viele Ausflügler, und zwar immer öfter im E-Auto. Und Sonnenstrom, der an Ort und Stelle verbraucht wird, belastet nicht das Netz.

Bei Bad Wörishofen soll etwa ein Achtel des Stroms direkt in die Fahrgeschäfte des Freizeitparks fließen, der größere Teil wird aber ins allgemeine Netz eingespeist. Zudem war die Fläche zuvor ein Feld. Dass stattdessen kein reiner Parkplatz entstanden ist, sondern auch Sonnenstrom erzeugt wird, hat vielen Stadträten in Bad Wörishofen die Zustimmung leichter gemacht. Zugleich liegt die Fläche direkt neben der A 96. Bis 200 Meter beiderseits von Autobahnen und mehrgleisigen Bahnlinien gilt Photovoltaik seit zwei Jahren als privilegiert, also als grundsätzlich zulässig. Wer viel im Zug und vor allem auf Autobahnen unterwegs ist, könnte angesichts dessen an einen extremen Solarboom in Bayern glauben.
Den gibt es tatsächlich. Bayern sei Sonnenland Nummer Eins in Deutschland, heißt es von den Mitgliedern der Staatsregierung stets, und auch Agrarministerin Michaela Kaniber (CSU) machte da bei der Solarpark-Eröffnung in ihrem Stimmkreis am Königssee keine Ausnahme. Ende vergangenen Jahres waren im Freistaat laut Wirtschaftsministerium mehr als 1,1 Millionen Photovoltaikanlagen mit einer installierten Leistung von mehr als 26 Gigawatt in Betrieb. Man habe die solare Stromerzeugung innerhalb von fünf Jahren um rund 37 Prozent steigern können.
Für die weiteren Ausbauziele von Bund und Freistaat bei der Solarenergie werden allein die Flächen entlang der Verkehrswege aber nicht reichen, sagt Landschaftsforscher Schöbel. Dort und auf freier Flur, wo den Bauern von PV-Projektierern oft Pachtpreise weit über denen für reines Ackerland geboten werden, muss es aus Schöbels Sicht mehr um Gestaltungsfragen gehen. Etwa darum, Freiflächen-PV nicht wie Industrieanlagen wirken zu lassen, sondern sie zu „Kulturlandschaftselementen“ zu machen, vergleichbar mit Hopfengärten, Weinbergen oder Hagelnetzen über Obstplantagen. Auch die hohen Zäune und die Kameras um die Anlagen schlössen die Menschen aus und schreckten ab. „Was die soziale Qualität der frei zugänglichen Landschaft angeht, ist das dann ein Totalverlust.“
Zugleich, sagt Schöbel, dürfen die Freiflächen-PV eben nicht so gestaltet werden, dass sie wertvollen Boden koste und einer Versiegelung der Fläche gleichkomme. Gewisse Hoffnungen setzt er da in den wachsenden Anteil der sogenannten Agri-PV. Also in solche Anlagen, die durch ihre schiere Höhe oder durch senkrechte Montage der Paneel-Reihen weiterhin das Bewirtschaften mit dem Traktor und damit eine weitere landwirtschaftliche Nutzung erlauben. Auch an diesen Anblick werden sich die Menschen in Zukunft gewöhnen müssen.