Reise nach Krk:Söder auf der Suche nach neuen Energiequellen

Lesezeit: 4 Min.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) schaut sich während seines Besuchs in Kroatien auf der Insel Krk ein Transportschiff für Flüssiggas an. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Bayerns Ministerpräsident reist nach Kroatien, wo er ein Terminal für Flüssiggas besichtigt. Ob sich da eine Option für den Freistaat verbirgt? Der CSU-Chef zeigt sich voller Tatendrang - auch das ist eine Botschaft.

Von Andreas Glas, Krk

Kein Kroatisch, aber Spanisch, immerhin. "Solamente Bavaria", sagt Markus Söder, nur die Presse aus Bayern bitte. Schon steht er in einem Pulk aus Reportern, Kameras, Mikros, genau sein Wetter. Und die Sonne scheint auch noch an diesem milden Donnerstag, zwölf Grad. Am Himmel die Möwen, hinter ihm ein Schiff, ein Monstrum, 280 Meter lang, 43 Meter breit. Nein, kein Kreuzfahrtschiff, der bayerische Ministerpräsident ist natürlich nicht gekommen, um Urlaub zu machen. Was hier so friedlich im Hafen liegt, ist ein schwimmendes Terminal für Flüssiggas, LNG, an Deck ein Labyrinth aus Rohren, Leitungen, Kranarmen. "Bayern sucht nach Energie für die Zukunft", sagt der Ministerpräsident. Hier, in Kroatien, ist er vielleicht fündig geworden, auf der Urlaubsinsel Krk.

11.48 Uhr, bitte aufstellen zum Gruppenfoto. Es posieren: Zwei Staatschefs und ein Mann, der bekanntlich auch gern Staatschef geworden wäre. Links Karl Nehammer, Österreichs Kanzler, in der Mitte der kroatische Premierminister Andrej Plenković, rechts Markus Söder, der Bayern "nicht nur unabhängiger von Russland" machen will, sondern auch "unabhängiger vom Norden" der Bundesrepublik. Zuletzt hat Söder seine Entfremdung von Berlin ja immer wieder zelebriert, hat vom "freien Süden" gesprochen und vom "Ampel-Norden". In Kroatien betont er, dass die Flugzeit nach Krk "deutlich kürzer" sei als die nach Berlin. Schon daran zeige sich, "wo Nähen und Verbindungen sind". Für Berlin hat Söder gerade wenig übrig, für ihn zählt nur Bayern, solamente Bavaria.

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Söder hat die Landtagswahl 2023 im Blick - und er sieht ein Problem: Während der Bund mehr Flüssiggas importieren möchte, das per Schiff in Norddeutschland anlanden soll, hat Bayern weder einen Meereshafen noch Leitungen, die das LNG schnurgerade in den Süden bringen könnten. Der Gasimport im Freistaat ist technisch auf Russland ausgerichtet, von dort kamen rund 90 Prozent des in Bayern verbrauchten Erdgases. Die Hauptrichtung der Leitungen und Pipelines führt von Ost nach West. Schon länger fordert Söder deshalb südliche Pipelines, etwa vom italienischen Triest nach Bayern. Und jetzt eben von Kroatien aus. Er will zeigen, dass er selbst handelt, statt immer nur vom Bund zu fordern.

Kroatiens Premier Andrej Plenkovic (Mitte) und der österreichische Kanzler Karl Nehammer (re.) kennen die Energie-Sorgen von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (li.). (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Die Premiers Plenković und Nehammer kennen Söders Situation. Lange importierten auch Österreich und Kroatien ihren ganz überwiegenden Bedarf an Gas aus Russland. Als Plenković vor sechs Jahren ins Amt kam, hielt er an dem Plan fest, ein LNG-Terminal vor der Insel Krk zu bauen, vor allem zur Selbstversorgung Kroatiens. Politische Konkurrenten warfen ihm Steuerverschwendung vor, Umweltverbände protestierten. Doch ein gutes Jahr nach Eröffnung des Terminals, Januar 2021, begann der Krieg gegen die Ukraine - und Plenković stand plötzlich da wie ein Hellseher. Nun will er noch mehr. Er möchte sein Land zum internationalen "Energieknoten" machen, wie er am Donnerstag in Krk sagt.

Zu diesen Plänen gehören auch Pipelines nach Bayern, etwa um Wien herum über Niederösterreich, wo man die Leitung verlängern könnte, um das Gas weiter in den Freistaat zu führen. Dafür möchte Kroatien ein zweites Schiff anschaffen, das zusätzliches Flüssiggas nach Krk bringen könnte, aus den USA, vom Golf, aus Afrika. In Krk würde dieses Gas wieder in seinen ursprünglichen Zustand versetzt und ins Netz gespeist. Das bestehende Terminal in Krk soll bald 6,1 Milliarden Kubikmeter pro Jahr fassen. "Ein Häppchen", gemessen am Gasbedarf Österreichs und Bayerns, räumt Plenković ein. Zur Einordnung: Laut Wirtschaftsministerium lag der bayerische Bedarf im Mittelwert zuletzt bei rund 11,2 Milliarden Kubikmeter jährlich. Das Szenario, das Söder hier in Krk zeichnet, hat allerdings noch einen Haken.

Bis eine Gas-Pipeline von Kroatien nach Bayern verlegt ist und in Betrieb geht, würden wohl Jahre vergehen. "Drei bis fünf Jahre", sagt Nehammer auf Nachfrage, zu Zeiträumen und Kosten will sich aber niemand konkret festlegen. "Was bis 2030 nicht in Betrieb ist, brauchen wir nicht mehr", so nüchtern kommentiert Martin Stümpfig die Kroatien-Pläne, der Sprecher für Energie und Klimaschutz der Grünen-Fraktion im Landtag. Für ihn ist LNG eine Notlösung für "die nächsten Jahre, danach müssen wir wieder raus aus der Brückentechnologie Gas". Über die Kroatien-Reise des Ministerpräsidenten sagt Stümpfig am Telefon: "Herr Söder müsste gar nicht so weit fahren. Er könnte einfach bei sich im Land mehr tun, damit wir vorwärts kommen bei den erneuerbaren Energien."

Der Ministerpräsident wiederum sieht Bayern da auf einem guten Weg. Und überhaupt, bei den Kroatien-Plänen gehe es um "das Motto: eine Leitung, zwei Formen: Gas und Wasserstoff". Soll heißen: Langfristig soll in Pipelines von Kroatien nach Bayern kein LNG-Gas mehr fließen, sondern grüner Wasserstoff. Auch Söder sagt, es gehe vor allem um "eine Zukunftsoption", für den Klimaschutz, für mehr Unabhängigkeit. Der Ministerpräsident sieht weiterhin wachsenden Energiebedarf in Bayern, Krise hin oder her. Er möchte den Freistaat "breit" aufstellen, sicher ist sicher, "Bayern hat großen Energiehunger".

Dass der hungrige Söder sich deshalb aber nach Süden orientiert, kann Grünen-Politiker Stümpfig nicht nachvollziehen. Mit LNG-Gas sei Deutschland inzwischen "gut abgedeckt", dazu gebe es bestehende Pipelines, die auf Wasserstoff umgebaut werden könnten, "die Besorgnis, dass Bayern irgendwo zu kurz kommt, ist vollkommen aus der Luft gegriffen". Tatsächlich gibt es ja, zum Beispiel, das LNG-Terminal in Lubmin, Mecklenburg-Vorpommern, von wo aus eine Gas-Leitung über Tschechien nach Bayern führt. Auch in Lubmin war Söder neulich, nur auf den Süden will er sich dann doch nicht verlassen.

Seine Reise nach Kroatien geht dann auch nicht mit einem Deal zu Ende, sondern mit einer Absichtserklärung. Darin vereinbaren Kroatien, Österreich und Bayern, sich mit der Europäischen Union, Energieversorgern und Netzbetriebsgesellschaften über den Ausbau der Pipeline-Infrastruktur abzustimmen. Eine gemeinsame "Steuerungsgruppe" soll zudem den Aufwand und die Kosten für das Projekt ermitteln. Es gehe "nicht um diesen Winter", sagt Söder. Sondern um "eine langfristige Energieperspektive".

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