Einwanderung:70 000 Ausländer in Bayern warten auf ihren deutschen Pass

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Nach seiner Einbürgerung hält ein Mann seinen deutschen Reisepass in den Händen. (Symbolbild) (Foto: IMAGO/IMAGO/Nikito)

Mit dem neuen Staatsbürgerschaftsrecht ist die Zahl der Einbürgerungsanträge deutlich gestiegen. Die Ämter kommen mit der Bearbeitung nicht hinterher. Die SPD fordert eine Fast Lane für die Einbürgerung.

Von Nina von Hardenberg

Wer in Bayern Deutscher werden möchte, braucht Geduld. Etwa eineinhalb Jahre wartet man in der Regel zum Beispiel in München auf seinen deutschen Pass, wie das zuständige Kreisverwaltungsamt mitteilt. Seit Juli dürfte es noch länger geworden sein. Da trat das neue Staatsbürgerschaftsrecht in Kraft. Wer seinen eigenen Unterhalt verdient, und sich nichts zu Schulden kommen lässt, kann seither schon nach fünf statt wie bislang acht Jahren den Pass bekommen. Falls die Ämter denn Zeit finden, diesen auszustellen. Da aber hakt es offensichtlich: Bayernweit gab es Ende Juni 70 845 noch nicht abgeschlossene Einbürgerungsverfahren. Das geht aus einer Antwort des Innenministeriums auf eine Anfrage der SPD im Landtag hervor, die der SZ vorliegt.

Die Zahl der Einbürgerungen steigt seit Jahren. Erhielten 2015 etwa 13 000 Ausländer in Bayern die deutsche Staatsangehörigkeit, so waren es im vergangenen Jahr mehr als 36 000. Diese Zahl dürfte 2024 noch mal deutlich übertroffen werden, weil wegen der Reform des Staatsbürgerschaftsrechts viele Ausländer zum Zuge kommen, die sonst noch drei Jahre hätten warten müssen. In den Ämtern spüren sie das deutlich: Allein im Juli 2024 wurden bayernweit 10 027 Anträge gestellt. München ächzte im Juli unter der Last von dreimal so vielen Anträgen wie im Juli 2023. In Nürnberg trudelten im Juli und August etwa 1660 Anträge ein, fast die Hälfte aller bislang in diesem Jahr gestellten Anträge. Nürnberg, München und Augsburg sind nach Angaben des Innenministeriums die Städte, wo derzeit die meisten Anträge gestellt werden.

Aber können sie auch abgearbeitet werden? Die Zahlen des Innenministeriums wecken da Zweifel. Im ersten Halbjahr 2024 wurden bayernweit 37 129 Anträge gestellt. Eingebürgert aber wurden davon bislang nur 22 512 Personen. Insgesamt warten bayernweit mehr als 70 000 Menschen auf Einbürgerung.

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„Anrufe von Bürgern, die keine Termine bekommen.“

Ein verschenktes Potenzial ist das aus Sicht der bayerischen SPD. „Menschen, die sich in Bayern integrieren und ein Teil unserer Gesellschaft werden wollen, dürfen nicht monatelang auf ihre Staatsbürgerschaft warten“, sagte der SPD-Landtagsabgeordnete Arif Taşdelen (SPD), Sprecher für Asyl- und Flüchtlingspolitik. Er forderte eine „Fast Lane“ für die Einbürgerung in Anspielung auf die „Fast Lane Pflege“, die Schnellspur durch die Verwaltung, die die Staatsregierung zuletzt für einwanderungswillige ausländische Pflegekräfte einführte.

Der Antragsstau treffe nicht nur die in Deutschland lebenden Ausländer selbst, die auf eine harte Geduldsprobe gestellt würden. Die überlasteten Ämter kämen auch mit anderen Dienstleistungen nicht mehr nach. Wer einen Aufenthaltstitel beantragen oder verlängern will, warte derzeit ebenfalls lange. „Ich habe sehr viele Anrufe von Bürgern, die keine Termine bekommen.“

Die SPD hatte bereits im Februar im Landtag einen Antrag gestellt, der die Staatsregierung aufforderte, dafür zu sorgen, dass die Ausländerbehörden reibungslos und einfach mit dem Zuwachs an Anträgen umgehen können. Der Antrag wurde abgelehnt. Die Staatsregierung verweist in der Anfrage aber darauf, dass man über die digitale Antragstellung die Verfahren beschleunige.

In Nürnberg hat die Ausländerbehörde sieben zusätzliche Mitarbeiter eingestellt, um die Vielzahl der neuen Anträge abzufedern. Ob dies ausreiche, bleibe abzuwarten, sagte ein Sprecher. Bei der Antragstellung jedenfalls gibt es offenbar weder in Nürnberg noch in München Wartezeiten. Beide Städte verwiesen darauf, dass dies inzwischen online möglich ist. Ein Quick-Check ermöglicht es den Ausländern zudem schon im Vorfeld herauszufinden, ob sie alle Vorgaben für den Pass erfüllen. Wer sich mit seinen Sprachkenntnissen, seinem Verdienst und dem Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung erfolgreich für den deutschen Pass qualifiziert hat, muss dann dennoch noch eine weitere Tugend lernen: die Kunst, zu warten.

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