Erlebnisse beim EinkaufenDer Mann, ein Platzhalter - wie Frauen an der Supermarktkasse tricksen

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Geduldiges Anstehen in der Schlange, eine Tugend, die man gerne Briten zuspricht, ist hierzulande eher weniger verbreitet.
Geduldiges Anstehen in der Schlange, eine Tugend, die man gerne Briten zuspricht, ist hierzulande eher weniger verbreitet. (Foto: Bastian Haumann/Imago)

Was macht man, wenn beim Aldi eine Frau mit vollem Einkaufswagen einfach vorbeischiebt? Über die Unsitte des Handtuch-Auslegens und das Recht auf Notwehr.

Glosse von Sebastian Beck

Neulich in der Schlange vor der Kasse beim Aldi. Man steht da so mit seinem Joghurt (Nutri-Score B) und seinem Merlot (Nutri-Score unbekannt), dann ertönt von hinten die Aufforderung: „Darf ich bitte durch.“ Um sie zu unterstreichen, wird man sanft von einem Einkaufswagen angestupst, und schon schiebt eine Frau ihren Monstereinkauf (vorwiegend Nutri-Score D und E) vorbei. Sie stellt sich neben einen Mann, augenscheinlich ihrer, und sagt zufrieden: „So.“

Das Hirn braucht ein paar Sekunden, bevor es aus dem Standby-Modus hochfährt und Alarm schlägt: „Die hat ihren Mann anstehen lassen und sich einfach an dir vorbeigedrückt. Lass dir das nicht gefallen. Verzichte zunächst auf Gewalt und sende stattdessen die Ich-Botschaft: Ich bin damit nicht einverstanden oder sowas in der Richtung.“

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Anderseits kann man sich schon die ethische Grundsatzfrage stellen: Was soll so schlimm daran sein, wenn man seinen Mann als lebendes Handtuch benutzt? Ist doch letztlich egal, wer wartet, Hauptsache, es wartet irgendwer in der Schlange. Der Mann hat sichtlich gelangweilt gewirkt, ein klares Zeichen dafür, dass er gewartet hat, wenn auch ohne Einkaufswagen.

Der innere Ethiker aber souffliert, einziger Zweck der Aktion sei es, sich einen Vorteil zu verschaffen, weil die Frau dann bis zur letzten Sekunde eingeschweißte Nahrungsmittel zusammenraffen kann. Diejenigen, die keinen Handtuchmann haben, sind klar im Nachteil.

Jedenfalls erinnert das Überholmanöver stark an Bad Füssing, wo aus Reha-Patienten Leistungssportler werden, wenn es darum geht, den besten Platz am Pool zu ergattern und den ganzen Tag mit ihrem Handtuch zu belegen. Ähnliches kennt man vom Einparken: Zumeist sind es Frauen, die eine Parklücke mit Leib und Leben verteidigen, bis der Mann mit dem Kombi die Kurve kriegt. Laut bayerischem Oberlandesgericht ist die Besetzung eines Parkplatzes durch einen Fußgänger ein rechtswidriger Angriff. Autofahrer haben das Recht auf Notwehr. Man darf den Besatzer sogar langsam zur Seite schieben. Na also.

Aber erklär das mal dem Handtuchmann beim Aldi, der noch dazu aussieht, als habe er noch nie was von gewaltfreier Kommunikation nach Marshall Rosenberg gehört. Er und seine Frau zahlen mehr als 100 Euro und ziehen davon. Das Hirn aber hat sich die Angelegenheit gemerkt. Beim nächsten Mal wird es eine ethische Notlage ausrufen und zur sofortigen Antwort raten. Nur wie die aussehen könnte, weiß es leider nicht.

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