Süddeutsche Zeitung

Artenschutz:Das Geheimnis der Eichhörnchen

Wie viele der flinken Nager gibt es in Bayern? Diese Frage ist nicht einfach zu beantworten. Der Bund Naturschutz ruft in einem Laien-Forschungsprojekt deshalb zum Zählen auf.

Von Christian Sebald

Wer gerne Eichhörnchen zusieht, wie sie hoch oben in den Bäumen herumtollen, kann das am besten in den kalten Monaten tun. Dann sind die Buchen, Eichen und all die anderen Laubbäume, in deren Kronen sich die Nager die meiste Zeit aufhalten, ohne Blattwerk. Außerdem haben die tagaktiven Tiere mit dem großen buschigen Schwanz wenig Scheu vor Menschen. Eichhörnchen oder Sciurus vulgaris, so ihr wissenschaftlicher Name, sind Kulturfolger. Man trifft sie praktisch überall an, auf dem Land wie in Großstädten. Wichtig ist einzig, dass sie ausreichend große, alte Bäume als Rückzugsort und Samen, Nüsse, Kastanien und andere Baumfrüchte zum Fressen haben.

So bekannt die Eichhörnchen sind, so wenig weiß man über sie. Das fängt beim Bestand an. Keiner kann auch nur eine ungefähre Größenordnung angeben. Sicher ist einzig, dass die Zahlen von Jahr zu Jahr stark schwanken. Der Bund Naturschutz (BN) hat deshalb seit 2020 in Bayern ein sogenanntes Citizen-Science-Projekt laufen. Dabei können Laien dem BN via App oder Internet melden, wann und wo sie Eichhörnchen beobachtet haben. "Damit können wir natürlich keine absoluten Zahlen ermitteln", sagt Projektleiterin Martina Gehret. "Aber wir können Trends erkennen."

In den ersten drei Jahren hat sich die extreme Schwankungsbreite der Population bestätigt. Insgesamt sind bayernweit gut 45 000 Eichhörnchen gemeldet worden. In 2020 waren es 10 300, 2021 mit 22 500 mehr als doppelt so viele, und 2022 mit 12 500 wieder nur gut die Hälfte davon. Drei Jahre sind zu wenig für belastbare Aussagen über die Gründe der Schwankungen. Aber Gehret ist überzeugt, dass die Rekordhitze 2022 und Nahrungsengpässe in ihrer Folge etwas damit zu tun haben.

"Aktuell treffen vor allem Beobachtungen aus städtischen Gärten und Parks ein", sagt Gehret. "Das sind Orte, wo der Samenzyklus der Bäume häufig wechselt." Wenn es dort in einem Hitzejahr wenig Nahrung gibt, wandern sofort viele Eichhörnchen ab. Wenn ein oder zwei Jahre darauf das Nahrungsangebot wieder besser wird, kehren welche zurück.

Eins schließt der BN aus: Dass heimische Eichhörnchen immer öfter von nordamerikanischen Grauhörnchen verdrängt werden, wie es oft heißt. Letztere gelten als anpassungsfähiger und robuster, sie tragen außerdem Krankheitserreger in sich, die gefährlich sind für die heimischen Nager. Laut BN sind Grauhörnchen in Deutschland aber noch nicht nachgewiesen worden. In Großbritannien allerdings, wo sie Ende des 19. Jahrhunderts ausgesetzt wurden, haben sie die Eichhörnchen praktisch verdrängt.

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