Seit mehr als fünf Jahren ist der Skandal in der Welt, seit mehr als fünf Jahren schweigt Stefan Pohlmann. Auch an diesem Montagmorgen, als er die Stufen zum Regensburger Landgericht hinaufsteigt. "Keine Kommentare", sagt sein Anwalt. Daneben stehen junge Menschen in Kapuzenpullis, die Tierschützer halten Fotos in den Händen, offenbar aufgenommen in Pohlmanns früherer Eierfabrik. Dreckige Käfige, zerrupfte Hühner, faulende Tierkadaver. Auch Plakate halten die Tierschützer hoch. Die Aufschrift: "Gefängnis für den Tierquäler!"
Es geht um viel für den früheren Geschäftsführer der Firma Bayern-Ei. Da sind ja nicht nur die Verstöße gegen das Tierschutzgesetz, die ihm die Staatsanwaltschaft vorwirft. Es geht um Betrug, um gefährliche Körperverletzung, um Körperverletzung mit Todesfolge. Nun also beginnt der Prozess gegen den 48-Jährigen - und die juristische Aufarbeitung eines der schlimmsten Lebensmittelskandale in Deutschland der vergangenen Jahre.
Firma Bayern-Ei:Der Saubermann von nebenan
Wer ist Stefan Pohlmann, von dessen Hühnerställen aus sich Salmonellen verbreitet haben sollen? Er ist freundlich, sagt der Bürgermeister. Aufbrausend, sagen Mitarbeiter. Eine Spurensuche in Niederbayern.
Ein Kernpunkt des Prozesses wird sein, ob Pohlmann eine Körperverletzung mit Todesfolge nachgewiesen wird. Dieser Teil der Anklage fußt auf dem Fall eines 94-jährigen Tirolers, der 2014 starb - nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft infolge einer Salmonellen-Infektion durch Essen, das mit Bayern-Ei-Eiern zubereitet worden war. Pohlmanns Anwälte bestreiten das, auch am Montag in einer Stellungnahme vor Gericht. Sie berufen sich auf ein infektiologisches Gutachten, das sie in Auftrag gegeben haben. Als das Landgericht darüber entscheiden musste, ob es die Anklage in diesem Punkt zulässt, gab es dazu ein eigenes Gutachten in Auftrag. Aber selbst dieses konnte die Frage offenbar nicht abschließend klären.
Vorgeworfen werden Pohlmann, der von August 2015 bis Mai 2016 in Untersuchungshaft saß, aber auch Verstöße gegen das Tierschutzgesetz und Betrug. Er soll in seinem Stall in Ettling im Landkreis Dingolfing-Landau zeitweilig weit mehr Legehennen gehalten haben als erlaubt; zudem soll er seinen Kunden bewusst verschwiegen haben, dass die von ihm gelieferten Eier eigentlich nicht uneingeschränkt zum Verzehr geeignet waren, und sie so um gut fünf Millionen Euro betrogen haben. Aus Sicht der Ermittler wusste Pohlmann seit Dezember 2013, dass in seinen Großställen Salmonellen aufgetreten waren. Dieser Befund habe sich in den Monaten darauf immer wieder durch amtliche Kontrollen und betriebsinterne Proben bestätigt. Pohlmann soll veranlasst haben, dass diese Ergebnisse nicht den Landratsämtern und Abnehmern mitgeteilt wurden.
Der Fall Bayern-Ei beschäftigte auch einen eigenen Untersuchungsausschuss im Landtag. Im Sommer 2014 erkrankten in mehreren europäischen Ländern Hunderte Menschen an Brechdurchfall, sie hatten sich mit Salmonellen eines gefährlichen und seltenen Stamms infiziert. Europäische Behörden ermittelten, dass diese Infektionswelle auf die Firma Bayern-Ei zurückging - damals einer der größten Eierproduzenten in Deutschland mit vier Standorten in Niederbayern und einem in Tschechien. Publik wurde dies im Mai 2015 durch Recherchen der Süddeutschen Zeitung und des Bayerischen Rundfunks. Der Prozess ist derzeit bis Ende März 2020 terminiert, es sollen mehr als 100 Zeugen gehört werden.