Zunächst richtig gute Nachrichten: Es geht um Schläuche und Wasserspritzen im Miniaturformat, um Motorsägen aus Plastik – je nachdem, was sich die Freiwillige Feuerwehr am Ort so einfallen lässt. Die Zahl der Kinder-Feuerwehren in Bayern schießt in die Höhe, gut 30 000 Buben und Mädchen zählen diese Gruppen; eine Verdoppelung binnen weniger Jahre, vereinzelt führt man sogar Wartelisten, so stark ist das Interesse. In den Gruppen werden Kinder spielerisch an die Feuerwehr herangeführt, ein bisschen Sport, ein bisschen Brandschutzerziehung. Vielleicht ist es der Grundstein für ein späteres Engagement. Offiziell zur Freiwilligen Feuerwehr und zur Jugendfeuerwehr können erst Zwölfjährige. Es soll „eine emotionale Bindung“ entstehen, sagt Johann Eitzenberger, Vorsitzender des Landesfeuerwehrverbands, die Entwicklung sei „unglaublich“. Und auch bei Jugendfeuerwehren ist der Trend bei den Mitgliedern ordentlich, nämlich wieder auf Vor-Corona-Niveau.
Und trotzdem steht am Freitag an der „Technischen Hochschule Nürnberg Georg Simon Ohm“ eine Frage über allem: „Wer löscht morgen?“ Diesen Kurztitel gibt die Soziologin und Ehrenamtsexpertin Doris Rosenkranz ihren Forschungsergebnissen. Ein Team um die Professorin hat, gefördert vom Innenministerium, untersucht, wie man das enorme ehrenamtliche Potenzial in den bayerischen Feuerwehren dauerhaft erhalten kann. Viele Jahrzehnte habe das Modell, dass Ältere ausscheiden und Jüngere nachkommen, gut funktioniert, sagt Rosenkranz. Doch einerseits sieht sich die junge Generation einem „Wettbewerb“ ausgesetzt, da viele Organisationen Ehrenamtliche gewinnen wollen. Andererseits dürfte es durch die Altersstruktur im Land zum Rückgang an aktiven Feuerwehrleuten kommen – analog zu amtlichen Bevölkerungsprognosen um etwa ein Drittel bis zum Jahr 2041.
„Selbst wenn der Prozentsatz an Jugendlichen unverändert bleibt, der sich bei den Freiwilligen Feuerwehren engagiert, wird aufgrund der geringen Besetzung der relevanten Jahrgänge die Anzahl der Aktiven sinken“, heißt es in der Studie. Boom an Kinder-Feuerwehren hin oder her. Auch Innenminister Joachim Herrmann (CSU) verweist in Nürnberg bei der Studienvorstellung auf die demografische Entwicklung. Man dürfe „die Augen nicht davor verschließen“ und müsse frühzeitig dagegenwirken. Nicht, dass es irgendwann heiße: „Hoppla, jetzt fehlen uns die Leute.“ Also: Was tun?
Freiwillige Feuerwehren gehören zu den Pflichtaufgaben der Gemeinden. 96 von 100 Feuerwehrmännern und -frauen arbeiten ehrenamtlich. Etwa 320 000 Aktive gibt es in Bayerns Städten und Gemeinden, oft auch kleinen Dörfern. Das sei aber öffentlich gar nicht so bekannt, sagt Rosenkranz – und das sei ein Problem. Befragungen unter jungen Erwachsenen hätten ergeben, dass drei von vier glauben, es komme eine Berufsfeuerwehr im Notfall, gerade bei Unfällen und Bränden. Die Freiwillige Feuerwehr werde eher mit Festen und Tradition assoziiert, fälschlicherweise. Rückmeldungen von Aktiven hätten genau diesen Wunsch ergeben: mehr Sichtbarkeit ihres Ehrenamts, Wertschätzung, Dank.
Das Team hat eine große Online-Befragung abgehalten und viele Einzelgespräche geführt, mit Kommandanten, Aktiven, Expertinnen und Experten. Was empfiehlt Rosenkranz, um neue Leute für die Feuerwehr zu gewinnen, um Engagierte zu halten? Ein ganzes Paket für „strategisches Freiwilligenmanagement“. Wichtiger Punkt ist eben öffentliche Wertschätzung, auch durch gezielte Kommunikation in den Regionen. Dabei empfehle sich kein Druck der Sorte „Wir brauchen Leute, sonst löscht keiner.“ Vielmehr müssten die Vorteile für die Gesellschaft und für Engagierte selbst betont werden, die Sinnhaftigkeit. Die Studie diskutiert auch finanzielle Anreize oder Ideen wie die Bevorzugung bei der Vergabe von Baugrund in Gemeinden. Zudem müsse flexibler auf individuelle Lebensphasen reagiert werden. Viele, die gern in ländlichen Regionen leben, arbeiten woanders und pendeln, sagt Rosenkranz. Wenn der Tag 24 Stunden habe, bleibe da einfach wenig Lebenszeit, die man „für das Engagement verschenkt“.
Wer sich in der Feuerwehrszene umhört, der weiß: Spätestens Richtung 30. Lebensjahr kommt oft ein Punkt, an dem Aktive aussteigen oder – der glimpfliche Fall – sich zurücknehmen; mit Familiengründung, Eigenheim, Karriere. Die Freistellung im Job für Einsätze kann funktionieren, tut es aber nicht zwingend – das hängt an der Ehrenamtsfreundlichkeit der Arbeitgeber. Zugleich rückt für viele heute die Familie in den Vordergrund, Väter interpretieren ihre Rolle moderner. Ein Befragter in der Studie sagt: „Ich liebe die Feuerwehr, aber meine Frau hasst sie mittlerweile.“ Man sei einfach zu viel eingespannt, quasi unabkömmlich.
Ein Problem, das die Feuerwehr wohl besonders hat: Der Trend bei gesellschaftlichem Engagement, egal ob Sport, Vereine oder Politik, geht zum punktuellen Einsatz, ohne Bindung. Das diagnostiziere große Freiwilligen-Surveys: eine „Entkoppelung des Engagements von der Institution einer formalen Mitgliedschaft“. Wer solche laxen Optionen zum Mitmachen bietet, kann demnach leichter Leute gewinnen. Was aber nicht so recht passt für die Feuerwehr, bei der Verlässlichkeit und regelmäßiger handfester Einsatz gefragt sind.
In den Umfragen wird übrigens auch über den Zugang zu Fortbildung geklagt. Tatsächlich sind die Kapazitäten an den Feuerwehrschulen stets ein Aufregerthema in der Szene. Oder über Ausstattung. Ein Befragter sagt: Im Feuerwehrhaus „regnet es rein, die Klamotten hängen in den Dieselabgasen, Duschen gibt es keine. Nach einem Atemschutzeinsatz musst du mit dem ganzen Dreck heimgehen“. Die „Sozialkompetenzen“ von Führungskräften wurden ebenfalls genannt. Und mit dem „Sauf-Image“ hadern auch manche.
Die Studie rät dazu, neue Zielgruppen anzusprechen. Der Frauenanteil steige stetig, liege aber bei elf Prozent. In fast jeder fünften Feuerwehr in Bayern ist aktuell keine einzige Frau aktiv. Zugezogene, ob mit oder ohne Migrationshintergrund, seien ein Potenzial, ferner Quereinsteiger mittleren Alters. Wobei da die Kindergruppen ein Ansatz sind, dem Landesfeuerwehrverband zufolge kommen immer wieder Eltern dadurch zum Engagement. Zur Disposition stellt die Studie die bisherige Altersgrenze für den Einsatz, 65 Jahre. Eine Anhebung, so Rosenkranz, wäre keine Lösung, würde die demografischen Trends aber etwas verzögern.
„Eine Vielzahl an Stellschrauben“ sieht Innenminister Herrmann. Man werde sie in Abstimmung mit den Kommunen anpacken. Das Höchstalter könnte man „flexibilisieren, nicht einfach pauschal zu erhöhen“. Man würde so „Menschen, die fit sind und gut ihren Beitrag leisten können, auch in höherem Alter Raum dafür geben“. Als zentralen Punkt sieht auch Herrmann das öffentliche Bild. Es gebe „den wunderbaren Begriff der Feier-Wehren“, Feste und Aktionen für den Zusammenhalt im Ort. Dass es aber eben in der Regel keine Berufsfeuerwehrleute, sondern Freiwillige seien, die löschen, bei Hochwasser pumpen oder andere technische Hilfe leisten, sei wenig präsent. Wobei er den geselligen Aspekt nicht schmälern mag: „Wer kräftig arbeitet, darf auch feiern.“