Angesichts des stockenden E-Auto-Absatzes der bayerischen Autobauer und von Klimazielen, die in immer weitere Ferne rücken, wartete die Staatsregierung vergangene Woche mit einem umstrittenen Vorstoß auf: Vom 1. April an sollen Elektro-, Hybrid- und Brennstoffzellenfahrzeuge bayernweit auf öffentlichen Verkehrsflächen für drei Stunden kostenlos parken dürfen. Nach dem Kabinettsbeschluss pries Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) die Initiative als „starkes Signal für das Auto ganz generell, aber auch ein Anreiz für mehr umweltfreundliche E-Mobilität“. Er sprach von einer „Win-Win-Situation“, bei der auch die Innenstädte von mehr Kunden profitierten. Wer könnte da schon etwas dagegen haben?
Daniel Ulrich ist Planungs- und Baureferent der Stadt Nürnberg und sagt ohne Umschweife: „Furchtbar viel halten wir davon nicht.“ Nach einer ersten Schätzung rechnet Ulrich mit bis zu 300 000 Euro, die die Stadt durch den erzwungenen Wegfall der Parkgebühren weniger einnehmen wird. Dafür aufkommen wird die Regierung nach aktuellem Stand nicht. Dabei gibt es in Bayern das sogenannte „Konnexitätsprinzip“, das vereinfacht besagt: Wenn der Freistaat den Kommunen Aufgaben überträgt, die mit Kosten verbunden sind, übernimmt er auch die Finanzierung.
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Das sei aber nicht passiert, kritisiert Armin Sing, Sprecher des bayerischen Städtetags. „Gemäß dem Konnexitätsprinzip hätte das zuständige Ministerium eine belastbare Abschätzung der Folgekosten darlegen müssen“, sagt er. Daniel Ulrich ist enttäuscht: „Der Bruch dieses Versprechens ist traurig. Gerade in einer Zeit, in der alle Städte Probleme haben, ihre Haushalte auszugleichen.“ Das Innenministerium erwidert auf SZ-Anfrage, dass das Vorhaben nicht unter das Prinzip falle, da den „Kommunen keine neuen Aufgaben übertragen“ und keine „besonderen Anforderungen“ an bestehende Aufgaben gestellt werden.
Doch endet die Kritik der Städte hier noch lange nicht. An den Impulsen „für die Belebung der Innenstädte und der dort ansässigen Ladengeschäfte“, die das Innenministerium betont, meldet Ulrich ebenso Zweifel an. Früher habe es in der Nürnberger Innenstadt kostenlose Parkplätze gegeben. Doch habe man gelernt, was auch wissenschaftliche Untersuchungen belegen: „Kostenloses Parken stärkt nicht, es schwächt den Handel“ Die Stellplätze werden ab den frühen Morgenstunden oft von Menschen belegt, die in der Innenstadt arbeiten. Für diese sei das praktisch, biete aber sonst keinen Mehrwert.
In der Nürnberger Innenstadt sind öffentliche Parkplätze deshalb seit einigen Jahren mit der Maximalgebühr von circa 2,50 Euro pro Stunde belegt. Damit sollen Autofahrer zu kurzen Parkzeiten bewegt und der „Umschlag“ erhöht werden, sagt Ulrich. Dauerparker könnten auf die vergleichsweise günstigen privaten Parkhäuser ausweichen. Der Vorstoß der Regierung sei da kontraproduktiv: „Für uns macht es überhaupt keinen Sinn, kostenloses Parken im Drei-Stunden-Bereich anzubieten.“ Andere Städte hätten andere Strukturen – und würden zu der Frage daher anders stehen, betont er.
Mit der Kritik ist Nürnberg nicht alleine. Bernd Buckenhofer, Geschäftsführer des bayerischen Städtetags, mahnt, es müsse jeder Stadt im Rahmen ihrer kommunalen Selbstverwaltung überlassen bleiben, wie sie ihren Parkraum bewirtschaftet. „Eine bayernweite Vorgabe hilft hier nicht, sondern nimmt den Kommunen Gestaltungsspielraum“, sagte er. Der Kritik schließt sich Augsburg an, man rechne mit zusätzlichem Verwaltungsaufwand und ungeplanten Einnahmeausfällen. So wäre es „vorteilhafter, auf Grundlage der stadteigenen Mobilitätsziele selbst bestimmen zu können, wo welche Parkgebühren erhoben werden“. Zurückhaltend gibt man sich in Rosenheim, dort möchte man zuerst die finale Verordnung abwarten, schließt sich dem Anliegen des Städtetags aber an.
Teurer Tesla gegen günstigen Opel?
Mit der Kritik konfrontiert verweist das Innenministerium auf das Elektromobilitäts- und Straßenverkehrsgesetz, welche den Freistaat bundesrechtlich dazu ermächtigen, Gebührenordnungen zu erlassen und Höchstsätze festzulegen. „Die Erhebung von Parkgebühren durch Gemeinden ist somit von vornherein beschränkt“, heißt es. Die kommunale Selbstverwaltung werde „nicht eingeschränkt“. Soll wohl heißen: Der Höchstsatz darf auch auf null gesetzt werden – und davon macht man für E-Autos nun Gebrauch.
Unter anderem sollen dadurch Kaufanreize gesetzt werden. In Nürnberg überzeugt dieses Argument aber ebenso wenig. Kaum jemand werde sich angesichts der überschaubaren Park-Ersparnis ein E-Auto zulegen – bisherige Elektro-Fahrer das Privileg aber gerne mitnehmen, meint Daniel Ulrich. Da E-Autos bislang oft Besserverdienenden vorbehalten sind, befürchtet er noch dazu eine Sozialneiddebatte im Stile von: „Jetzt steht der Tesla da umsonst, wo sonst mein Opel stehen würde.“ Sein Fazit über den Regierungsvorstoß: „Er bringt mehr Schaden als Nutzen. Das wird dem Frieden nicht dienen“
Christian Moser ist Oberbürgermeister von Deggendorf und geht davon aus, dass die Regel nur für Parkflächen an öffentlichen Straßen gelten könne, „nicht aber für unsere kommunalen (Groß-)Parkplätze, Parkhäuser und Tiefgaragen, die nicht Teil der öffentlichen Straßen sind“. Er rechnet deshalb mit einem vermehrten Parksuchverkehr in der Innenstadt – und genau den möchte man verhindern. Noch dazu befürchtet er Ärger, wenn E-Autos auf solchen Parkplätzen dann doch kontrolliert werden und Strafen anfallen. „Die Entscheidung zeugt leider von keinem Gesamtkonzept für die Förderung der E-Mobilität“, sagt er. Der Ausfall an Parkgebühren belaufe sich für Deggendorf auf einen „höheren fünfstelligen Betrag“, der seiner Meinung nach vom Freistaat kompensiert werden sollte.
Nicht überall aber ist das Echo so negativ. In Würzburg wird der Impuls der Regierung „generell“ begrüßt, da er sich mit den „ambitionierten Klimazielen“ der Stadt decke. Auch Bayreuth sieht sich im gemeinsamen Ziel, den Umstieg auf E-Mobilität zu erleichtern, mit der Regierung geeint. Dort dürfen Autos mit E-Kennzeichen bereits seit 2015 im Rahmen der Höchstparkdauer kostenlos parken. Wie in Nürnberg wird aber die Dauer kritisiert, da Kurzzeitparkplätze in Bayreuth stark frequentiert werden und „künftig bis zu drei Stunden belegt werden können“. Den ausbleibenden finanziellen Ausgleich des Freistaats bezeichnet die Stadt als „bedauerlich“.