Landwirtschaft:"Ein Kniefall vor den Bauern"

Gülle in der Landwirtschaft

Die Landwirte, die zu viel Gülle und Kunstdünger auf ihren Feldern ausbringen, gelten als die Hauptverursacher für zu hohe Nitratwerte im Grundwasser.

(Foto: Patrick Pleul/dpa)

Eine neue Düngeverordnung soll die Belastung der Böden mit Nitrat verringern. Kommunen und Versorgern geht der Schutz aber nicht weit genug.

Von Christian Sebald

Wenn es um das Grundwasser geht, redet sich der Abensberger Bürgermeister und Präsident des bayerischen Gemeindetags, Uwe Brandl (CSU), schnell in Rage. So auch jetzt, wo die Staatsregierung die Bauern verpflichten will, sorgfältiger zu düngen. "Das Grundwasser ist unser wichtigstes Lebensmittel", sagt Brandl. "Die neue Verordnung der Staatsregierung zu seiner Reinhaltung hält nicht, was sie verspricht. Sie ist ein Kniefall vor den Bauern." Auch die Wasserversorger in Bayern sind verärgert. "Da fällt einem das Kinderlied von Pippi Langstrumpf ein: Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt", sagt Detlef Fischer vom Verband der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft (VBEW).

Die Kritik der Gemeinden und der Wasserversorger entzündet sich an der "Verordnung über besondere Anforderung an die Düngung und Erleichterungen bei der Düngung". Die Beamten im Agrarministerium kürzen das Wortungetüm mit "Ausführungsverordnung Düngeverordnung" (AVDüV) ab. Das fünf Seiten schmale Papier soll den erbitterten Streit zwischen Bauern, Politikern in Bund und Freistaat, Wasserversorgern und der EU-Kommission um sauberes Grundwasser befrieden. Er wurde so hart geführt, dass die EU-Kommission Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof verklagt und mit Strafzahlungen von bis zu 850 000 Euro am Tag gedroht hat. Erst darauf haben sich Bund und Länder im Frühjahr auf schärfere Düngevorgaben für die Bauern geeinigt. In Bayern müssen sie noch umgesetzt werden - mit der AVDüV.

Der Grund des Streits ist das Nitrat. Das ist ein besonderer Stoff. Zum einen ist er sehr wichtig für das Gedeihen der Pflanzen auf den Äckern und Weiden. Zum anderen ist er in hohen Konzentrationen eine Gefahr für Flora und Fauna. Und auch für Menschen. Nitrat steht sogar im Verdacht, Krebs auslösen zu können. Für Trinkwasser gilt deshalb schon seit vielen Jahren EU-weit ein Grenzwert von 50 Milligramm Nitrat je Liter. Das weitaus meiste Trinkwasser in Bayern wird aus Grundwasser gewonnen. Grundwasser hat von Natur aus einen Nitrat-Gehalt von maximal zehn Milligramm. Davon sind inzwischen viele Trinkwasserbrunnen weit entfernt.

Selbst der Grenzwert wird inzwischen an vielen Messstellen gerissen. Ebenso der Vorsorgewert von 37,5 Milligramm Nitrat je Liter, ab dem die Wasserversorger etwas tun müssen, damit sich die Qualität des Grundwassers nicht weiter verschlechtert. Das Umweltministerium geht davon aus, dass ungefähr 30 Prozent des Grundwassers in Bayern so mit Nitrat belastet sind, dass sie auch 2021 die EU-Vorgabe nach reinem Grundwasser verfehlen. Darunter sind weite Teile Niederbayerns, Nordschwabens und Frankens, aber auch Regionen in Oberfranken, der Oberpfalz und Oberbayern. Der Grund der Belastung ist laut Umweltministerium immer der gleiche: Die Landwirte bringen viel zu viel Gülle und Kunstdünger und damit Nitrat aus.

Jahrelang hat die EU-Kommission Verschärfungen gefordert

Dabei hat die EU schon 1991 in ihrer Nitrat-Richtlinie ihre Mitgliedsstaaten auf die Reinhaltung des Grundwassers, aber auch der Bäche, Flüsse und Seen von Nitrat-Verunreinigungen aus der Landwirtschaft verpflichtet. 2000 haben die EU-Staaten das mit der EU-Wasserrahmenrichtlinie bekräftigt. Danach sollte überall dort, wo das Grundwasser belastet ist, bis 2021 der chemisch gute Zustand hergestellt werden. In Ausnahmen gilt die Frist bis 2027.

Die EU-Kommission hat Deutschland und damit auch Bayern über Jahre hinweg aufgefordert, gegen das Nitrat im Grundwasser anzugehen - also die Düngevorgaben so zu verschärfen, damit der Grenzwert perspektivisch auf ganzer Fläche eingehalten wird. Doch die Verschärfungen, die Bund und Freistaat zum Beispiel mit der Düngeverordnung von 2018 erlassen haben, waren immer viel zu schwach.

In der neuen Verordnung sind die Vorgaben tatsächlich angezogen worden. So müssen die Bauern nun sehr viel sorgfältiger als bisher ermitteln, wie viel Dünger ihre Kulturpflanzen brauchen. Für die Ausbringung gilt eine Obergrenze von 170 Kilo Nitrat je Hektar und Düngejahr, es gelten neue Sperrfristen etwa für die kalte Jahreszeit, außerdem müssen die Bauern bei der Düngung sehr viel mehr Rücksicht auf den Zustand des Bodens nehmen und anderes mehr.

Die Kommunen sind skeptisch - die Agarministerin nicht

Vor allem aber sind sogenannte rote Gebiete definiert worden, in denen das Grundwasser so stark belastet ist, dass die Bauern von 1. Januar 2021 an das Düngen um ein Fünftel reduzieren müssen. Sie betreffen etwa zwölf Prozent der Landesfläche. Allerdings gab es rote Gebiete auch schon in der AVDüV von 2018. Mit 25 Prozent der Landesfläche waren sie sogar doppelt so groß wie jetzt. Dabei hat sich an der Belastung laut Umweltministerium vom Grundsatz her nichts geändert.

Trotz der Kritik der Kommunen und der Wasserversorger spricht Agrarministerin Michaela Kaniber (CSU) von "einem überzeugenden Gesamtpaket für mehr Gewässerschutz". Durch die neue Düngeverordnung gälten "im gesamten Land deutlich strengere Maßstäbe, die eine Reduzierung des Düngemitteleinsatzes erfordern". Die Umwelt- und die Landwirtschaftsverwaltung hätten "die Grundlagen für einen nachhaltigen Gewässerschutz und eine nachhaltige, gewässerschonende Landwirtschaft" deutlich verbessert.

Die Halbierung der roten Gebiete begründen Kanibers Ministeriale mit neuen, sehr viel präziseren Modellierungen der Grundwasserströme und ihrer Belastungen. Zugleich verweisen sie darauf, dass man ein neues hochmodernes Messstellennetz aufbaue, das die tatsächliche Belastung erfassen wird. Sollten Anpassungen der roten Gebiete nötig werden, werde dies geschehen.

Die Kommunen und die Wasserversorger vertrauen nicht darauf. Gemeindetagschef Brandl will die EU-Kommission auffordern, die neue AVDüV zu prüfen. Für den VBEW-Geschäftsführer Fischer ist die Halbierung der roten Gebiete ein "fatales Signal". Sie erwecke "den Eindruck, das Nitratproblem sei jetzt weitaus weniger brisant als früher". Dabei berichteten etliche Wasserversorger von steigenden Belastungen. Der Präsident des Bauernverbands, Walter Heidl, entgegnet, die AVDüV sei ein erster wichtiger Schritt", um das Grundwasser zu schützen und die Bauern nur dort mit zusätzlichen Einschränkungen zu konfrontieren, wo sie nötig seien. Die Bauern hatten massiv gegen den vormaligen Zuschnitt der roten Gebiete protestiert.

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Screenshots: Bilder aus Video von Animal Equality, INVESTIGATIV. Ansprechpartnerin Bovensiepen.

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