Im selbsterklärten Musterland der Corona-Bekämpfung haben sich in den vergangenen Monaten zwei politische Schwachstellen aufgetan: Die eine im Gesundheitsministerium hat Ministerpräsident Markus Söder inzwischen beseitigt, indem er Ministerin Melanie Huml mit seinen Vertrauensleuten geradezu umstellt hat.
Im Kultusministerium, der wesentlich größeren Schwachstelle, verantwortet Minister Michael Piazolo ein Durcheinander, dessen Beschreibung inzwischen selbst Experten überfordert. Präsenz- und Wechselunterricht, Distanzlernen, Distanzunterricht - das sind nur vier von vielen Schlagworten aus dem bayerischen Schulchaos.
Man darf Piazolo zugutehalten, dass er im Gegensatz zu etlichen Vorgängern ein Mensch ist, der anderen zuhört. Und ja, in der sogenannten Schulfamilie gibt es auch Onkel, Tanten, Cousinen zweiten Grades und andere Nervensägen, die stets alles besser wissen. Umso schwerer wiegt deshalb aber Piazolos chronische Entscheidungsschwäche. Als vor eineinhalb Jahren Klima-Aktivisten massenhaft den Unterricht schwänzten, da schob er den Schulleitern die Verantwortung für Sanktionen zu.
Auch in der Corona-Krise vermissen Lehrer, Eltern und Schüler, dass wenigstens ein paar Leitlinien klar definiert und dann auch allen rechtzeitig mitgeteilt werden. Hinzu kommt, dass die Kultusbürokraten mit ihren Heerscharen von Bedenkenträgern zu spät die Konsequenzen aus den Problemen im Frühjahr gezogen haben. Noch immer mangelt es an schnellen Internetverbindungen. Zu lange wurde nach den Sommerferien auf Präsenzunterricht gesetzt. Die Wucht der zweiten Pandemiewelle trifft die Schulen jetzt umso härter.
Söder kann seinen Schulminister schon deshalb nicht entlassen, weil er sonst den Bruch der Koalition zur Unzeit riskieren würde. Personelle Alternativen gibt es ohnehin nicht. Die Menschen in Bayern können aber verlangen, dass nach den Weihnachtsferien endlich die Grundversorgung mit schulischer Bildung wieder funktioniert, in welcher Distanz auch immer.