Judith Gerlach (CSU) hat am Mittwoch in die Start-up-Kulisse des Münchner Werksviertels ein paar gute Vorsätze fürs neue Jahr mitgebracht. Doch wie viel Zeit für deren Umsetzung bleibt, ist die Frage in einem Jahr, das durch die Landtagswahl im Herbst politisch "etwas verkürzt" ist, wie es die Digitalministerin formuliert. "Digitale Heimat" haben sie in ihrem Haus die Agenda für die verbliebenen Monate überschrieben; nach Jahren der "digitalen Teilhabe" und der "Marktwirtschaft digital" soll 2023 also bestenfalls Digitales für alle bringen. Ein Mehr an digitalen Möglichkeiten will Gerlach dabei vor allem in der Verwaltung, außerdem mehr Nachhaltigkeit und mehr Antworten auf Energiefragen. Es gehe um eine "holistische Vision für unsere Zukunft", sagt sie. Und: "Es wird jetzt auch bald an die Verwirklichung gehen."
Letzteres passt zur Devise, die Markus Söder mit Blick auf die Wahl vorgegeben hat, zum "Jahr der Umsetzung". Sogar den Satz des Ministerpräsidenten von "Hightech und Heimat" zitiert Gerlach bei der Vorstellung ihrer inhaltlichen Schwerpunkte. Einige davon sind bereits aus dem alten Jahr bekannt: So laufen Planungen für ein klimaneutrales Rechenzentrum an der Universität Passau, mit Photovoltaik auf dem Dach und Servern, die mit ihrer Abwärme einen Gemüsegarten versorgen. Den Ausbau der digitalen Verwaltung will Gerlach ebenfalls fortführen und dazu den Rathäusern weiterhin vorgefertigte Pakete mit digitalen Services bereitstellen. Das Projekt "TwinBy" soll Kommunen außerdem beim Entwickeln digitaler Zwillinge unterstützen. In solchen virtuellen Modellen könnten Gemeinden beispielsweise simulieren, welche konkreten Auswirkungen bestimmte Eingriffe und Maßnahmen auf den örtlichen Straßenverkehr haben - und so böse Überraschungen in der Wirklichkeit vermeiden.

Newsletter abonnieren:Mei Bayern-Newsletter
Alles Wichtige zur Landespolitik und Geschichten aus dem Freistaat - direkt in Ihrem Postfach. Kostenlos anmelden.
Neu hingegen ist ein Tool zur Energienutzung, an dem das Ministerium derzeit mit Siemens arbeitet. Stark vereinfacht handelt es sich dabei um eine interaktive Karte, die Statistiken zu Energieverbrauch und -herstellung visuell aufbereitet. Dieser Status quo soll sich mit verschiedenen Szenarien vergleichen lassen - etwa wie sich die Versorgungslage in der Oberpfalz ändern würde, wenn es dort doppelt so viele E-Autos und Ladesäulen gäbe, wenn die deutschen Atomkraftwerke länger liefen oder wenn Bayern fast kein CO₂ mehr ausstieße. Aus den Unterschieden zwischen Soll und Ist könnte wiederum die Politik ihre Entscheidungen datenbasiert ableiten, so zumindest die Idee. Bis Mitte des Jahres soll das Tool mit den ersten Szenarien online gehen, noch sind nicht alle nötigen Daten im System hinterlegt.
Insgesamt sieht Gerlach den Freistaat auf dem Weg zum "modernen Digitalstaat", ihr Ministerium sei dabei der "Think Tank innerhalb der Staatsregierung". Dass diese Denkfabrik gute Ansätze entwickelt, finden sogar manche in der Landtagsopposition. Was aber daraus gemacht werde, sei zu wenig, sagt etwa Benjamin Adjei von den Grünen. Natürlich sei das Themenfeld breit, mit vielen Einzelplätzen, an denen gearbeitet werden müsse. Doch statt einer großen Idee von der Digitalisierung gebe es wohl auch in diesem Jahr nur "viel Klein-Klein".