Kratzers Wortschatz:Wer in der Schupfa ins Narrenkastl schaut

Statt einer Schupfa stellen sich die Leute heute eher ein Gartenhaus aus dem Baumarkt auf, aber ins Narrenkastl schauen viele immer noch gerne. Selbst wenn der Begriff dafür nicht mehr so häufig verwendet wird

Kolumne von Hans Kratzer

Narrenkastl

In seinem Roman "Nicht wie ihr" beschreibt Tonio Schachinger die Hauptfigur, den Profifußballer Ivo, an einer Stelle so: "Sein Blick geht ins Leere, ins Nichts, ins Narrenkastl und dort ziehen Gedanken durch wie im Zeitraffer auf einer Wetterkarte, mit schnellen Hochs und Tiefs . . ." Die Redensart "Ins Narrenkastl schauen" ist in Österreich populär, man hört sie aber auch in Südbayern, vor allem wenn Kinder diesen typischen abwesenden Blick aufsetzen. Der Musicalproduzent Niki Neuspiel, der in einem Turmhaus in Wien-Penzing wohnt, sagte zur Zeitung Der Standard: "Am liebsten schaue ich ins Narrenkastl. Das Narrenkastl ist auch wirklich notwendig, um in die Ferne abzuschweifen . . ." Auch in Peter Cornelius' Lied "Du entschuldige, i kenn di" kommt die Wendung vor: "Wann i oft a bissl ins Narrenkastl schau, dann siech i a Madl mit Augen so blau . . ." Ins Narrenkastl schauen - das benennt einen Zustand, in dem Kinder und Erwachsene quasi Löcher in die Luft starren und geistesabwesend sind. Dieser träumerische Zustand erhebt einen für kurze Zeit aus dem Alltag, man verweilt in einem Traumgebilde. Die Welt ist zurzeit so damisch, dass es heilsam ist, ab und zu das Hirn auszuschalten und ins Narrenkastl zu schauen.

Schupfa

Im Bayerischen Fernsehen war am Sonntag ein Beitrag über den Künstler Leo Schötz zu sehen, der im Bayerischen Wald ein Wohnhaus aus Stahl errichtet hat. Manche Nachbarn reagierten irritiert, einer fragte, ob das rostbraune Gebäude eine Schupfa sei. Leider erlebt mit dem Verschwinden der Bauernhöfe auch die Schupfa einen Niedergang. Auf dem Dorf hatte früher jedes Haus eine Schupfa, das waren hölzerne Schuppen oder Verschläge, in denen Holz, Gerätschaften und zur Not auch ein Bulldog oder ein Odelfass untergebracht waren. Der Autor Valentin Reitmajer erinnert sich sogar, dass kleine Häuslleute in ihrer Schupfa gelegentlich ein Schwein herangefüttert haben. Heute stellen die Haus- und Grundbesitzer sterile Gartenhäuser vom Baumarkt auf, denen die Aura einer Schupfa absolut und komplett fehlt.

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