Kratzers Wortschatz:Von Obstbambeidlerinnen und Trambahnritzenreinigerinnen

Kratzers Wortschatz: Zwetschgen kann man vom Baum abbeidln - in Bayern zumindest. Ansonsten hilft rütteln.

Zwetschgen kann man vom Baum abbeidln - in Bayern zumindest. Ansonsten hilft rütteln.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Unter dem Wort Obstbam (Obstbaum) kann sich natürlich noch jeder was vorstellen. In dem Verb beidln (beuteln) scheinen dagegen mehrere Nuancen durch.

Kolumne von Hans Kratzer

Huisnblasi

Ein Stenz ist nach klassischer Definition ein Weiberheld. Als ein Stenz in Reinkultur gilt der Monaco Franze aus der gleichnamigen Münchner Fernsehserie. Aber auch auf dem Land treibt sich so mancher Stenz herum. Nur werden solche Typen dort anders genannt: Sie hören auf das lustig klingende Wort Huisnblasi (übersetzt: Hülsenblasius).

Huisnblasi hat aber mehrere Bedeutungen. Der Hofer Franzi aus Starzell nennt seinen kleinen Buben manchmal ebenfalls Huisnblasi, aber nur im liebevoll tadelnden Sinne: "Ja, du Schlawiner, was hastn scho wieder angestellt!"

Auch dem großen Münchner Autor Sigi Sommer war das Wort geläufig. In der Abendzeitung schrieb er im September 1968, Huisnblasi sei die lustige Bezeichnung für einen unbeholfenen Menschen. Jahrzehnte später brachte der Garmischer Autor Jörg Maurer den Huisnblasi in seinem Kriminalroman "Föhnlage" ins Spiel: "Der Mirgl, . . ., ein richtiges Mannsbild war das - und nicht so ein Lätschenbeni wie dieser Jennerwein, dieser sogenannte Kommissar, dieser Huisnblasi, bei dem gar nichts weiterging, . . ."

Zur Herkunft des Begriffs liefert vielleicht Ludwig Ganghofers 1883 erschienener Roman "Der Jäger von Fall" eine Antwort. Dort tritt auch ein Blasi auf, der Sohn des Huisn Bauern. Nach bayerischem Sprachgebrauch wird er aber nicht Blasi Huisn genannt, sondern Huisn Blasi. Wer eine treffendere Erklärung kennt, ist herzlich aufgerufen, diese der Redaktion, Abteilung Wortschatz, mitzuteilen.

Obstbambeidlerinnen

Die Passauer Sängerin Barbara Dorsch, die viele auch unter dem Namen "Passauer Saudiandl" kennen, und die junge Klarinettistin Veronika Zirbs haben eine neue CD zusammengestellt, die den interessanten Titel "D'Obstbambeidlerinnen" trägt. Die in Viechtach erscheinende Kulturzeitschrift Lichtung hat wohl recht, wenn sie dieses Wort unter jene Begriffe einreiht, zu denen die Suchmaschinen im Internet nur einen einzigen Treffer ausspucken. Die Obstbambeidlerin erinnert formal ein bisserl an die legendäre Trambahnritzenreinigerin von anno dazumal. Unter dem Wort Obstbam (Obstbaum) kann sich natürlich noch jeder was vorstellen. In dem Verb beidln (beuteln) scheinen dagegen mehrere Nuancen durch. Zwetschgen kann man vom Baum abbeidln (abbeuteln). In einem solchen Fall schüttelt man den Baum, damit die Früchte auf den Boden fallen und sicher geerntet werden können. Statt schütteln kann man auch beidln sagen. Auch einen Menschen kann man beidln, wenn es nötig ist, oder es beidlt ihn von selber, und zwar dann, wenn es ihn heftig friert. "Den hats beidlt wia an nackerten Schneider!", heißt es dann. So sehr hat er gebibbert.

Abortprinzessin

Im Bayerischen Fernsehen hat mal ein älterer Herr über all jene gelästert, die sich in Krisenzeiten zu Hamsterkäufen hinreißen lassen. Er schimpfte, es sei eine Idiotie, dass die Leute wie wild Speiseöl kauften oder, wie am Beginn der Pandemie, Abortpapier. Interessant war, dass er statt des gängigen Begriffs Klopapier das altertümliche Wort Abortpapier verwendete. Mit der fortschreitenden Hygienisierung ist der Abort langsam aus der Alltagssprache verschwunden. In der TV-Serie "Polizeiinspektion 1" sagte der Inspektionsleiter Schöninger (Walter Sedlmayr) anno 1982 noch ganz selbstverständlich zu seinem Kollegen Moosgruber (Max Grießer): "Du, mach amoi d'Aborttür zu!"

Wie dem Tagebuch der Unternehmerin Maria Walser zu entnehmen ist, sprach man in München um das Jahr 1890 herum vom Closette, wenn für das Klo ein eigenes Wasserreservoir vorhanden war. Damals begann man in wohlhabenden Häusern, immer mehr Aborte, also die trockenen Plumpsklos, zu Closettes umzubauen. Auf den Dörfern dienten noch vor 50 Jahren schmale Holzhäusl als Aborte. Sie waren oft am Rande des Misthaufens platziert und wurden als Scheißhäusl bezeichnet. Ein grobes Wort, das aber auch der Dichterfürst Goethe verwendet hat. Um das Häusl aufzusuchen, musste man sich bei jedem Wetter ins Freie begeben. Umso froher waren jene, die einen am Haus eingemauerten Abort besaßen, zwar ohne Spülung, aber mit einer gemauerten oder betonierten Versitzgrube.

Laut Duden stammt das Wort Abort aus dem Niederdeutschen und benennt einen abgelegenen Raum zum Verrichten der Notdurft. Abortprinzessin hießen einst jene Frauen, die öffentliche Toiletten sauber halten und die Eintrittsgebühr kassieren. Ein Euphemismus, der den Realismus dieser Tätigkeit ziemlich gut verschleiert.

knickert

Knickerte Menschen sind knausrig, kleinlich und geizig. In der BR-Serie "Dahoam is Dahoam" sagte die Wirts-Oma Brunner einmal über einen Gast, der einen Seniorenteller bezahlt, aber dann einen kostenlosen Nachschlag gefordert hatte: "Hobs do glei gwusst, dass uns der knickerte Hund bloß bscheißn wui!" Gerne wird das Adjektiv knickert mit einem Schimpfwort erweitert. Der knickerte Hund ist beliebt, aber bestimmt keine Auszeichnung. Ein Universalurteil fällte einst der Autor Ludwig Fichtlscherer über seine Heimatstadt: "Da Rengschburger is vo Natur aus gniggad", schrieb er. Knickert zu sein, kann böse enden. Ein Kollege spekulierte über einen Mann, der durch einen Treppensturz ums Leben kam: "Vielleicht, weil er knickert war und 's Liacht ned eingschalten hat."

Schnackelfinger

Im Radioprogramm Bayern 2 wurden einmal Krankheiten der Finger erörtert. Der Handchirurg Michael Strassmair brachte dabei den Begriff Schnackeldaumen ins Spiel, der jedenfalls lustiger klingt als die chirurgischen Fachbegriffe schnellender Finger und Schnalzdaumen. Verdickte Sehnen schränken dabei die Bewegung der Finger ein und lassen sie schnalzen oder schnackeln. Schulkinder führten früher im Unterricht schnackelnde Fingergeräusche willentlich herbei, wenn sie die Lehrkraft auf sich aufmerksam machen wollten.

Unvergessen auch die Schnackelbix, eine Spielzeugpistole mit einem Stopsel im Lauf, der laut schnackelte, wenn man auf den Abzug drückte. Auf der Wiesn ist die Schnackelbix gelegentlich noch zu erwerben. Jetzt hats gschnackelt, sagt man über einen Begriffsstutzigen, der etwas kapiert hat. Auch in der Erziehung erwies sich das Verb schnackeln als tauglich: "Komm her oder es schnackelt!"

das Luserls

Die aus Pocking stammende Künstlerin Margit Orlogi ist als reisende Bildhauerin weltweit unterwegs. Sie schöpft dabei visuell wie handwerklich aus ihrer Lehrzeit in Italien sowie aus ihrer Kindheit in Niederbayern. Da Frau Orlogi in einer Pockinger Metzgerei aufgewachsen ist, beherrscht sie die dortige Mundart und ihre Eigenheiten in Perfektion. Manchmal, so hat sie es einmal geschildert, sei die Tante aus Ketzding (Bad Kötzting) zu Besuch in Pocking gewesen. Wenn diese jemanden beim Horchen an der Tür erwischt habe, sagte sie nur: "Schau hi, der lust wia d'Sau vor der Muidia" (der lauscht wie die Sau vor der Mühltüre). Sie selber, so erzählte Frau Orlogi, habe als Kind "mehr gschaut wia gschmatzt" (mehr geschaut als geredet). Deshalb gab ihr der Vater den Spitznamen "'s Luserl" (das Luserl). Diesem Wort liegt das alte Verb lusen zugrunde (hören, lauschen), das bereits im Althochdeutschen (hlosen) belegt ist und im Dialekt bis heute überlebt hat. "Lus amoi!", sagt man zu einem, der die Ohren aufsperren soll.

a gfeids Mädl

Ein Bekannter hat mal erzählt, er habe die größte Freude, wenn er seine Enkelin beobachte, weil sie "so ein gfeids Mädl" sei. Gfeid - so sagt man in Oberbayern zu Kindern, die nicht nur dantschig (liebenswürdig) sind, sondern bereits einen ausgeprägten Charakter haben, aus dem Frohsinn und Schalk hervorblitzen. In Altbayern hört man auch das Synonym odraht (abgedreht, raffiniert, durchtrieben), es gibt abgedrehte Spitzbuben und odrahte Bazis. Obwohl diese Beispiele den Eindruck erwecken, als benennten Wörter wie gfeid und odraht etwas Negatives, ist das bei Kindern nicht der Fall. Die Schlauheit, der Witz, das Abgedrehte, das hier zum Ausdruck kommt, stärkt vielmehr die Zuversicht, dass sich jene Buben und Mädchen im Leben behaupten werden. Anders verhält es sich bei älteren Personen: "Des is a ganz a Gfeide!" - vor der musst Du dich in Acht nehmen. "Gfeid ists!", das heißt: Jetzt wird es brenzlig. Politik und Weltgeschehen wecken zurzeit vielerorts Sorgen. Oft hört man die Klage: "Gfeid ists nocharanand!" Gefehlt ist es nacheinander, jetzt schwimmt alles den Bach hinunter.

Schupfa

Im Bayerischen Fernsehen war einmal ein Beitrag über den Künstler Leo Schötz zu sehen, der im Bayerischen Wald ein Wohnhaus aus Stahl errichtet hat. Manche Nachbarn reagierten irritiert, einer fragte, ob das rostbraune Gebäude eine Schupfa sei. Leider erlebt mit dem Verschwinden der Bauernhöfe auch die Schupfa einen Niedergang. Auf dem Dorf hatte früher jedes Haus eine Schupfa, das waren hölzerne Schuppen oder Verschläge, in denen Holz, Gerätschaften und zur Not auch ein Bulldog oder ein Odelfass untergebracht waren. Der Autor Valentin Reitmajer erinnert sich sogar, dass kleine Häuslleute in ihrer Schupfa gelegentlich ein Schwein herangefüttert haben. Heute stellen die Haus- und Grundbesitzer sterile Gartenhäuser vom Baumarkt auf, denen die Aura einer Schupfa absolut und komplett fehlt.

garatzen

Eine Nachbarin hat neulich heftig husten müssen. Mittendrin rutschte ihr ein Wort heraus, das früher ihr Großvater verwendet hatte. "I woaß gar ned, warum i jetzt so stark garatzen muass", sagte sie zwischen ihren Hustenanfällen. Garatzen ist ein interessantes Wort, es gehört zur Sorte jener Verben, welche die mittelhochdeutschen Endungen -itzen, -etzen und -atzen besitzen. Diese Wörter drücken das Wiederholen einer Bewegung oder eines Lautes aus. Nofetzen ist ein Synonym für dösen und schlummern. Wer schlifetzt, der schlurft dahin, ohne die Füße zu heben. Ein Schuh und eine Tür können knaratzen. Als sich ein kreuzlahmer Bekannter neulich in einer Praxis auf eine Liege quälte, gab diese ein ächzendes Geräusch von sich. Die medizinische Assistentin sagte: "Oh, nicht erschrecken, die knaratzt!" Wenn ein Bergbewohner sagt, er höre auf den Anhöhen ein Achatzen und Knaratzen, dann sollte man schleunigst das Weite suchen. So kündigt sich nämlich der Abgang von Lawinen an.

Drack

"Der Drache speit nicht mehr", war mal in der SZ zu lesen. Es ging um jenen Vulkan auf der Insel La Palma, der die Menschen dort drei Monate lang drangsaliert hat. Mehr als 1600 Gebäude wurden durch die Lava zerstört. Einen "sturköpfigen Drachen" nennen die Einheimischen den Vulkan. Das deckt sich mit der Mythologie, die den Drachen als finsteren Gesellen beschreibt, von dem eine große Gefahr ausgehe, zudem besitze er übernatürliche Kräfte. Die Mutter aller Drachenmythen sei die Siegfried-Sage im Nibelungenlied aus dem frühen 13. Jahrhundert, war vor wenigen Tagen der SZ zu entnehmen. Auch im bayerischen Schimpfwörterkanon hat der Drache seinen festen Platz. Allerdings heißt er dort Drack, ein Wort, das wohl vom lateinischen draco abgeleitet ist. Ein Drack ist ein Mensch, der andere Menschen gerne ärgert: "Schleich' dich, du Drack!", heißt es dann. Auch Buben, die etwas ausgefressen haben, wurden früher gerne als Drackn tituliert und bisweilen mit einer Watschn belobigt.

Stoderer

Das Verhältnis von Landmensch und Stadtmensch ist wegen der ausufernden Mobilität komplizierter denn je. Es erinnert an die Koexistenz von Hund und Katz. Beim Stoderer, der zum Schimpfwort mutiert ist, handelt es sich um die mundartliche Form des Städters. Das weibliche Pendant lautet Stoderin, seit jeher schwingt bei diesen Begriffen etwas leicht Abfälliges mit. Beide Bevölkerungsgruppen sind voneinander abhängig, mag man auch gegeneinander sticheln. Schnell hat das Alpenvolk im 19. Jahrhundert gemerkt, dass es mit den Stoderern gutes Geld verdienen kann, wenn es ihnen eine mit reichlich Seppltum garnierte Landidylle vorgaukelt. Die Stoderer genossen dieses Schauspiel sehr, ihre Gastgeber hielten sie trotzdem gerne für einfältig.

Und doch fand man meistens zueinander. Die Sängerin Tanja Raith von den Raith-Schwestern ist liiert mit dem Musiker Andi Blaimer. Als sie sich in ihrer ersten Band kennenlernten, waren sie sich noch nicht sympathisch. Tanja sagt, sie habe rotgesehen, wenn sich Blaimer dem Proberaum näherte. Tanja, das brave Deandl vom Land, und Blaimer, der eingebildete Stoderer. Doch letztlich wendete sich die Beziehung zwischen Landpomeranze und Stadtfrack, wie der Stoderer auch genannt wird, zum Positiven.

Giasinger Heiwog

Neulich ist das Auto nicht angesprungen, es wurde in die Werkstatt geschleppt. Kfz-Meister Rainer B. stellte eine rasche Diagnose: Der Tank war leer. Die Anzeige hatte fälschlicherweise angegeben, er sei noch halb voll. Es sei eigentlich ein gutes Auto, sagte der Meister, es habe nur eine Schwäche: "Die Benzinanzeige geht nach der Giasinger Heiwog!" Bei allem Ärger war es erfrischend, diese alte Redewendung wieder einmal live zu hören. Dahinter steckt ja ein Stück Wirtschaftsgeschichte, denn es geht es dabei um die legendäre Heuwaage, die einst in München-Giesing stand. Mit ihrer Hilfe wurden in Zeiten ohne Digitalanzeige Pferdefuhrwerke und ihre Ladung gewogen. Die Giasinger Heiwog hatte riesige Ausmaße, trotzdem konnte man damit das wahre Gewicht einer Ladung nur grob und ungenau wiedergeben. Wegen dieser Eigenschaft fand die Giesinger Heuwaage Eingang in den Sprachschatz. Nicht nur Rainer B. pflegt alles Ungenaue, das ihm im Alltag begegnet, immer noch mit dieser Wendung zu beschreiben. Auch eine ungenaue Uhr geht nach der Giasinger Heiwog.

Überhaupt werden gewisse Münchner Orte gerne für solche Vergleiche herangezogen. Schreiner und Zimmerer sagen, wenn der Abstand in einer Holzkonstruktion nicht stimmt: "Da fehlt's ja um d'Neihauser Strass!" Der Abstand ist also, leicht übertrieben, so groß wie die Neuhauser Straße, die heute Teil der Fußgängerzone im Zentrum von München ist.

Gschaftlhuber

Beim Sonntags-Stammtisch des Bayerischen Fernsehens hat Moderator Hans Werner Kilz einmal mit der Politik der Europäischen Kommission gehadert. "Man hört nix von ihr", sagte er und schob nach, wir lebten in einem Zeitalter, "wo große Europäer fehlen, es ist alles so gschaftlhuberisch von Land zu Land". Das Adjektiv gschaftlhuberisch passt wunderbar an einen Stammtisch, es hat Kraft und Würze und es sagt kurz und bündig mehr aus als manch gestelztes Grundsatzreferat. Dem Wort liegt das Hauptwort Gschaftlhuber zugrunde, in dem der Familienname Huber verallgemeinernd mit dem Verbum gschafteln verknüpft ist. Ein Gschaftlhuber ist ein Besserwisser, ein Wichtigtuer, der sich überall einmischt. Den Dichter Harald Grill haben solche Typen schon in der Schule genervt, was er in seinem Roman "gehen lernen" so beschreibt: "Zusammen mit den Gscheiterln und Gschaftlhubern sitzen sie alle ganz vorne beim Fräulein." Dort können sie halt prima gschafteln. Auch die hohe Politik ist gegen das Gschaftlhuber-Virus wenig gefeit.

Tröpferlbad

Kratzers Wortschatz: Heute fließt das Wasser in jedem Haushalt in Strömen, früher musste man zum Baden in eine öffentliche Einrichtung, die auch als Tröpferlbad bekannt war.

Heute fließt das Wasser in jedem Haushalt in Strömen, früher musste man zum Baden in eine öffentliche Einrichtung, die auch als Tröpferlbad bekannt war.

(Foto: Johannes Simon)

Früher hat sich die Alltagssprache im täglichen Miteinander noch frei von jeglichen medialen Einflüssen bildhaft ausgeformt. Dabei sind liebreizende Wörter entstanden, zum Beispiel das Tröpferlbad, das vor allem in Wien zur Blüte kam, aber auch in München bekannt war. Auf der Schwanthalerhöhe gab es ein solches öffentliches Bad, in dem man für ein paar Zehnerl brausen konnte oder für ein Aufgeld eine Badewanne benutzen durfte. Das Wort Tröpferlbad hatte hier einen eher spöttischen Beiklang, weil das Wasser, wenn viele Besucher baden wollten, oft nur aus der Leitung tröpfelte. Die Wohnungen in den damaligen Arbeitervorstädten hatten in der Regel kein Badezimmer, die Menschen waren auf öffentliche Badeanstalten angewiesen.

In ihrem aktuellen Roman "Die Inkommensurablen" beschreibt die Autorin Raphaela Edelbauer ein Wiener Tröpferlbad im Jahre 1914 sehr anschaulich. Drei junge Menschen suchen nach einer durchfeierten Nacht eine solche Anstalt auf, "ein gräuliches Häuschen, das in roten Lettern die Aufschrift Brausekabinen trug."

Auch in der Thalkirchener Straße in München gab es ein Städtisches Brausen- und Wannenbad, das als Tröpferlbad bekannt war. Der Bau dient heute als Jugendtreff, und auch die alte Bezeichnung überlebte in dem Namen "Jugendtreff Tröpferlbad".

Im ländlichen Dialekt spricht man nicht - wie in der vornehmeren städtischen Mundart - vom Tröpferl, sondern vom Drepfe: a Drepfe Bluat. Wenn es regnet, dann fängt es zum Drepfen an.

Arbeiterpratzen

Kratzers Wortschatz: "Du hast doch Arbeiterpratzen": Auch beim Gärtnern können zupackende Hände nicht schaden.

"Du hast doch Arbeiterpratzen": Auch beim Gärtnern können zupackende Hände nicht schaden.

(Foto: David Munoz via www.imago-images.de/imago images/Addictive Stock)

Überall fehlen Arbeitskräfte, vor allem dort, wo noch körperliche Arbeit verrichtet werden muss. Einen angehenden Ruheständler, der sein Arbeitsleben überwiegend im Büro verbrachte, aber dennoch keine zarten Hände hat, wollte der Chef eines logistischen Betriebs neulich sehr direkt anwerben: "Du hast doch Arbeiterpratzen, du kannst doch leicht noch mithelfen."

Arbeiter- und Bauernpratzen, das ist das Gegenteil der filigranen Hände eines Schreiberlings, es sind quasi große, rissige Schaufeln, mit denen man zupacken, heben und stemmen kann. Daraus speist sich auch das gängige Drohwort: "Dua deine Pratzen weg!" Wenn einer große Hände hat, sagt man: "Der hat Pratzen wie Abortdeckel!" Das Wort Pratzen kommt wohl vom lateinischen brachium (italienisch: braccio), das aber den ganzen Arm beschreibt.

Graffl

Kratzers Wortschatz: Eine Menge Graffl findet sich auf jedem Flohmarkt in Bayern. Wer schlägt zu?

Eine Menge Graffl findet sich auf jedem Flohmarkt in Bayern. Wer schlägt zu?

(Foto: imago stock&people/imago/Revierfoto)

Die aktuelle Ausstellung im Freilichtmuseum Massing (Landkreis Rottal-Inn) trägt den Titel "Mission Graffl". Der Künstler Matthias Weigold hat dafür viele Fundstücke gesammelt und diese zu markanten Ensembles zusammengefügt. Bei den Fundstücken handelt es sich um weitgehend wertlose Gegenstände, wie sie sich halt im Laufe der Zeit in Häusern und Gehöften anhäufen. "Da liegt ja an hauffa Graffl umanand", lästern dann kritische Beobachter. "Was wollts denn mit dem alten Graffl, reißts es doch endlich weg!", lautete lange Zeit eine Standardaussage der Landshuter angesichts des maroden Moserbräu-Gebäudes. In der BR-Serie "Dahoam is Dahoam" sagte der Automechaniker Mike Preißinger einmal über die Altkleider seiner Frau: "Guat, dass die Trixi endlich moi ihren Kleiderschrank ausraamt. Wos da für ein Graffe dabei is."

Die Österreicher sagen zum Graffl (Graffe) Kramuri, auf Hochdeutsch heißt es Krempel, Trödel und Tand. Die BR-Sendung "Kunst und Krempel" könnte also auch "Kunst und Graffl" heißen. Der Ursprung des Wortes liegt im Italienischen. Mit den ersten Händlern aus dem Süden, die einst mit ihren Waren nach Bayern kamen, fanden auch deren Begriffe Eingang: Stranitzl (Tüte) und Spogat (spago, dünne Schnur) ebenso wie das Graffl (comprare, kaufen, besorgen).

krein

Kratzers Wortschatz: Auch der Staatsadler krallt sich im Bundestag fest.

Auch der Staatsadler krallt sich im Bundestag fest.

(Foto: Stefan Boness/Ipon/imago/IPON)

Der Frühling ist da, es ist höchste Zeit, sich im Garten umzuschauen und Vorbereitungen für die neue Saison zu treffen. Am Sonntag schrie die Nachbarin sogleich herüber: "Kreist du vielleicht schon im Garten umandander?" Das Bairische ist eine bildhafte Sprache, man muss ihre Gesetzmäßigkeiten kennen, um eine Frage wie diese zu enträtseln. Krein entspricht im Standarddeutschen dem Verb krallen, wer kreit, der krallt also seine Finger in die Erde. In der Form dakrein (derkrallen) wird das Wort auch im übertragenen Sinne verwendet. "Der dakreits nimmer lang", das bedeutet: Der wird bald sterben. Auf die Frage, wie es ihm gehe, antwortet Gerhard Lohmeier, der Wirt z'Loh bei Dorfen, stets weise: "Ja, mir kreit a so dahi ..."

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