Die aktuellen Krisen übertragen sich in Bayern nicht in eine breite Systemkritik. 93 Prozent der Menschen halten die Demokratie grundsätzlich für eine gute Regierungsform. Und drei von vier Wahlberechtigten sind zufrieden damit, wie die Demokratie in Bayern konkret funktioniert. Das zeigt der „Demokratiereport Bayern 2024“, eine vom Umfrage-Institut Infratest dimap erstellten Studie zur politischen Kultur im Freistaat. Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU), die Initiatorin, stellte die Ergebnisse mit dem Studienmacher Roberto Heinrich am Mittwoch vor. Die repräsentative Erhebung zeigt indes auch negative Trends: Beim Vertrauen in die Institutionen, vor allem in die Parteien, liegt die Zustimmung deutlich niedriger. Und: Jeder dritte Befragte findet, man könne in Deutschland seine Meinung heutzutage eher nicht mehr oder gar nicht frei äußern.
„Die Menschen in Bayern sind überzeugte Demokratinnen und Demokraten“, sagte Aigner über die repräsentative Umfrage. Das stimme sie optimistisch für die Zukunft und widerspreche jenen, die „Untergangsszenarien auf das Land singen“. Wer in der Politik behaupte, er vertrete mit Blick auf den Zustand der Demokratie eine „gefühlte schweigende Mehrheit“, spreche offensichtlich nur für eine „laute Minderheit“. Die Menschen in Bayern seien „besonnen und unaufgeregt und lassen sich nicht so schnell auf die Palme jagen“.
Sehr großes oder großes Vertrauen in die Institutionen haben die Befragten in die Polizei (87 Prozent), die kommunale Verwaltung (72) und die Justiz (69). Schlechter fallen die Werte für den Landtag (60 Prozent) und die Staatsregierung aus (50). Den politischen Parteien bringen nur 34 Prozent der Menschen Vertrauen entgegen. Studienmacher Heinrich riet, das nicht überzubewerten, da Parteien traditionell „die zentralen Adressaten von Unzufriedenheit“ seien. Aigner ergänzte, dass man in einer Parteidemokratie lebe, der Vertrauensverlust könne einem aber nicht egal sein. Die Politik müsse die Probleme der Menschen lösen, damit sich ihr Alltag spürbar verbessere, „auch in langen Linien“.
Dass ein Drittel der Befragten an der Meinungsfreiheit im Land zweifeln, erklärte Heinrich so: Konfliktreiche Debatten wie zur Migration oder in der Corona-Pandemie, als manche von der vermeintlichen oder tatsächlichen Mehrheit abgewichen seien, hätten Spuren bei der Wahrnehmung von Meinungsfreiheit hinterlassen. Aigner betonte dazu: In Deutschland könne man alles sagen, wenn es auf einer rechtlichen Grundlage stehe. Widerspruch zu ertragen, gehöre jedoch auch dazu. Hier habe sich offenbar „ein Gefühl eingenistet“.
Nur ein Drittel der Bevölkerung sieht aber die Demokratie bedroht. Nach den größten Gefahren für die Demokratie in Bayern wurden in der Studie offene Fragen gestellt – also keine vorgegebenen Themen abgefragt. Am häufigsten genannt (24 und 16 Prozent) wurden dabei die AfD sowie die Migration. Es sei schon „bemerkenswert“, dass hier explizit eine Partei mit Namen genannt wurde, sagte Aigner. Auch wenn sich diese nun „wahrscheinlich als Opfer“ darstellen werde – dass jeder vierte die AfD als Gefahr sehe, sei nun mal ein wissenschaftliches Ergebnis. Bei der Migration zeige sich wiederum, so Aigner, dass die Menschen „Maß und Mitte“ forderten – „eine Politik von Recht und Ordnung, aber ohne Spaltung“. Auch bei dem Thema müsse Politik liefern, dürfe „nichts verschweigen“.
Politik außerhalb des rechtlichen Rahmens findet in Bayern wenig Zustimmung. Nur 27 Prozent halten die Teilnahme an einer nicht genehmigten Demo für gerechtfertigt. Die Blockade von Straßen und Verkehr – aufgetreten zuletzt bei den „Klima-Klebern“ wie auch bei Bauern-Protesten – können sich nur 13 Prozent der Befragten vorstellen. Selbst bei jüngeren Erwachsenen erreichen diese Mittel der politischen Äußerung kaum höhere Zustimmung. Gewalt gegen Personen oder Sachen finden nur drei Prozent okay. Allerdings: Acht Prozent aller Befragten – und elf Prozent der Männer – unterstützen diese Aussage: „Einige Politiker bei uns haben es verdient, wenn Wut in Gewalt gegen sie umschlägt.“ Aigner und Heinrich nannten das bedrückend und alarmierend.
Die Präsidentin sieht in dem Report eine „echte Premiere“, die große Umfrage soll es nun regelmäßig geben. Sie biete ein „differenziertes Meinungsbild“ aus parteipolitisch neutraler Perspektive – das eben nicht die übliche Sonntagsfrage stelle. Erstmals angekündigt hatte sie die Idee bereits 2023 bei ihrer Bilanz der vorherigen Legislaturperiode. Kräfte innerhalb und außerhalb des Landes „versuchen, unsere Demokratie zu schwächen. Ich möchte herausfinden, ob diesen Kräften das gelingt oder ob unsere Demokratie stark bleibt“, sagte Aigner damals.
Aus dem Anlass hatte sie auch Maßnahmen im Landtag angekündigt. Dazu gehört, dass Entgleisungen oder Störaktionen für Abgeordnete teurer wurden. Eine Reform des Abgeordnetengesetzes sieht Sanktionen wie ein Ordnungsgeld anstelle der klassischen, zahnlosen Rüge vor. Mit dem erstmaligen Einzug der AfD in den Landtag 2018 war es häufiger zu Vorfällen gekommen.