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Demografie-Spiegel:Bayern wie es schrumpft und wächst

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Die Bevölkerung im Freistaat nimmt stetig zu und sie wird im Durchschnitt älter. Allerdings entwickeln sich die Regierungsbezirke sehr unterschiedlich - teils überraschend.

Von Johann Osel, München/Fürth

Der Freistaat ist weiter auf Wachstumskurs, die Bevölkerung wird bis zum Jahr 2033 um etwa 350 000 auf dann fast 13,5 Millionen Menschen ansteigen. Zugleich werden die Bayern im Durchschnitt immer älter, rund ein Viertel der Bürger wird in zwölf Jahren im Rentenalter sein. Laut Prognose dürfte es auch in Zukunft mehr Sterbefälle als Geburten geben, aber Zuzug aus Deutschland und Migration werden wie schon bislang ein Plus unterm Strich bewirken. Bei Dynamik und Altersstruktur gibt es innerhalb Bayerns erhebliche Unterschiede, sogar zwischen Gemeinden einer Region. Das zeigt der "Demografie-Spiegel des Statistischen Landesamts", den Innenminister Joachim Herrmann (CSU) am Mittwoch vorstellte. Seine Botschaft: Jede Gemeinde habe ihre Entwicklung mit selbst in der Hand.

Die Berechnungen des Landesamts von Präsident Thomas Gößl prüfen alle 2056 Städten und Gemeinden, unter der Maßgabe, dass sich die bisherigen Trends fortsetzen. Demnach dürfen 1263 Gemeinden bis zum Jahr 2033 mit Wachstum rechnen. In den Regierungsbezirken Oberbayern, Mittelfranken und Oberpfalz wird für einzelne Kommunen sogar eine Zunahme von mehr als 20 Prozent erwartet. Dagegen soll es in etwas mehr als einem Drittel der bayerischen Gemeinden zu Verlusten kommen; oft moderat, für 54 Orte sind es aber mehr als zehn Prozent minus. Die meisten davon liegen in Oberfranken und Unterfranken.

Gemeinden mit den stärksten Rückgängen in Oberfranken befinden sich im Norden der Kreise Kronach und Hof an der Grenze zu Thüringen: etwa der Markt Tettau mit minus 16,9 Prozent. Einen moderaten Rückgang wird es auch in der Stadt Bayreuth geben. 20 Gemeinden werden wachsen, zum Beispiel Hirschaid bei Bamberg. In Unterfranken sind massive Rückgänge etwa in den Gemeinden Trappstadt (Rhön-Grabfeld) mit minus 16 Prozent und Stockheim (Kronach) mit minus 13,8 vorausgesagt. Jedoch ist bei den Werten zu beachten, dass etwa in Trappstadt derzeit keine 1000 Bürger gemeldet sind.

In Mittelfranken wachsen vor allem Gemeinden in und um den Ballungsraum Nürnberg-Fürth-Erlangen. Ein Fünftel der Orte wird 2033 Bürger verlieren, starker Schwund ist seltener. In Oberbayern zeigen sich die Wachstumsschwerpunkte insbesondere in Orten zwischen München und Ingolstadt; darüber hinaus bis nach Augsburg, Kaufbeuren und Landshut. Das stärkste Wachstum wird in Pfaffenhofen an der Glonn im Kreis Dachau erwartet (23,3 Prozent).

Ländliche Regionen nicht abhängen, Ballungsräume entlasten

Bürger verlieren werden etwa Schneizlreuth im Berchtesgadener Land oder Vachendorf im Kreis Traunstein. In Niederbayern zeigt sich deutlicher Zuwachs in der Gegend um Landshut, so soll die Einwohnerzahl von Buch am Erlbach um 17,4 Prozent steigen. Die Stadt Landshut selbst wird bis 2033 rund 5600 zusätzliche Einwohner haben. Deutlichere Rückgänge soll es in Orten etwa im Kreis Freyung-Grafenau geben.

In der Oberpfalz werden jeweils gut ein Drittel der Gemeinden wachsen, schrumpfen oder konstant bleiben. Starkes Plus verzeichnen Orte im erweiterten Umland Regensburgs wie die Stadt Hemau. Die voraussichtlich größten Verluste müssen Weiding im Kreis Schwandorf und Friedenfels im Landkreis Tirschenreuth einplanen, bis zu 18 Prozent. In Schwaben sollen fast zwei Drittel aller Orte wachsen, Augsburg um knapp 12 000 Menschen. Insgesamt müssen in dem Bezirk nur 28 Gemeinden stärkere Rückgänge verkraften, zum Beispiel Balderschwang.

Der Innenminister appellierte an die Gemeinden, sich auf die Entwicklungen einzustellen: "Wir müssen dafür sorgen, dass ländliche Regionen nicht abgehängt werden und gleichzeitig Ballungsräume entlasten." Die Staatsregierung trage etwa durch ihre Behördenverlagerungen dazu bei. Damit Dörfer attraktiv bleiben, brauche es neben Wohnraum auch eine gute Infrastruktur und attraktive Arbeitsplätze.

Die Ausweisung eines Baugebiets für Familien, so Herrmann, mache sich oft "sofort bemerkbar". Der Trend zu Digitalisierung und Home-Office könnte "Dezentralisierung" im Arbeitsleben ermöglichen und ebenfalls den ländlichen Raum stärken. In der Pandemie habe man "erlebt, was möglich ist und von Mitarbeitern wie Arbeitgebern als positiv aufgefasst wurde". Mit dem Demografie-Spiegel, der auch gegliedert Altersstruktur zeigt, könnten sich Kommunen auch auf Herausforderungen wie die Bedürfnisse von Senioren gut einstellen.

Die Daten seien "nicht in Stein gemeißelt", betonte Herrmann - und ohnehin habe Corona gezeigt, wie sich Prognosen ändern können. Neben erhöhten Sterbefällen vergangenes Jahr habe das Wanderungsplus 2020 enorm nachgelassen. Für die ersten Monate dieses Jahres erkenne er jetzt aber wieder "verstärkten Zuzug".

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SZ vom 26.08.2021
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