CSU:Mehr Beamte sollen raus aufs Land

CSU: Seit 2006 residiert das Landesamt für Umwelt mit einer Dienststelle in Hof. Inzwischen wurden weitere Behörden ausgelagert.

Seit 2006 residiert das Landesamt für Umwelt mit einer Dienststelle in Hof. Inzwischen wurden weitere Behörden ausgelagert.

(Foto: Landesamt für Umwelt)
  • Kurz vor der Klausur der CSU-Landtagsfraktion im Kloster Seeon hat Ministerpräsident Markus Söder angekündigt, mehr staatliche Behörden aufs Land zu verlagern.
  • Vor knapp fünf Jahren hat die CSU bereits beschlossen, 2225 Arbeitsplätze und 930 Studienplätze in den nächsten zehn Jahren auf Land auszulagern.
  • "Wir müssen die zweite Stufe der Rakete zünden", sagte Söder am Freitag der SZ. Die geplanten Verlagerungen hätten "eine ähnliche Dimension wie der erste Teil".

Von Wolfgang Wittl

Je näher der Termin für eine Klausur der Landtagsfraktion rückt, desto nervöser dürften zwei CSU-Granden werden, die im Grunde entspannt sein könnten: Fraktionschef Thomas Kreuzer, als Gastgeber der Herr über Themen und Tagesordnung. Und Finanzminister Albert Füracker, Hüter des bayerischen Haushalts. Ihre latente Grundbesorgnis, die sie sich natürlich nicht anmerken lassen, hat mit dem Mann zu tun, der in der CSU den Ton vorgibt.

Bei der Klausur 2018 stellte Markus Söder, damals noch designierter Ministerpräsident, seinen milliardenschweren Zehn-Punkte-Plan für Bayern vor. Bei der Zusammenkunft im Herbst 2019 präsentierte der Regierungschef seine Hightech-Offensive, die erst eine und kurz darauf schon zwei Milliarden Euro gekostet hat. Kreuzer durfte also gespannt sein, ob Söder erneut die Schlagzeilenhoheit für sich beansprucht. Und Füracker, ob die Rechnung für womöglich weitere Ideen Söders wieder auf seinem Schreibtisch landet. Inzwischen sind alle etwas schlauer.

Von Montag an treffen sich die CSU-Abgeordneten zur Winterklausur, am Donnerstagabend hat Söder seine eigene Agenda gesetzt. Bei einer Parteiveranstaltung in Weiden kündigte er an, weitere Behörden aufs Land zu verlagern. "Wir müssen die zweite Stufe der Rakete zünden", sagte Söder am Freitag der SZ. Vor knapp fünf Jahren, im März 2015, hatte die Staatsregierung ihren ersten großen Aufschlag. 2225 Arbeits- und 930 Studienplätze sollten in den nächsten zehn Jahren in 64 Projekten aufs Land umgeschichtet werden. Der Ministerpräsident hieß damals Horst Seehofer, das Haus des Finanz- und Heimatministers Söder entwickelte den Plan federführend. Die jetzt geplanten Verlagerungen hätten "eine ähnliche Dimension wie der erste Teil", erklärt Söder.

Um welche Behörden es geht und wohin sie umziehen sollen, will Söder nicht sagen, man sei in der Abstimmung. Klar sei: Kein Mitarbeiter werde gegen seinen Willen zum Wechsel gezwungen. Auch der Grund für die neuen Aktivitäten ist offensichtlich. Die jüngsten Bevölkerungsprognosen, wonach der Ballungsraum München in den kommenden Jahren weiter erheblich wächst und Regionen an den Rändern Bayerns Einwohner verlieren, hat Eindruck hinterlassen in der Staatsregierung. "Wir müssen München Luft und dem ländlichen Raum mehr Energie geben", sagt Söder. Als unwahrscheinlich gilt, dass auch diesmal Ministerien betroffen sind, wie zuletzt das Gesundheitsressort mit einer Niederlassung in Nürnberg. Als Standorte für Ministerien kommen nur Großstädte infrage, das Land hätte wenig davon. Insgesamt habe sich das Konzept bewährt, findet Söder. Der Staat habe strukturpolitisch eine Vorbildfunktion, "Verlagerungen sind ein wesentlicher Bestandteil für die Landesentwicklung."

Der für Landesplanung zuständige Minister wurde von Söders Vorstoß so überrascht wie die CSU. "Wir werden auf Herz und Nieren prüfen, was wir aus München loseisen können", sagte Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler). Es gebe aber "keine Liste, wo wir nur noch zehn Punkte abhaken müssen". Er wisse auch nicht, "ob Söder schon eine Handvoll Behörden im Auge hat". Grundsätzlich halte er Söders Pläne für sinnvoll, sagte Aiwanger. Der Weg sei "verständlich, richtig und zu unterstützen", ergänzte Umweltminister Thorsten Glauber (FW). "Jeder Arbeitsplatz draußen bedeutet eine Entzerrung."

In der CSU wird die Behördenverlagerung Begehrlichkeiten wecken. Die Abgeordneten treffen sich im Kloster Seeon - nach Jahren der Abstinenz also wieder in Oberbayern. Nach dem Abschied 2016 von Wildbad Kreuth tagte die Fraktion im oberfränkischen Kloster Banz, weil im Süden kein geeignetes Quartier zu finden war. Kloster Seeon war lange zu klein, erst nach der unfreiwilligen Schrumpfkur von 101 auf 85 Abgeordnete bei der Landtagswahl reicht der Platz. Eine Alternative wäre das luxuriöse Schloss Elmau gewesen. Preislich angeblich erschwinglich, aus Imagegründen aber wenig attraktiv für eine Partei, die sich als politischer Dienstleister der Leberkäsetage versteht.

Die Klausur steht unter dem Titel: "Heimat und Hightech - Bayern schafft Zukunft". Für Fraktionschef Kreuzer gilt: "Wir müssen das, was wir in den vergangenen Monaten beschlossen haben, jetzt umsetzen." Schwerpunkte für die vier Klausurtage sieht er in der Landwirtschaft, bei Wirtschaft, Wissenschaft, Innovation sowie beim jüdischen Leben. Zu allen drei Themen will die Fraktion Resolutionen verabschieden. Auch über die Kommunalwahlen am 15. März wird geredet.

Zum Start am Montag hat Kreuzer Vertreter aus der Landwirtschaft in den Fraktionsvorstand eingeladen. "Wir wollen berechtigte Sorgen aufgreifen und die Probleme lösen, soweit machbar." Als Mann aus dem Allgäu weiß Kreuzer um die Nöte der Bauern. Umgekehrt zweifeln immer mehr Bauern, ob das für die CSU insgesamt gilt. Kreuzer hat bei Landwirten "eine große Unsicherheit" festgestellt. Wer den Auflauf der Bauern bei der CSU-Landesgruppe miterlebt hat, wird auch eine Menge Ärger bemerkt haben. Hinter den massiven Protesten der Landwirte steht die Gruppe "Land schafft Verbindung". Auch einer ihrer Sprecher ist in Seeon vertreten. Außerdem wollen Landwirte mit Mahnfeuern auf ihre derzeitige Lage hinweisen.

Bei der Wirtschaft geht es für Kreuzer um die Frage: "Wie schaffen wir neue Arbeitsplätze, wenn andere wegbrechen?" Die Kampfansage der Bundes-Grünen, die Union wirtschaftspolitisch herauszufordern, bereitet Kreuzer offenbar keine Sorgen. Er hält die Grünen für "eine wirtschaftsfeindliche Partei. Sie sind einzig und allein auf Klimapolitik fixiert." In der Forschung wünscht sich Kreuzer mehr Konzentration auf Wasserstofftechnologie und Brennstoffzellen. Als Gäste sind BMW-Chef Oliver Zipse, der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Dieter Kempf, sowie der neue TU-Chef Thomas Hofmann vorgesehen.

Einen besonderen Akzent will die CSU-Fraktion beim Schutz des jüdischen Lebens in Bayern setzen. Die Resolution wird sich viel mit Rückhalt, Solidarität und Sicherheit befassen. Charlotte Knobloch, Präsidentin der israelitischen Kultusgemeinde in München und Oberbayern, sowie Josef Schuster, Vorsitzender des Zentralrats der Juden in Deutschland, werden sich in Seeon selbst informieren.

Am meisten Aufmerksamkeit dürfte Söders Grundsatzrede am Mittwoch auf sich ziehen. Der Ministerpräsident hat am Wochenende ausnahmsweise ein paar freie Stunden und Zeit zum Nachdenken für weitere Projekte. Kreuzer und Füracker werden das bestimmt gerne vernehmen.

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