Politik in Bayern:Ein Wunderwuzzi muss her

Politik in Bayern: Sein Rücktritt stürzte die CSU in eine Krise: Stephan Mayer gab als Generalsekretär nach wenigen Wochen auf.

Sein Rücktritt stürzte die CSU in eine Krise: Stephan Mayer gab als Generalsekretär nach wenigen Wochen auf.

(Foto: Peter Kneffel/dpa)

Ein Parteikenner mit "ausreichend Erfahrung", ein "glaubwürdiger Macher" und "guter Kommunikator", der vor allem "den ländlichen Raum repräsentiert": Ilse Aigner und auch Erwin Huber setzen Söder bei der Suche nach einem Generalsekretär unter Druck.

Von Roman Deininger, Andreas Glas und Klaus Ott

Helene Fischer und Herbert Grönemeyer, Joachim Löw und Thomas Gottschalk: Wenn man so will, befindet Stephan Mayer sich nun in bester Gesellschaft - er wird von Christian Schertz vertreten, einem der bekanntesten Medienanwälte in Deutschland. Der Berliner Jurist streitet gerne, viel und berüchtigt kunstvoll für seine Mandanten. Mayers Zoff mit dem Boulevardblatt Bunte, der am Dienstag zu seinem Rücktritt als CSU-Generalsekretär führte, könnte dank Schertz eine längere Fortsetzung vor Gericht finden. Fast zwangsläufig kämen dann wohl weitere unangenehme Details der delikaten Angelegenheit ans Licht. Aber ob das wirklich im Interesse der CSU ist?

Das ganze Ausmaß der Erschütterung, die Mayers Abgang nach nicht einmal drei Monaten in der Partei ausgelöst hat, wird erst am Donnerstag so richtig spürbar. Wie aufgewühlt die CSU ist, in der man ja schon vorher kaum von Ruhe sprechen konnte, machen vor allem zwei prominente Wortmeldungen deutlich. Vom Debattenbeitrag des ehemaligen Parteichefs Erwin Huber darf sich der aktuelle Vorsitzende Markus Söder getrost direkt angesprochen fühlen, auch wenn sein Name nicht fällt. Die CSU sei in einer "dramatischen Situation", so Hubers wuchtiger Befund. Dazu geführt hätten aber nicht nur Mayers "Black-out" und die "indiskutablen moralischen Fehltritte" einiger Maskendealer, sondern auch "der gewaltige Stimmenverlust bei der Bundestagswahl" und "das Pandemiemanagement".

Die Ratschläge, die Huber gibt, lesen sich wie ein sehr umfassender Arbeitsauftrag für Söder bis zur Landtagswahl 2023: "intensive Teamarbeit", "schonungslose Aufklärung des Fehlverhaltens einzelner Mandatsträger", "absolute Konzentration auf Bayern". In der gegenwärtigen Lage, sagt Huber, seien "nicht Wahlgeschenke vertrauensbildend, sondern eine Politik der finanziellen Stabilität und Konsolidierung". Man muss sich schon sehr anstrengen, diesen Satz nicht auf Söders mäßig erfolgreiche Wahlkampfstrategie 2018 zu beziehen, die wesentlich auf Wahlgeschenke baute.

"Respekt, Rücksicht, Augenmaß"

Besorgt über den Zustand der CSU äußerte sich auch Landtagspräsidentin Ilse Aigner im Gespräch mit der dpa. Werte wie "Respekt, Rücksicht, Augenmaß" seien "in letzter Zeit an mancher Stelle in der Partei abhanden gekommen" - so wie zuletzt "dürfen wir nicht weiter machen". Aigner erlaubte es sich dann noch, ein derart sportliches Anforderungsprofil für die Mayer-Nachfolge zu skizzieren, dass sich Söder bei dessen Erfüllung schwer tun dürfte: ein Parteikenner mit "ausreichend Erfahrung" müsse der neue Generalsekretär sein, ein "glaubwürdiger Macher" und "guter Kommunikator", der vor allem "den ländlichen Raum repräsentiert". Welchen Wunderwuzzi vom Lande Aigner da genau im Kopf hat, würde womöglich auch Söder gerne wissen.

Die CSU-Landtagsabgeordneten dürften jedenfalls mit Freude registriert haben, dass Aigner da gefühlt eher jemanden aus ihrer Mitte meinen könnte. Die Kandidaten, die bislang gehandelt werden, sitzen vorwiegend im Bundestag: Florian Hahn, Dorothee Bär, Stefan Müller. Und Georg Eisenreich und Michaela Kaniber, die, wenn sich britische Buchmacher mit der CSU beschäftigen würden, die Wettfavoritin wäre, sitzen im Kabinett. Manche in der CSU bringen jetzt den Landtagsabgeordneten Martin Huber ins Spiel, 44 Jahre alt, "einer, der den Job intellektuell drauf hätte" und obendrein am Land daheim sei, im Landkreis Altötting. Andere winken beim Namen Huber gleich ab und fragen, ob man sich ernsthaft vorstellen könne, dass Söder den langjährigen persönlichen Referenten Horst Seehofers beruft? Eben.

Eine Schlammschlacht bahnt sich an

Während Söder nach einem geeigneten Bewerber oder einer Bewerberin fahndet (schon an diesem Freitag könnte ein Ergebnis vorliegen, heißt es in der CSU), nimmt die juristische Auseinandersetzung zwischen Stephan Mayer und Bunte-Journalist Manfred Otzelberger Form an. Otzelberger, dem Mayer wegen seiner Recherchen Ende April am Telefon mit "Vernichtung" gedroht haben soll, verlangt dem Vernehmen nach über eine Münchner Anwaltskanzlei von Mayer, dass dieser Drohungen fortan unterlasse. Bis Mittwoch, 14 Uhr, sollte Mayer eine entsprechende Erklärung abgeben, was der CSU-Politiker aber offenbar nicht getan hat.

In dem Anwaltsschreiben werden Mayers mutmaßliche Ausfälle ("Ich werde Sie ausfindig machen, ich verfolge Sie bis ans Ende Ihres Lebens") als massive Einschüchterung und Existenzbedrohung Otzelsbergers bezeichnet. Strafrechtlich sei das als versuchte Nötigung beziehungsweise sogar versuchte Erpressung einzustufen. Das sind schwere Vorwürfe, die erahnen lassen, wie heftig es bei Gericht zugehen könnte. Der Konflikt würde in aller Öffentlichkeit ausgetragen.

Mayer, der weiterhin Bundestagsabgeordneter ist, wehrt sich über seinen prominenten Medienwalt Schertz gegen die Anschuldigungen. "Für die von Burda gegen meinen Mandanten geltend gemachten Ansprüche sehen wir keine Grundlage, weder in straf- noch in zivilrechtlicher Hinsicht", sagt Schertz und geht zum Gegenangriff über. Gegen die Bunte seien bereits rechtliche Schritte eingeleitet worden, mit dem Ziel eines Verbots der Berichterstattung über Mayers Privatleben.

Schuld an der Eskalation sei die Bunte

Das Klatschmagazin hatte öffentlich gemacht, dass Mayer ein uneheliches Kind habe, um das er sich angeblich nicht kümmere. Schertz nennt das eine "eklatant rechtswidrige Berichterstattung". Der Burda-Verlag sieht das anders und dürfte kaum einlenken - genauso wenig wie Schertz und Mayer. Die von Otzelberger öffentlich gemachten Inhalte zweier Telefonate mit Mayer hat dieser gegenüber der dpa mit "Nichtwissen" bestritten. Und nur hinzugefügt: "Für den Fall, dass dies zutrifft, erachte ich die Wortwahl rückwirkend als unangemessen."

Anwalt Schertz argumentiert nun, Ausgangspunkt für den Schlagabtausch am Telefon sei der Eingriff der Bunten in Mayers Privatleben gewesen. Schuld an der Eskalation sei, so kann man das verstehen, das Klatschmagazin gewesen, nicht Mayer. "Der konkrete Wortlaut lässt sich nicht mehr genau aufklären", sagt Schertz. Und vorsorglich habe sich sein Mandant ja eh entschuldigt.

Bleiben beide Seiten bei ihren Auffassungen, könnte sich der Gerichtsstreit monatelang hinziehen - vielleicht sogar bis ins Jahr 2023, in dem im Herbst die Landtagswahl ansteht.

Fest steht: Seine für einen Spitzenpolitiker verheerenden Äußerungen in den beiden Telefonaten mit Otzelberger bekommt Mayer nicht mehr aus den Medien und aus der Welt. Bleibt also noch die juristische Frage, ob die Berichterstattung über sein mutmaßliches Kind statthaft war. Daraus könnte leicht ein Grundsatzstreit darüber werden, ab wann und in welchem Umfang die Presse über das Privatleben von Politikern berichten darf. Durch Mayers Schimpftiraden am Telefon und seinen Rücktritt als CSU-Generalsekretär ist die Sache mit dem Kind indes längst zum Politikum geworden.

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