Politik in Bayern:Neuer CSU-General soll bei Doktorarbeit abgeschrieben haben

Politik in Bayern: Der neuernannte CSU-Generalsekretär Martin Huber.

Der neuernannte CSU-Generalsekretär Martin Huber.

(Foto: Peter Kneffel/dpa)

Martin Huber soll bei seiner Dissertation unsauber gearbeitet haben. Er selbst sagt, er habe sie mit "bestem Wissen und Gewissen" geschrieben. Plagiatsforscher Jochen Zenthöfer hingegen spricht von "Systematik".

Von Ana Maria Michel und Viktoria Spinrad

Erst am Freitag wurde Martin Huber als neuer Generalsekretär der CSU vorgestellt. Nun steht er unter Plagiatsverdacht. Der Politiker soll bei seiner Doktorarbeit abgeschrieben haben. Das will ihm der Luxemburger Journalist und Plagiatsforscher Jochen Zenthöfer nachgewiesen haben. "Es sieht nicht nach handwerklichen Fehlern aus. Da zeichnet sich schon eine gewisse Systematik ab", sagte er der SZ. Zuerst berichtete die Bild am Sonntag über die Vorwürfe.

Hubers im Jahr 2007 vorgelegte Dissertation trägt den Titel "Der Einfluss der CSU auf die Westpolitik der Bundesrepublik Deutschland von 1954 bis 1969 im Hinblick auf die Beziehungen zu Frankreich und den USA". Zenthöfer sagt der SZ am Sonntag, die Maßstäbe des guten wissenschaftlichen Arbeitens seien in der Arbeit nicht eingehalten worden. Die Versäumnisse gingen über einzelne Fehler bei der Zitierweise hinaus. Es sei ein Stadium erreicht, an dem die Universität die Arbeit überprüfen müsse. Aber es sei auch noch nicht das Stadium erreicht, in dem man sagen müsse: "Da ist der Doktorgrad auf jeden Fall weg."

Konkret wirft er Huber vor, an mehreren Stellen teils ohne Quellenangaben gearbeitet zu haben und nach längeren abgeschriebenen Passagen lediglich einzelne Sätze als Zitat kenntlich gemacht zu haben. Beispiel Seite 10. Hier zählt Huber drei Ansätze außenpolitischer Entscheidungsprozesse auf. Die zugehörige Fußnote mit der Quelle, einem Handwörterbuch des Politikwissenschaftlers Reimund Seidelmann, findet sich aber erst in einem darauffolgenden Satz, eine Dreiviertelseite weiter unten. Dabei ist es in der Wissenschaft Usus, jeden Gedanken, der nicht von einem selber kommt, als Quelle zu vermerken. "So tut Huber, als kämen die drei Ansätze von ihm", sagt Zenthöfer.

Teils fehlen schlicht Belege, teils stellte Huber die Wörter etwas um

Was vielleicht noch als wissenschaftliche Schlampigkeit durchgehen könnte. Aber es finden sich auch Beispiele, wo Belege schlicht fehlen. Ebenfalls auf Seite 10 schreibt Huber: "Inzwischen ist die personenzentrierte ("Männer machen Geschichte") durch eine die strukturellen Bedingungen stärker berücksichtigende Betrachtung (zum Beispiel in der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte) ersetzt worden." Ein Satz, der 1:1 aus dem "Handwörterbuch Internationale Politik" stammt, das hier aber nicht als Quelle hinterlegt ist.

Teils stellte Huber die Wörter schlicht etwas um. "Dennoch sahen sie in einer Ausdehnung der deutsch - französischen Zusammenarbeit auf die Gebiete der Strategie, der Militärpolitik und der Rüstungsproduktion einen zentralen Bereich dieser Zusammenarbeit", schrieb der deutsche Autor Bruno Baldulet im Jahr 1970 in seinem Buch "Adenauer zwischen Ost und West". In Hubers Dissertation steht: "Adenauer und Strauß wollten jedoch eine Ausweitung der deutsch-französischen Zusammenarbeit auf die Gebiete der Strategie, der Militärpolitik und der Rüstungsproduktion" - ohne jedoch die zugehörige Quelle zu vermerken.

Politik in Bayern: Jochen Zenthöfer, 44, ist Jurist und Journalist. Seit acht Jahren schreibt er für die FAZ über Plagiatsthemen. Er lebt in Luxemburg.

Jochen Zenthöfer, 44, ist Jurist und Journalist. Seit acht Jahren schreibt er für die FAZ über Plagiatsthemen. Er lebt in Luxemburg.

(Foto: privat)

"Hier sieht man, wie Huber arbeitet", sagt Zenthöfer. Als Journalist schreibt er in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung über Wissenschaftsplagiate. Ende Mai soll sein neues Buch Plagiate in der Wissenschaft im Transcript-Verlag erscheinen. Bei der Recherche dafür sei er auf Ungereimtheiten in Hubers Doktorarbeit gestoßen, habe diesen aber als zu unbedeutend empfunden, um ihn in sein Buch aufzunehmen. Mit Hubers Ernennung zum CSU-Generalsekretär entschied sich Zenthöfer dann aber doch dafür, seine Entdeckungen öffentlich zu machen.

Kritik kommt auch aus den eigenen Reihen

Insgesamt bewertet Zenthöfer die Verfehlungen als deutlich weniger gravierend als die in der Doktorarbeit von Karl-Theodor zu Guttenberg, bei der sich große Teile als Plagiat entpuppt hatten. "In dem Bereich bewegen wir uns nicht", so Zenthöfer. Hubers Verweis darauf, dass mehr als 20 Seiten Literaturverzeichnis und mehr als 600 Fußnoten die Quellenarbeit belegten, mag er aber auch nicht durchgehen lassen. Eine "völlig unwissenschaftliche Denke" sei das, so Zenthöfer. "Die Zahl der Fußnoten ist irrelevant". Die Frage sei vielmehr: Wie viele fremde Gedanken sind im Text - und hinter wie vielen davon findet sich auch ein Beleg.

Martin Huber war am Freitag von Parteichef Markus Söder als neuer CSU-Generalsekretär vorgestellt worden. Der Landtagsabgeordnete aus dem Landkreis Altötting folgt auf Stephan Mayer, der Anfang der Woche zurückgetreten war. Offiziell aus gesundheitlichen Gründen. Doch dem Rücktritt war auch ein Streit mit einem Bunte-Redakteur vorausgegangen, dem Mayer gedroht haben soll, ihn zu "vernichten".

Der FDP-Fraktionsvorsitzende Martin Hagen forderte Huber auf Twitter auf, seinen Doktortitel ruhen zu lassen, solange die Arbeit von der Universität geprüft werde. Kritik gibt es auch aus den eigenen Reihen. Holm Putzke, ehemaliger CSU-Kreisvorsitzender in Passau und dort Professor für Strafrecht an der Universität, warf Huber in einem Beitrag auf Facebook indirekt einen Interessenkonflikt vor, da dieser von 2004 bis 2007 in der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit der CSU-Landesleitung tätig war. "Da schwingt immer der Verdacht mit, dass hier etwas Wohlgefälliges geschrieben wird", sagte er. Auch Zenthöfer sieht hier ein Problem. Man könne nicht wissenschaftlich unabhängig über eine Partei schreiben, in der die eigene Loyalität liegt und in der man seinen politischen Aufstieg plane.

Guttenberg, Scheuer, nun Huber: Allesamt sind das kritisierte Wissenschaftsautoren aus einer Garde aufstrebender Christsozialer, die gemäß dem Bonmot Kreißsaal - Hörsaal - Plensarsaal mit einer Doktorarbeit über ihre Partei punkten wollten und sich am Ende verzettelten. Putzke sieht hier ein systemisches Problem. "Wenn jemand weniger vom wissenschaftlichen Interesse her motiviert ist als eher von einem erhofften Vorteil in der eigenen Politikerkarriere, dann ist das selten ein guter Antrieb und geht oft auch schief." Er moniert, dass nun abermals ein Generalsekretär aus der parteiinternen Blase ernannt wurde. "Da liegt die Kritik auf der Hand."

Bekannt ist, dass die CSU nicht gerade einen Überhang an Nachwuchs hat. Söder gilt als einer, der Leute aufs Abstellgleis schiebt, bevor sie ihm gefährlich werden. Putzke kritisiert genau das. "Nur auf angepasste Parteisoldaten zu setzen und fähige Leute systematisch auszubremsen und kleinzuhalten, verkraftet eine Partei auf Dauer nicht", so Putzke. Das gehe über kurz oder lang auf Kosten der Qualität, was das Risiko politischer Misserfolge deutlich erhöhe.

Der CSU-General selbst will seine Doktorarbeit nun aus Transparenzgründen erneut von der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) prüfen lassen. Eine Sprecherin bestätigte am Sonntag, dass Huber sich direkt mit der entsprechenden Bitte an die Universität gewandt habe. Ob dies auch geschehen wird, konnte sie noch nicht sagen. Allerdings wäre es überraschend, wenn die LMU die Dissertation angesichts der politisch heiklen Situation nicht noch einmal genau unter die Lupe nehmen würde.

Huber sagte, er habe seine Doktorarbeit nach "bestem Wissen und Gewissen" geschrieben. "Das ist irrelevant", sagt Zenthöfer der SZ. Es komme drauf an, dass die Arbeit nach den damaligen Regeln der Promotionsordnung erstellt wurde. Nach dieser musste er unter anderem eidesstattlich versichern, dass er in der Dissertation "keine anderen als die von ihm angegebenen Schriften und Hilfsmittel benutzt und die den benutzten Werken wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen kenntlich gemacht hat."

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