UnionskanzlerkandidaturSöders letzte Chance - vorbei

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Die Ministerpräsidenten Haseloff (CDU, l) und Söder (CSU) bei dem pressewirksamen Besuch eines Chemie-Forschungszentrums in Leuna im Mai (Archivbild).
Die Ministerpräsidenten Haseloff (CDU, l) und Söder (CSU) bei dem pressewirksamen Besuch eines Chemie-Forschungszentrums in Leuna im Mai (Archivbild). (Foto: Hendrik Schmidt/dpa)

Hätte die CDU bei der Wahl in Sachsen-Anhalt verloren, wäre die Kanzlerkandidatur des CSU-Chefs erneut debattiert worden, so hofften dessen Fans. Er selbst gratuliert am Tag danach dem Wahlsieger. Dem einen erst mal.

Von Andreas Glas, München

Womöglich ist Markus Söder wirklich so beglückt vom Wahlsieg der CDU in Sachsen-Anhalt, dass er nur vergisst, Armin Laschet zu erwähnen. "Ein schöner Montag", sagt Söder, ein "ganz großer Erfolg" für Reiner Haseloff, den CDU-Ministerpräsidenten in Sachsen-Anhalt. Über CDU-Chef Laschet? Sagt der CSU-Chef erst mal: nichts. Vier Minuten und 47 Sekunden. So lange referiert Söder bereits über den Wahlsonntag, bis es doch noch passiert. "Gratulation an die CDU. Ich hab es auch dem Armin Laschet heute morgen schon gesagt", sagt Söder. Und dass es wichtig sei, mit einer "sehr geschlossenen, gemeinschaftlichen Union" in die Bundestagswahl zu gehen. Da sei die Wahl in Sachsen-Anhalt "ein Supersignal" gewesen.

Ist sie das jetzt? Die Unterstützung "ohne Groll", die Söder versprochen hat, falls es kommen sollte, wie es dann kam: dass Laschet sich als Kanzlerkandidat von CDU und CSU gegen Söder durchsetzt? Um das zu beantworten, sollte man vielleicht nicht nur die vier Minuten und 47 Sekunden als Maßstab nehmen, die am Montagvormittag vergehen, bis Söder bei seiner Wahlanalyse in der CSU-Parteizentrale den Namen Laschet erwähnt. Man könnte auch die rund 15 Stunden dazunehmen, die da bereits vergangen sind seit Söders erstem Tweet am Wahlsonntag. Während in Berlin CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak die Wahl auch als Sieg für Armin Laschet einordnet, war es für Söder "vor allem" ein "ganz persönlicher Erfolg für Reiner Haseloff". Den Namen Laschet erwähnte er schon da nicht. Dafür dekorierte Söder seinen Tweet mit Foto: Söder und Haseloff beim kumpeligen Ellbogengruß.

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Zumindest für die ganz optimistischen Söder-Aficionados war Sachsen-Anhalt ja so etwas wie der letzte Ort der Hoffnung. Würde die CDU die Landtagswahl krachend verlieren, würde die Debatte um den Kanzlerkandidaten der Union von vorne losgehen: Ist Laschet wirklich der Richtige? Urplötzlich wäre ihr Kandidat wieder im Spiel, das war das Kalkül der Ultras im Söder-Fanblock. Und tatsächlich gab es in der CSU gar nicht so wenige, die in diesem Szenario mit einem neuerlichen Söder-Angriff rechneten. Er selbst hat solche Absichten stets bestritten, auch sonst tauchte nirgends belastbares Beweismaterial für diese Theorie auf. Aber weil sich dieser Ansatz eine Weile halten konnte, gibt es neben der Söder-Deutung (vor allem Haseloffs Erfolg) und der Ziemiak-Interpretation (auch Laschets Sieg) noch eine dritte, ziemlich eindeutige Lesart der Wahl in Sachsen-Anhalt: Nein, es öffnet sich keine Tür mehr für einen Kanzlerkandidaten namens Markus Söder.

Die Fragen der Journalisten gehen deshalb direkt in eine andere Richtung an diesem Montagmorgen in der CSU-Zentrale. Genau genommen stellt nur ein Reporter diese einzige Frage: Wie viel Rückenwind das Ergebnis in Sachsen-Anhalt denn nun für Kanzlerkandidat Laschet bedeute? "Ja, das ist Rückenwind für alle, natürlich auch für Armin Laschet", sagt Söder, bevor er seine Antwort in ein Aber gleiten lässt: Zwar seien Laschet und er selbst im Wahlkampf in Sachsen-Anhalt aufgetreten, aber der "Matchwinner" sei "eindeutig" Ministerpräsident Haseloff, "und zwar durch die ganze Vorgeschichte".

Die Vorgeschichte, ja. Söder erwähnt da zum Beispiel, dass Haseloff seinen Innenminister im Streit um den Rundfunkbeitrag entließ. "Risikohaft, aber es war richtig." Was Söder am Montag nicht erwähnt, was aber ebenfalls zur Vorgeschichte gehört: Dass Haseloff sich im Machtkampf um die Kanzlerkandidatur der Union offen pro Söder positioniert hatte - ganz offensichtlich aus Sorge, dass der in den Umfragen schwache Kandidat Laschet nicht nur bei der Bundestagswahl ein Risikofaktor für die CDU sein könnte, sondern auch für die Wahl in Sachsen-Anhalt. Mehr Schub in seinem Wahlkampf versprach sich Haseloff jedenfalls von Umfragekanzler Söder, den er dann auch zum gemeinsamen, pressewirksamen Besuch eines Chemie-Forschungszentrums lud.

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Und nun soll also ausgerechnet Laschet mitverantwortlich sein für den Erfolg der CDU in Sachsen-Anhalt? Manche sehen das ja so. Im Söder-Lager dagegen legt mancher Wert auf die Feststellung, dass die Menschen in Sachsen-Anhalt einen CDU-Ministerpräsidenten gewählt haben, der sich sehr umfangreich von seinem Parteichef distanziert habe.

Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, nun Sachsen-Anhalt - dort hätten sich die siegreichen Kandidaten und die siegreiche Kandidatin vor allem wegen ihrer persönlichen Beliebtheitswerte durchgesetzt - so ähnlich sagt das Söder immer wieder. "Am Ende zählt natürlich schon die Spitzenkandidatur", auch mit Blick auf die Bundestagswahl, dabei bleibt Söder auch am Montag. Dem Publikum wiederum bleibt überlassen, ob es in Söders Auftritt nun Groll gegen Laschet sieht oder eine realistische Einschätzung der politischen Lage. Verglichen mit mancher Spitze, die Söder noch vor kurzem gesetzt hat, fällt sein Auftritt nach der Sachsen-Anhalt-Wahl in jedem Fall versöhnlicher aus. Kann schon sein, dass sich Söder selbst ein bisschen mehr mitmeint als Laschet, wenn er sagt, dass Haseloffs Erfolg ein Erfolg "für uns alle" sei, "für die ganze Union". Immerhin lässt er aber nicht unerwähnt, dass das "damit auch für den Armin" gelte.

Nach seinem Presseauftritt, in der Videoschalte des CSU-Vorstands, soll Söder nur kurz über die Sachsen-Anhalt-Wahl gesprochen haben. Mehr bewegt hat ihn nach Teilnehmerangaben die Sorge um die Stellung Europas und Deutschlands in der Welt. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) werde fehlen, soll Söder gesagt haben, auch im Wahlkampf. Nach der Sitzung kündigte Generalsekretär Markus Blume an, dass sich die CSU am 10. und 11. September erstmals seit dann fast zwei Jahren wieder zu einem Präsenzparteitag treffen wird, in Nürnberg. Zudem werde die CSU ihre Kandidatenliste für die Bundestagswahl erstmals abwechselnd mit einem Mann und einer Frau besetzen. Darüber hinaus bestätigte Blume, dass Landesgruppenchef Alexander Dobrindt der Spitzenkandidat der CSU sein wird. Der wiederum kündigte laut Teilnehmern der Videoschalte an, dass sich die CSU-Bundestagsabgeordneten Mitte Juli zur Klausur in Kloster Seeon treffen - mit besonderen Gästen: Söder und Laschet. Dobrindt, heißt es, wolle damit "ein Signal der Geschlossenheit der Union" setzen.

© SZ vom 08.06.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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