Politik:Die Doppelspitze der CSU und ihr ständiges Übertrumpfen

Markus Söder und Alexander Dobrindt sprechen bei der Abschlusspressekonferenz zur CSU-Vorstandsklausur.

Markus Söder und Alexander Dobrindt bei einer Pressekonferenz.

(Foto: dpa)

Der Parteivorsitzende Markus Söder und Landesgruppenchef Alexander Dobrindt rivalisieren um Macht und Aufmerksamkeit. Zuletzt entwickelten die Berliner einen eigenen Youtube-Auftritt - ohne dass die Zentrale in München eingeweiht war.

Von Wolfgang Wittl

Von den vielen Dingen, die Horst Seehofer an Markus Söder gestört haben, gibt es eine Sache, die hat ihn besonders genervt: dieses ständige Übertrumpfen. Hat Seehofer an einer Idee getüftelt, hat Söder sie bereits ungeniert vorgestellt. Machte Seehofer einen Vorschlag, setzte Söder einen drauf. Immer Erster sein, alle übertreffen zu wollen - so jemand kann für einen Vorgesetzten anstrengend sein. Seehofer war der Hase, Söder der Igel. Wohin der eine auch wollte, der andere war schon da. Nun bekommt Söder selbst einen Eindruck, wie sich dieses Spiel anfühlt. Sein Igel heißt Alexander Dobrindt.

Vor zehn Monaten hat Söder die Macht von Seehofer in Gänze übernommen, in einem Monat will der Ministerpräsident als CSU-Chef wiedergewählt werden. Die Frage war ja, was Söder mit dieser Macht anstellt. Nun, ziemlich viel. Die mit weit über hundert Mitarbeitern aufgepumpte Staatskanzlei ist mehr denn je Kommandogeber, die Taktzahl in der Partei steigt und steigt. Diese Woche kaperte Söder auch noch die Klausur der Landtagsfraktion. Alle schauten auf sein Innovationsprogramm und seinen Auftritt mit Annegret Kramp-Karrenbauer. Die Abgeordneten und ihr Chef Thomas Kreuzer? Waren auch da.

Das System Söder verlangt totale Kontrolle; es gibt nichts, was der Chef nicht wissen will. Das verträgt sich nur bedingt mit den Ambitionen des Berliner Statthalters Dobrindt, der selbst gelegentlich einen Alleinvertretungsanspruch verspürt.

Die Animositäten in der CSU sind legendär, Dobrindt und Söder stehen in guter Tradition. Hier der Diener seines Herrn Seehofer, dort der ehrgeizige Herausforderer - das war lange die Gefechtslage. Als Söder sich weigerte, sich von Seehofer nach Berlin wegloben zu lassen, sagte Dobrindt vergnügt: Das Politikerleben sei eben kein Ponyhof. So gesehen haben sich Söder und Dobrindt erstaunlich schnell arrangiert. Wären da nicht diese Vorstöße aus Berlin, die sich alle paar Wochen wiederholen. Und von denen Münchner CSU-Leute sagen, diese Extratouren Dobrindts gingen ihnen gewaltig gegen den Strich.

Markus Söder

Markus Söder führt als CSU-Chef und Ministerpräsident das große Wort.

(Foto: Peter Kneffel/dpa)

Es begann mit den Plänen zum Klimaschutz. Während in der CSU-Zentrale noch fleißig gesammelt wurde, stellte Dobrindt bereits erste Maßnahmen vor. Der öffentliche Eindruck, er stehe für die ganze Partei, hat ihm nicht missfallen. Generalsekretär Markus Blume sprach von guten Vorschlägen, aber entschieden sei noch nichts. Als nächstes forderte Dobrindt in Berlin eine "Kampfpreissteuer" für Billigflüge. Diesmal intervenierte Blume deutlicher: "Dies ist kein abgestimmter Vorschlag der CSU." Überrascht zeigte sich die Parteispitze auch deshalb, weil alle wichtigen Köpfe inklusive Dobrindt zwei Tage vorher über solche Fragen beraten hatten, ohne sich festzulegen.

Schließlich die Sache mit dem Youtube-Video. Seit Wochen wird in der Parteizentrale an neuen Kommunikationsformen getüftelt, auch hier setzte Dobrindt den ersten Akzent. Söder, auf dessen Frühwarnsystem der weißrussische Geheimdienst neidisch wäre, wurde wieder kalt erwischt. Nicht mal Vize-Generalsekretär Florian Hahn, der in der Landesgruppe als Art Wachhund installiert wurde, gab einen Laut von sich. Dobrindt hatte die Sache alleine auf den Weg gebracht.

Eingeweihte berichten von mehrstündigen Seelenmassagen

In der Partei vermuten manche, Dobrindt liefere sich keinen Wettbewerb mit Söder, sondern mit Generalsekretär Blume. Auch von den beiden weiß man, dass sie sich so mögen wie ein Veganer einen Wurstsalat. Aber natürlich maßregelt Blume nur auf Geheiß Söders. Überhaupt wäre ein Duell mit Blume nicht auf jener Augenhöhe, die Dobrindt vorschwebt. Der Job als Generalsekretär liegt bereits zwei Stationen hinter ihm. Nach der Klimaklausur des CSU-Vorstands dankte er generös allen, die am Konzept mitgewirkt hätten. Es waren die Worte eines Parteichefs, wieder so eine kleine Grenzüberschreitung.

So kantig Dobrindt nach außen auftritt, so sensibel reagiert er intern auf Kritik. Eingeweihte berichten von mehrstündigen Seelenmassagen, die der Landesgruppenchef nach Blumes Anpfiff benötigt habe. Söder soll einen Rüffel bislang bewusst vermieden haben. Er schätzt Dobrindt als harten Verhandler und Wahrer der CSU-Interessen in Berlin. Kaum einer in der Partei kennt die bundespolitischen Fallstricke besser als der Landesgruppenchef. Dass er schneller als die meisten vom Flüchtlingshardliner zum Klimavorkämpfer mutierte, macht es Söder leichter, die Zweifler in den eigenen Reihen mitzunehmen. Wenn sogar Dobrindt vorauslaufe, könne nicht alles falsch sein. Kaum einer in Söders Umfeld hatte gedacht, dass das Tagesgeschäft zwischen Berlin und München so reibungslos verlaufen würde.

Alexander Dobrindt

Alexander Dobrindt führt als Landesgruppenchef das große Wort.

(Foto: Isa Foltin/Getty Images)

In Dobrindts Haus sieht man die jüngsten Aktionen keineswegs als unzulässige Amtsanmaßung, sondern als Demonstration der Eigenständigkeit. Ein Landesgruppenchef müsse wahrnehmbar sein. So definiert Dobrindt sein Amtsverständnis, und offenbar ist es ihm sehr ernst damit. Seine Vorgängerin Gerda Hasselfeldt hatte sich als Scharnier zwischen CSU und Kanzlerin Angela Merkel verstanden. Geräuschlos verrichtete sie die Regierungsarbeit, bis der Streit in der Flüchtlingspolitik eskalierte. Die Gefahr, dass Dobrindt mit der Kanzlerin kumpeln könnte, besteht beidseitig nicht. Mit Leuten, die Merkels Abschied mental gut verkraften dürften, kommt er besser klar: Jens Spahn, Ralph Brinkhaus, Christian Lindner. Die starke Stimme der Landesgruppe will Dobrindt sein. Allerdings klingt es nicht immer so, als würde er wirklich für alle sprechen. Auch Bundestagsabgeordnete murren, der Chef pflege ein unerfreuliches Einzelgängertum.

Kritiker werfen Dobrindt vor, er betreibe Politik nur aus dem Konflikt heraus, betrachte alle Fragen nur unter taktischen Erwägungen. Letzteres würde Dobrindt vermutlich als Kompliment verstehen. An seinem Image als kühler Stratege musste er lange arbeiten, seinen Mentor Seehofer hat er als Nummer eins der CSU in Berlin inzwischen abgelöst. Was jedoch nicht bedeutet, dass er bei der nächsten Bundestagswahl automatisch die Liste anführen würde. Beliebtheit war für ihn noch nie eine erstrebenswerte Kategorie. Parteifreunde spotten, Dobrindt verschrecke Wähler eher, als dass er welche gewinne.

Ähnliches wird von Landtagsfraktionschef Kreuzer behauptet, dem Mann an der zweiten zentralen Schnittstelle. Anders als der Generalist Dobrindt ist Kreuzer ein Mann der selektiven Themen. Er predigt Entlastungen für die Wirtschaft und einen harten Flüchtlingskurs. Die Fraktion hält er in Söders Sinn zusammen. Söder weiß: Wenn er Kreuzer überzeugt, folgen ihm auch die Skeptiker. So unterschiedlich die beiden Fraktionschefs sind: "Blendend" sei die Stimmung zwischen Landesgruppe und Fraktion, sagte Kreuzer in Banz bei Dobrindts Besuch. Blendend? Davon könne ja wohl keine Rede sein, erwiderte Dobrindt: Das Verhältnis sei "exzellent". Nun, Alleingänge sind von Kreuzer nicht zu erwarten.

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