Süddeutsche Zeitung

Impfstreit mit Aiwanger:Mit wem die CSU sonst noch regieren könnte

Lesezeit: 4 min

CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer hat den Freien Wählern mit dem Ende der Koalition gedroht. Tatsächlich könnte sich Ministerpräsident Markus Söder andere Partner suchen - sogar die SPD wäre nicht abgeneigt.

Von Andreas Glas, München

Der Impfstreit zwischen Ministerpräsident Markus Söder und seinem Vize Hubert Aiwanger belastet das Regierungsbündnis aus CSU und Freien Wählern. Die Opposition drängt Söder zu einem Machtwort, CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer schließt einen Bruch der Koalition einerseits aus und sagt andererseits, dass es "theoretisch immer andere Optionen" gebe.

Aber welche Optionen hätte Söder eigentlich? Ein Überblick.

Schwarz-Orange

November 2019, Staatskanzlei München. Zwei Monate vor dem ersten Corona-Fall in Bayern versichern sich Söder und Aiwanger fast zärtlich ihre Zuneigung. "Dieses erste Jahr hat auf alle Fälle Lust auf mehr gemacht", sagt Aiwanger über das schwarz-orange Regierungsbündnis. Und Söder findet: "Das ist eine Modellkoalition." Eine Szene, die aus heutiger Sicht fast wie ein Sketch daherkommt.

Es ist ja wirklich so: Im Rückblick kann man sich kaum vorstellen, was Söder und Aiwanger so hätte voneinander entfernen können, hätte es die Pandemie nicht gegeben. Manche hätten womöglich gar nicht gemerkt, dass da zwei Parteien regieren, so nah liegen CSU und Freie Wähler inhaltlich beinander. Aber dann kam die Pandemie und jeder kann seitdem zuschauen, wie inkompatibel die zwei Männer an der Spitze der Koalition plötzlich sind. Was spricht noch für eine Fortsetzung des Bündnisses?

Die Zusammenarbeit sei insgesamt gut, sagt Thomas Kreuzer. Aus Sicht des CSU-Fraktionschefs gibt es nur einen, der stört: Aiwanger, den er als "Sonderproblem" sieht. Dass Kreuzer die Koalition dennoch sanft in Frage stellt, nennt FW-Fraktionschef Florian Streibl "überraschend" und versichert, wie "hervorragend" die Zusammenarbeit sei. Stimmt ja, in Parlament und Kabinett haben die FW den Corona-Kurs im Wesentlichen mitgetragen; selbst Aiwanger hat bei Abstimmungen verlässlich die Hand gehoben. Wären da nicht seine ewigen öffentlichen Querschüsse gewesen, die CSU hätte gut leben können mit den vereinzelten Beschwerden aus der FW-Fraktion, der Söders Kurs an manchen Stellen zu streng war.

Letztlich wird es also an Söder und Aiwanger liegen, ob die Koalition vielleicht doch platzt. Daran, wie lange sich Söder noch von Aiwanger auf der Nase rumtanzen lässt. Und daran, ob sich Aiwanger bis zur Bundestagswahl zügeln kann, oder: will. Lässt es Aiwanger weiter knallen, bringt ihm das Aufmerksamkeit im Wahlkampf, der die FW und ihn selbst nach Berlin katapultieren soll. Neulich äußerte Söder die Hoffnung, dass die Koalition nach der Wahl "noch seriöser" zusammenarbeiten werde. Eine kleine Bosheit und ein Indiz, dass Söder die Zeit bis zur Wahl so gut es eben geht aussitzen will. Dass er darauf setzt, dass sich Aiwanger danach wieder beruhigt - und die FW dann wieder das sind, was sie vorher waren: der bequemste aller möglichen Partner.

Schwarz-Grün

Man kann nicht reinschauen in den Ministerpräsidenten, aber vorstellen kann man sich schon, wie Söder gerade darüber fantasiert, wie das wäre, hieße sein Vize Ludwig Hartmann und nicht Hubert Aiwanger. Im Landtag ist es kein Geheimnis, dass Söder und der Grünen-Fraktionschef abseits der Kameras einen respektvollen Umgang pflegen. In der Corona-Krise waren die Grünen der CSU oft näher als die FW - was alle Christsozialen bestätigte, die Hartmann bereits nach der Landtagswahl 2018 für den vertrauenswürdigeren Partner hielten als den irgendwie schon immer unberechenbaren Aiwanger. Auf der Pro- und Contra-Liste für eine schwarz-grüne Koalition darf man den Namen Hartmann bedenkenlos auf der Pro-Seite vermerken.

Überhaupt ließ Söder ja öfter mal durchblicken, wie reizvoll er ein schwarz-grünes Bündnis fände, jedenfalls im Bund. Seit Söder den Baumflüsterer und Bienenversteher gibt, stellt sich auch in Bayern die Frage, ob die Grünen nicht logischer Partner für die CSU wären. Allerdings, die Parteibasis steht den Grünen weiterhin sehr reserviert gegenüber. Ihr Argument: Die Nähe zu den Grünen verschrecke die konservativen CSU-Stammwähler. Und es gibt ja nicht nur Hartmann, sondern auch Katharina Schulze, dessen Co-Chefin an der Fraktionsspitze, die vielen in der CSU zu forsch ist, auch Söder.

Inhaltlich gäbe es neben Gemeinsamkeiten beim Klimaschutz auch schwer zu überbrückende Unterschiede, etwa bei den Identitätsthemen Gender und Migration, um die man in der CSU aktuell lieber einen Bogen macht. Zwei Themenfelder, die an der CSU-Basis für die kulturelle Kluft zwischen Schwarz und Grün stehen - und damit auf der Contra-Seite.

Schwarz-Rot

Ist das etwa schon die Bewerbung ums Mitregieren? "Die Koalition aus CSU & FW in Bayern hat fertig", twittert Landtagsvizepräsident Markus Rinderspacher am Dienstag. Es brauche "mehr denn je eine seriöse und berechenbare Politik", findet Rinderspacher, der seine SPD vermutlich für seriös und berechenbar hält. Der SPD-Landesvorsitzende und Landtagsfraktionschef Florian von Brunn hat Rinderspachers Tweet direkt mit einem Herzchen versehen. Bietet sich die SPD also an?

Nein, sagt Brunn. Er sagt aber auch: Könnte die SPD ihre Ziele in einer Regierung umsetzen, könnte man "darüber reden". Was ein Fortschritt wäre im Vergleich zum Herbst 2018, als Söder vergebens versuchte, die damalige Bayern-SPD-Chefin Natascha Kohnen für ein Sondierungsgespräch ans Telefon zu kriegen. Allzu interessiert war er damals aber ohnehin nicht an einem Bündnis mit der SPD.

Daran hat sich wenig geändert. Dass einige CSU-Abgeordnete trotzdem lieber mit der SPD regieren würden als mit den Grünen, liegt nicht so sehr an der Anziehungskraft der Sozis - sondern an der abstoßenden Wirkung der Grünen auf breite Teile der Fraktion und der CSU-Basis. Den größten Konflikt gäbe es bei Schwarz-Rot wohl in der Steuerpolitik. Die SPD will mehr Steuern für höhere Einkommen, die CSU steht für Entlastungen. Andererseits: Die Steuerpolitik ist eher Sache der Bundespolitik, wo die SPD schon lange mit ihrer Rolle als kleinerer Partner in der Koalition hadert. In Bayern ist das anders, da wäre die SPD froh, wenn sie endlich mal mitregieren dürfte, um nicht bald komplett in der Unsichtbarkeit zu verschwinden. Beim neuen, ehrgeizigen Fraktionschef Brunn darf man jedenfalls davon ausgehen, dass er sich für regierungstauglich hält, und seine Partei womöglich auch.

Schwarz-Gelb

CSU und FDP. Ein Bündnis, das es schon gab, zwischen 2008 und 2013. Die FDP regierte geräuschlos mit - und flog am Ende aus dem Landtag, während die CSU die absolute Mehrheit zurückholte. Ein so komfortables Bündnis würden die meisten in der CSU auch jetzt einer Koalition mit Grünen oder SPD vorziehen. Der Haken: Rechnerisch ist Schwarz-Gelb nicht möglich.

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SZ vom 04.08.2021
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