Bayerische Landesregierung:Die Koalition hat ausgekuschelt

Coronavirus - Bayern Kabinettssitzung

Abstand zu halten fällt den beiden offenbar zunehmend leichter: Es soll schon besser gelaufen sein zwischen Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und seinem Stellvertreter Hubert Aiwanger von den Freien Wählern. Die andauernde Corona-Krise macht es nicht besser.

(Foto: Peter Kneffel/dpa)

Immer öfter weichen die Freien Wähler mit eigenen Vorschlägen von der Regierungslinie ab. CSU-Chef Söder hält sich mit öffentlicher Kritik zurück, doch in der Fraktion gärt es.

Von Lisa Schnell

Die Freien Wähler stellen ihre Forderungen vor, was sich ändern muss nach Corona - und bei der CSU sind sie verwirrt. Weniger darüber, was in dem fast 70-seitigen Papier der FW-Landtagsfraktion zu lesen ist, das offiziell am Dienstag präsentiert wird, sondern über den Vorgang an sich. Sitzen Sie mit den FW nicht in einer Koalition? Haben sie nicht alle Beschlüsse gemeinsam getroffen? Manche in der CSU sind sich da offenbar nicht mehr so sicher. "Die Freien Wähler müssen sich endlich entscheiden: Sind sie Regierung oder Opposition?", fordert etwa der frühere Wirtschaftsminister Franz Josef Pschierer und fügt gleich an: "Beides geht nicht."

Es ist etwa sechs Monate her, da überschlugen sich FW-Chef Hubert Aiwanger und CSU-Chef Markus Söder in ihren Lobeshymnen aufeinander. Aiwanger bekundete "Lust auf mehr", Söder nannte die Zusammenarbeit "bereichernd". Nun ist sie belastet, so sagt das Aiwanger, und ausnahmsweise würden sie ihm bei der CSU wohl zustimmen. Ausgerechnet die Koalition, die Söder zufolge den Beweis antreten wollte, dass man "auch ohne Streit gut regieren" könne, beharkt sich nun fast wöchentlich.

Der Grundkonflikt ist immer der gleiche. Er begann fast auf den Tag genau am 8. April. Da nämlich erreichte die CSU in einer Umfrage wieder Alleinregierungsstärke, die FW aber verharrten bei acht Prozent Zustimmung. Seitdem widersprach Aiwanger mehrmals öffentlich der Linie von Söder, und die FW versuchten immer öfter mit nicht abgestimmten Vorstößen ihr Profil zu schärfen.

In den Umfragen aber ließ sich kein großer Unterschied festmachen. Weiterhin profitiert vor allem die CSU von der Corona-Krise, die Werte der Freien Wähler stagnieren. Für Aiwanger ist dies offenbar kein Grund, seine Strategie zu ändern, sondern diese im Gegenteil noch zu verschärfen. Dafür sprechen seine Aussagen vom Wochenende, in denen er beklagt, dass die Positionen der FW nicht genügend gehört werden in der Koalition und er "Bewegungsfreiheit für Beine und Ellbogen" einfordert.

Als Ellbogen-Stoß dürfte bei der CSU auch der Vorschlag von Fraktionschef Florian Streibl gewertet werden, weitere Corona-Auflagen für Hotels zu lockern, und eben das Papier "Lehren aus Corona", in dem die FW auch Regierungshandeln und damit sich selbst kritisieren. Was die FW unter gesunder Selbstkritik und Profilschärfung verbuchen, ist für viele in der CSU ein erneutes Störfeuer und mancher in der Fraktion fragt sich, ob man da nicht gleich mit den Grünen hätte zusammengehen können.

Einer der größten Vorteile an einer bürgerlichen Koalition mit den FW war aus Sicht der CSU die Aussicht auf Harmonie und ein geräuschloses Regieren. Nun aber fällt es schwer, die Geräuschkulisse niedrig zu halten. Auch wenn es Ministerpräsident Söder durchaus versucht. Zu den Vorschlägen der FW-Fraktion heißt es aus der Staatskanzlei: kein Kommentar. Eine öffentliche Diskussion soll offenbar vermieden werden.

Von Söder hört man kaum ein kritisches Wort über seinen Stellvertreter Aiwanger. Intern soll es durchaus Aussprachen geben, an die sich Aiwanger aber augenscheinlich nur begrenzt gebunden fühlt. Indem sich Söder selbst dann eine öffentliche Zurechtweisung verkneift, folgt er der Lehre, die sie in der CSU aus dem Dauerkonflikt mit Kanzlerin Angela Merkel in der Flüchtlingsdebatte gezogen haben: "Öffentlicher Streit hat noch nie was gebracht", fasst es Landtagspräsidentin und CSU-Vorstandsmitglied Ilse Aigner zusammen. In der CSU-Fraktion allerdings regt sich nach dem jüngsten Vorstoß der FW dann doch etwas öffentliche Kritik.

"Kein Verständnis" kann Pschierer für das Papier der FW-Fraktion zu den "Lehren aus Corona" aufbringen. Dem Abgeordneten Jürgen Baumgärtner aus Oberfranken geht es da zwar ein wenig anders. "Dass die FW ein wenig aufgeregt sind, weil ihre Umfragewerte nicht so sind, wie sie es sich gerne wünschen, verstehe ich", sagt er. Er habe auch nichts dagegen, dass die Fraktion am Dienstag ihr Papier vorstellen möchte: "Sollen sie weiter an ihrem Profil arbeiten. Das ist schon in Ordnung."

Nach der Landtagswahl in Bayern - CSU-Landtagsfraktion

Jürgen Baumgärtner, CSU-Landtagsabgeordneter im bayerischen Landtag.

(Foto: dpa)

Ob das zu mehr Zustimmung in den Umfragen führen werde bezweifelt er aber. "Je mehr Pressekonferenzen die Freien Wähler machen, desto weniger Prozent haben sie", sagt er und klingt dabei weniger kollegial. Genau wie sein Tipp an FW-Chef Hubert Aiwanger, wie er mehr Aufmerksamkeit erreichen könnte: "Vielleicht sollte Aiwanger mal ein bisschen mehr Sachen sagen, die sinnvoll sind. Das hilft vielleicht auch." Man könne nicht "eine Million Wischmopps kaufen und dann denken, dass man eine gute Schlagzeile kriegt", sagt Baumgärtner in Anspielung auf die 90 000 Wischmopps, die Wirtschaftsminister Aiwanger für Notlager besorgt hatte. Aber wer weiß, vielleicht sei bei den Vorschlägen der FW diesen Dienstag ja was Sinnvolles dabei.

Einem davon gibt Landtagspräsidentin Aigner am Montag eine Abfuhr. Es geht dabei um die Eingriffe in die Grundrechte wie die Kontaktbeschränkungen. Bis jetzt entschied darüber alleine die Exekutive durch Verordnungen. Die FW aber wollen, dass in Zukunft bei drastischen Eingriffen in die Grundrechte das Parlament beteiligt sein soll. Die Rechte des Parlaments seien ihr als Landtagspräsidentin wichtig, sagt Aigner, nur: "Verordnungen gehen nie über das Parlament." Und so solle das auch in Zukunft bleiben.

Außerdem habe es ausgiebige Diskussionen in Ausschüssen und im Plenum zu den Grundrechtseingriffen gegeben: "Die Debatte hat stattgefunden. Das ist das Entscheidende." Andere Forderungen der FW, wie etwa die baldige Öffnung von Wellnessbereichen bei Hotels, teilen einige in der CSU durchaus. Auch in der Fraktion gibt es Bedenken, dass Bayern unter einem Wettbewerbsnachteil gegenüber Österreich leidet, wo die Wellnessbereiche schon offen sind.

Nur sagen wollen sie es bei der CSU, anders als bei den Freien Wählern, nicht öffentlich. Schließlich bespreche man so was intern mit dem Koalitionspartner - wie es sich gehöre.

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