Die CSU-Parteizentrale in der Parkstadt Schwabing, in der Kantine warten ein paar Dutzend Journalisten. Sie haben ihre Kameras aufgebaut, den Ton gecheckt, das Licht gesetzt. Alle sind bereit, aber wo steckt Markus Blume, der CSU-Generalsekretär? Es ist kurz nach 18 Uhr und Blume soll das alles jetzt erklären. Was das schlechte Ergebnis bedeutet, das sich laut erster Prognose abzeichnet für Armin Laschet, den Kanzlerkandidaten der Union. Wie die 33 Prozent zu bewerten sind, die die eine erste Prognose des B ayerischen Rundfunks für die CSU in Bayern ausweist. Und ob für Blume ein Zusammenhang besteht. Man ahnt da ja was.
18.04 Uhr. Ah, da kommt er ja schon. Markus Blume biegt um die Ecke. Dann nimmt das Schauspiel seinen Lauf. "Nicht zufriedenstellend" nennt Blume das CSU-Ergebnis, das sich im Laufe des Abends einpendeln wird, um 22 Uhr bei 32,5 Prozent. Blume sagt aber auch, dass die Umfragen "eines Besseren belehrt" worden seien. Nun müsse man abwarten, das werde noch "ein langer Abend". Über Laschet? Verliert er kein Wort. Es ist der Auftakt eines merkwürdigen Wahlabends, in jeder Hinsicht.
Kaum Parteiprominenz, kein Jubel, nur Stille, als die ersten Zahlen aufleuchten. Dabei war ja monatelang spekuliert worden über das Bühnenstück, das die CSU am Wahlabend aufführen würde. Eigentlich seit dem 20. April, dem Tag, als CSU-Chef Markus Söder kapitulierte, nach zehn Tagen Machtkampf, der die Nation in Atem hielt - und CDU-Chef Laschet die Kandidatur ums Bundeskanzleramt bescherte. Schon damals hieß es: Sollte die Wahl verloren gehen, würde Söder auf Laschet zeigen, der ihn, den Umfragekanzler, blockiert hat. Er würde auf Laschet zeigen und rufen: Er ist schuld! Und: Hättet ihr mal besser auf mich gesetzt! Aber jetzt? Stehen da 32,5 Prozent für die CSU in Bayern, 24,3 Prozent für die CDU im Bund. Und CSU-General Blume wirkt etwas unschlüssig, wie er das alles werten soll.
Wer die Fallhöhe dieses Wahlabends fassen möchte, muss weit zurückblättern, August 1949. Die CSU warb mit dem Spruch "Haltet in der Not zusammen!", der Parteichef hieß Hans Ehard und Edmund Stoiber war sieben Jahre alt, ein Knirps. Damals, bei der Bundestagswahl, holte die CSU in Bayern 29,2 Prozent. Nun, im September 2021, war die CSU drauf und dran, ihr schlechtestes Resultat aller Zeiten zu unterbieten. 28 oder 29 Prozent, sagten die letzten Umfragen. Zumindest der maximalen Schmach ist die CSU also entkommen.
Was heißt das jetzt alles? Zumindest vorerst hat sich die CSU entschlossen, das Drehbuch "Falscher Kandidat" unter Verschluss zu halten. Das steht kurz nach 19 Uhr fest, als Söder auf der Leinwand in der Kantine der CSU-Zentrale erscheint, zugeschaltet aus Berlin. Auch er sagt: "Unser Ergebnis in Bayern gefällt uns nicht." Er betont aber, dass das CSU-Resultat doch "deutlich über dem Bundesergebnis" liege und "ein substanzieller Beitrag" für das Ergebnis der Union sei. Was Söder hier aufführt, ist der Versuch, ein eigentlich enttäuschendes Ergebnis in einen Erfolg umzudeuten.
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Zieht das? Stimmt ja, im direkten Vergleich liegt die CSU wesentlich besser als die CDU. Wer den Blick nach Berlin lenkt, entdeckt also mildernde Umstände für die CSU. Allerdings: Man muss schon sehr konzentriert wegschauen, um die Probleme der CSU zu übersehen, die dieser Wahlabend direkt vor ihrer Haustür noch auftürmen könnte. Immerhin steht irgendwann nach 22 Uhr fest, dass die CSU doch nur ein Direktmandat verliert, jenes im Münchner Süden. Das nimmt die Grüne Jamila Schäfer dem CSU-Mann Michael Kuffer ab. Man muss wissen: Ihre direkt gewählten Abgeordneten präsentiert die CSU gern als Beweis ihrer Bürgernähe.
Statt der Erzählung, dass Laschet der falsche Kandidat war, bekommt das Publikum nun vermittelt, dass es vor allem die CSU gewesen sei, die Laschet die Wahl gerettet haben könnte. "Am Ende war doch entscheidend, dass wir in den letzten Tagen, in den letzten Wochen, beginnend mit dem CSU-Parteitag unser Potenzial deutlich besser ausgeschöpft haben", sagt Generalsekretär Blume. Frei übersetzt könnte das heißen, dass Söders Warnung an Laschet, nicht "mit Schlafwagen ins Kanzleramt zu fahren", den gemeinsamen Kandidaten doch noch irgendwie wachrütteln konnte.
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Auch Blume spricht im Laufe des Wahlabends vom "ziemlich substanziellen Beitrag" der CSU zum bundesweiten Wahlergebnis der Union. "Wir glauben fest an die Idee eines Jamaika-Bündnisses", sagt CSU-Chef Söder. Er wolle "in diese Gespräche gehen mit dem klaren Ziel, den Führungsauftrag für die Union zu definieren, dass Armin Laschet dann der Kanzler der Bundesrepublik Deutschland wird." Hoppla, hatte der CSU-Spitzenkandidat Alexander Dobrindt nicht gesagt, ihm fehle "die Fantasie" für eine Regierung unter der Führung einer Union, die nach der Wahl auf Platz zwei liegt? Auch Generalsekretär Blume, der vor der Wahl angekündigt hatte, dass es eine "Erneuerung" in der Union brauche, lässt diese Forderung am Sonntag erst mal stecken. "Wir als CSU haben das in der Vergangenheit schon getan", sagte Blume über den Modernisierungskurs, den Söder seiner Partei schon länger auferlegt, manche sagen: aufzwingt.
Die Art und Weise, wie Söder die CSU jünger, grüner und großstädtischer machen will, geht bekanntlich vielen in der Partei zu schnell - oder zu weit. Nach einer Wahl, die für Söder kein Erfolg war, dürfte diese Kritik eher lauter werden als leiser. Für den Moment schützt Söder die Tatsache, dass die CSU ein Ergebnis geholt hat, das er gerade noch so als passabel verkaufen kann. Spätestens, wenn es auf die Landtagswahl 2023 zugeht, dürften ihn die Debatten aber einholen.
Etwa jene, ob die CSU neben Söder weitere Identifikationsfiguren braucht. In der Partei wird das schon länger diskutiert, bislang eher im Verborgenen. Das Landpublikum, sagt ein Mitglied des Präsidiums, dürfe man "nicht dem Hubert Aiwanger überlassen", dem Parteichef der FW, denen die Hochrechnungen um 22 Uhr 6,9 Prozent in Bayern prophezeien. Eine Zahl, die allerdings kein Raunen auslöst in der CSU-Zentrale. Auch da hatten einige Schlimmeres befürchtet.