Süddeutsche Zeitung

Politik in Bayern:CSU verteilt intern Argumentationshilfe gegen die Ampelkoalition

Die Bundestagsabgeordneten der CSU haben sich einen internen Leitfaden verpasst - zum "Umgang mit der Ampel-Koalition". Die Argumentationshilfe beinhaltet sieben Stichpunkte und dazu knackige Parolen.

Von Andreas Glas und Johann Osel

Wer früher ein Kesselflicker war, hat ein ehrenwertes Handwerk ausgeübt: Pfannen, Töpfe oder eben Kessel reparieren. Heute ist kaum mehr die Rede von diesem Beruf. Umso erstaunlicher, dass die Kesselflicker gerade ein Comeback erleben, jedenfalls in der Rhetorik der CSU. Generalsekretär Martin Huber lästert über die "Ampel-Bundesregierung, die sich in allen Fragen wie die Kesselflicker streitet". Auch CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt findet, dass von der Berliner Koalition, die sich anfangs als "Happy Family" inszeniert habe, nur noch "die Family der Kesselflicker" übrig sei. In der CSU reden jetzt irgendwie alle über die Kesselflicker. Schon auffällig, aber eigentlich kein Thema. Wäre da nicht dieses Papier.

Keine eineinhalb Seiten lang ist der Leitfaden, den sich die Bundestagsabgeordneten der CSU verpasst haben - zum "Umgang mit der Ampel-Koalition", wie es in der Überschrift heißt. Das interne Papier, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt, ist quasi eine Anleitung zur Demontage der politischen Konkurrenz, konkret: der Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP. Eine Argumentationshilfe für die CSU-Parlamentarier und anscheinend auch in die ganze Partei hinein. Sieben Stichpunkte, dazu knackige Parolen. Unter Punkt drei ("Die Ampel ist eine Streit-Koalition") steht zum Beispiel: "Nach sieben Monaten Ampel ist nichts mehr da von ,We are familiy', sondern nur noch eine Familie der Kesselflicker mit Streit, Streit, Streit." Na, klingelt was?

Nun ist es nicht ungewöhnlich, dass Parteien, nicht nur die CSU, Strategiepapiere erarbeiten, auch mit Blick auf den politischen Gegner. Dass solche Papiere den Weg in die Öffentlichkeit finden, ist schon weniger üblich. Es soll ja nicht der Eindruck entstehen, dass hinter scheinbar sachlicher Kritik an der Konkurrenz nur plumpe Wahlkampfrhetorik steckt. Das CSU-Papier spart durchaus nicht mit Sachkritik - nur liefert es eben auch einen Einblick in den strategischen Maschinenraum der Partei. "Wir sind als CSU im Bundestag das Gegenmodell zur Ampel", heißt es darin. Es folgen die sieben Thesen, mit denen die Abgeordneten hausieren gehen sollen, darunter: "Die Ampel liefert nicht" (Punkt eins) oder "Das Ampel-Krisenmanagement ist schlecht" (Punkt vier). Es drohten "Rekordschulden", die Bundesregierung sei "ein linkes Projekt mit Unterstützung der FDP", auch das steht drin.

Oder dieser Arbeitsauftrag hier, Punkt sieben: "Bayerische Agenda der CSU betonen". Dazu gehört auch die Weisung, einen herausgegriffenen Satz des Grünen-Landeschefs Thomas von Sarnowski zu zitieren. "Regionalinteressen vertreten ist altes Denken", hatte der neulich laut Medienberichten gesagt. Diese Beschwörung der nationalen Verantwortung von Politik solle, so das CSU-Papier, als Argument verwendet werden, dass die Grünen keine Verantwortung in Bayern tragen dürften. Man sieht: Alles riecht bereits nach Landtagswahlkampf in diesen Sommerwochen. Dabei findet die Wahl erst im Herbst 2023 statt.

Normalerweise gibt es solche Argumentationshilfen denn auch direkt vor Wahlen. Zur Bundestagswahl 2021 etwa hatte der damalige CSU-Generalsekretär Markus Blume seinen Wahlkämpfern zehn Punkte gegen jede Partei mitgegeben - SPD-Mann Kevin Kühnert diskutiere "unwidersprochen" die Enteignung von BMW, derlei Dinge. Im Landtagswahlkampf 2018 wiederum hatten Argumente gegen die FDP für einen Aufreger gesorgt. Die Liberalen, wurde da gerügt, präsentierten Schülerinnen und Schülern gleichgeschlechtliche Partnerschaften "offensiv" als "normales Familienmodell". Julika Sandt, stellvertretende FDP-Fraktionschefin im Landtag, hat vom aktuellen Leitfaden gehört und ist erstaunt über den frühen Zeitpunkt: "Offenbar hat die CSU jetzt schon Panik vor einer Wahlschlappe". Doch sie gibt sich gelassen: "2018 haben wir die Kinder schwul gemacht, heuer leitet die Ampel den Untergang der Republik ein", sagt Sandt - das gehe eher als Kabarett durch.

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