Süddeutsche Zeitung

Gesundheit:Informationen über Coronavirus in Zügen

Gesundheitsministerium will Italien-Rückkehrer gezielt ansprechen. Großräumige Absperrungen nur als Ultima Ratio.

Von Dietrich Mittler

Auch wenn augenblicklich im Freistaat kein neuer Corona-Infektionsfall bekannt ist, will Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) für den Fall gerüstet sein, dass der neue Erreger Sars-CoV-2 möglicherweise demnächst unkontrolliert in Bayern zahlreiche Menschen infiziert. "Um eine Coronavirus-Ausbreitung einzudämmen, kann es auch einschneidende Maßnahmen geben", sagte die Ministerin am Dienstag der Süddeutschen Zeitung. Dabei habe "der Schutz der Bevölkerung oberste Priorität". Mit der Absicht, alle Optionen durchzuspielen, lud Huml nun unter anderem Vertreter der bayerischen Ärzte zu einer Planungsrunde ein.

Im Anschluss daran fand am Nachmittag eine Lagebesprechung mit Experten des Innenministeriums statt, denn als Ultima Ratio will die Ministerin nicht ausschließen, dass - wie in Italien bereits geschehen - auch in Bayern großräumige Absperrungen infrage kommen könnten. Dabei sei aber unbedingt Augenmaß gefragt, sagte Huml. "Es sollte zunächst auf andere Lösungsmöglichkeiten gesetzt werden, bevor über die Abriegelung einer Stadt entschieden wird", betonte sie. Geplant ist vorerst aktualisiertes Informationsmaterial, das sich gezielt an rückkehrende Italienreisende wendet. Beispielsweise solle auch vermehrt in Zügen informiert werden, sagte Huml der Nachrichtenagentur dpa. Denkbar sei zudem, im Zweifelsfall Schulen oder Kindergärten zu schließen - so wie es bereits bei der Grippe geschehe.

Bayerns Wirtschaft bereitet sich unterdessen darauf vor, dass bedingt durch Covid-19 Lieferengpässe eintreten, die auch die Produktion im Freistaat beeinträchtigen. Die Rede ist von einem "Domino-Effekt", mit dem dann zu rechnen sei, wenn die chinesische Wirtschaft noch über einen längeren Zeitraum hinweg von der Ausbreitung des Coronavirus betroffen sei. Was indes zu tun ist, falls sich der Erreger nun tatsächlich über Italien auf den Freistaat ausbreitet, darüber wollen sich die Wirtschaftsvertreter erst einen Überblick verschaffen. "Wir behalten die aktuelle Situation im Auge", hieß es etwa von der Industrie- und Handelskammer (IHK) in München. Kurt Treumann, der Bereichsleiter der IHK Würzburg für internationale Handelsbeziehungen, sieht seitens der Wirtschaft vorerst keinen Anlass, Szenarien durchzuspielen, in denen in Bayern ganze Ortsteile oder gar Städte unter Quarantäne stehen. "Natürlich muss sich die Politik dazu Gedanken machen", sagte er. Aber es wäre fatal, sich nun von Ängsten treiben zu lassen. Mit China, wo sich der Virus massiv verbreitet hat, seien die Umstände in Bayern nicht vergleichbar. "Das fängt bereits bei den Wohnverhältnissen an - in Chinas Metropolen leben die Menschen sehr viel dichter aufeinander", sagte Treumann. Vor Aktionismus könne man nur warnen.

Diese Einschätzung ist auch aus der Bayerischen Landesärztekammer (BLÄK) zu hören, die mit bei der Besprechung im Gesundheitsministerium vertreten war. Besonnenes Vorgehen schließe aber durchaus bestimmte Präventionsmaßnahmen ein, wie sie bei verstärktem Auftreten von Infektionskrankheiten wie der Influenza üblich seien. In diesem Sinne erhielten die BLÄK-Mitarbeiterinnen und -mitarbeiter Empfehlungen zum Schutz vor Covid-19. Dazu gehören das "Unterlassen von Händeschütteln", "verstärkte Handhygiene" und "regelmäßiges Lüften der Büroräume". Zudem gelte es, "bei auftretenden starken Erkältungssymptomen" zu prüfen, ob es nicht sinnvoller sei, zu Hause zu bleiben.

Auch Ruth Waldmann, die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion betonte am Dienstag, es gelte Panik zu vermeiden. In diesem Sinne sei es aber geboten, die Bevölkerung jetzt rasch und umfassend zu informieren. "Maßnahmen wie Abriegelungen oder häusliche Quarantäne müssen erklärt und begründet werden", sagte sie. Schutzmaßnahmen könnten nur wirken, "wenn alle Bescheid wissen und sich daran halten". Dass die vielen Corona-Infektionen in Italien womöglich nicht spurlos an Bayern vorbeigehen, liegt für die SPD-Gesundheitsexpertin auf der Hand.

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SZ vom 26.02.2020
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