Coronavirus:Bayern erlässt Schul- und Kitaverbot für Südtirol-Urlauber

Wegen Corona-Verdacht geschlossene Kinderkrippe in Zolling (Landkreis Freising)

Im Landkreis Freising werden immer mehr Menschen positiv auf das neuartige Coronavirus getestet. In dieser Woche wurde deshalb vorsorglich eine Kinderkrippe in der Gemeinde Zolling geschlossen.

(Foto: dpa)

Kinder, die in einem Corona-Risikogebiet waren, dürfen danach 14 Tage lang nicht mehr in Schule oder Kindergarten. Warum erst jetzt und warum nicht auch Lehrer? Dafür haben die Experten ihre Gründe.

Von David Costanzo, Johann Osel und Kassian Stroh

Bis zum Freitag war es nur eine Empfehlung, zu Hause zu bleiben, seit Samstag ist es ein Betretungsverbot: Eltern dürfen in Bayern ihre Kinder ab sofort nicht mehr in die Schule oder den Kindergarten schicken, wenn sie zuvor in einem Coronavirus-Risikogebiet waren. Dieses Verbot gilt nach der Rückkehr für 14 Tage. Und es gilt auch, wenn sich die Kinder völlig gesund fühlen.

Um die Ausbreitung des neuen Erregers einzudämmen, hat die Staatsregierung die Regeln deutlich verschärft und eine "Allgemeinverfügung" erlassen. Das teilte das Gesundheitsministerium mit. So etwas hat es in Bayern seit mindestens 2001 nicht mehr gegeben, seit es das Infektionsschutzgesetz gibt.

Die Regelung betrifft vor allem die vielen Südtirol-Urlauber: Nun gilt auch diese Provinz als Coronavirus-Risikogebiet. Kinder, die dort bis zum Ende der Faschingsferien Skifahren waren, müssen nun die ganze nächste Woche zu Hause bleiben. Wenn sie erst jetzt am Wochenende wieder heimgefahren sind, sogar die nächsten beiden Wochen. Das Betretungsverbot gilt für alle Schulen, Kindertagesstätten, Heilpädagogischen Tagesstätten und Kindertagespflegestellen - somit auch für Tagesmütter, selbst dann, wenn diese nur ein Kind betreuen, wie das Ministerium wissen lässt.

Dass nun Kinder zu Hause bleiben müssen, die vergangene Woche noch in der Schule waren, mag widersinnig erscheinen. Das liegt aber laut dem Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) daran, dass Südtirol erst am Donnerstag vom Robert-Koch-Institut zum Risikogebiet erklärt wurde - und zwar nicht zuletzt auf Betreiben der bayerischen Behörden hin, die immer mehr Südtirol-Heimkehrer (insbesondere aus dem Grödnertal) positiv auf Sars-CoV-2 testeten und Alarm schlugen. "Vorher hatte man den Sachstand nicht", sagt ein Experte.

Auch dass Erzieher oder Lehrer, die zuletzt in Südtirol waren, weiterhin Kinder betreuen und Unterricht halten dürfen, so lange sie nicht Krankheitssymptome wie Fieber oder Husten zeigen, verwirrt auf den ersten Blick. Experten begründen dies damit, dass Kinder generell Infekte leichter übertragen, weil sie engeren Kontakt zueinander haben als Erwachsene. Zum anderen zeigten sich die Symptome der neuen Lungenkrankheit Covid-19 bei Erwachsenen eher als bei Kindern. Sprich: Je kleiner das Kind, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass es unerkannt das neue Coronavirus in sich trägt und verbreitet. Intern diskutiert wurde in der Staatsregierung deshalb auch, die Allgemeinverfügung mit einer Altersgrenze von zum Beispiel zehn oder zwölf Jahren einzuschränken - davon sah man am Ende aber ab.

So heißt es nun in der Begründung der Allgemeinverfügung, dass die Übertragung des Erregers bei Kindern besonders schnell gehe, weil sie miteinander spielen, dabei engen Kontakt haben und weil sie für das "Einhalten disziplinierter Hygieneetiketten" noch zu jung seien; und darauf könnten die Erzieherinnen nicht ständig Acht geben. Damit sei in Schulen und Kindertagesstätten die Gefahr groß, "dass sich Infektionen innerhalb der Einrichtung verbreiten und diese nach Hause in die Familien getragen werden".

In Weilheim ist ein 80-Jähriger erkrankt und in einem "kritischen Zustand"

Formal betrifft die Verfügung alle Rückkehrer aus jenen Gebieten, die das Robert-Koch-Institut (RKI) offiziell als Risikogebiet einstuft. Das sind derzeit etwa Teile des Iran, Südkoreas und Chinas, aber auch die italienischen Regionen Lombardei und Emilia-Romagna sowie Südtirol. Sollte das RKI weitere Regionen aufnehmen, würde das Schul- und Kita-Verbot auch für Urlaubsheimkehrer von dort gelten. Eltern, die sich nicht daran halten, droht nach dem Infektionsschutzgesetz eine Strafe, offiziell von bis zu 25 000 Euro. Durch Südtirol zu fahren und dort allenfalls für Toilettenpause oder Tankstopp auszusteigen, gilt im Übrigen nicht als Aufenthalt.

Die aktuelle Zahl der bestätigten Coronavirus-Fälle in Bayern ist bis zum Sonntag auf 200 gestiegen, die meisten davon in Oberbayern und Schwaben. Laut LGL-Chef Andreas Zapf ist dies immer nur eine "Momentaufnahme". Bisher könne man nachvollziehen, wo sich die Betroffenen angesteckt haben, sagte Zapf am Sonntag - vor allem in Norditalien und Südtirol, aber auch in Nordrhein-Westfalen. Die Infektionsketten seien "noch weitgehend darstellbar, in Bezug zu den Risikogebieten". Meist verlaufe die Krankheit eher harmlos, zwei Patienten aber seien schwerer erkrankt.

Einer von ihnen ist ein 80-Jähriger, der in Weilheim auf der Intensivstation behandelt wird. Er habe infolge seiner Coronavirus-Infektion eine Lungenentzündung und müsse beatmet werden, berichtet der Ärztliche Direktor Andreas Knez. Der Mann befinde sich seit Freitag in einem "kritischen Zustand". Er zähle zu den am schwersten Erkrankten in Deutschland und bekomme ein Medikament, das bei einer HIV-Infektion die Vermehrung des Erregers hemmen soll. Zudem erwartet die Klinik ein schwer zu beschaffendes Ebola-Präparat, für dessen Einsatz die Regierung von Oberbayern eine Sondergenehmigung erteilt hat.

Laut Knez leidet der Patient nicht an Vorerkrankungen. "Er ist ein sportlich aktiver, im Leben stehender Mann", sagt Knez. Allein das Alter mache ihn zum Risikopatienten. Am vergangenen Montag hatte der 80-Jährige wegen seiner Grippesymptome den Rettungsdienst gerufen. Ein Influenza-Test fiel am Mittwoch negativ aus, erst am Donnerstag war ein Coronavirus-Test positiv. Die zwölf Klinik-Mitarbeiter, die zuvor Kontakt mit ihm hatten, wurden negativ getestet.

Wegen der stetig steigenden Zahl an Fällen fordert die SPD, regionale Testzentren einzurichten - möglichst in jedem bayerischen Landkreis, wie die Gesundheitsexpertin der SPD-Landtagsfraktion, Ruth Waldmann, sagte. Viele Arztpraxen und Kliniken seien "mit dem Ansturm durch verunsicherte Patientinnen und Patienten schlichtweg überfordert". Besser wäre daher zentrale Anlaufstellen in den Landkreisen, in Gesundheitsämtern, Mehrzweckhallen oder auch Zelten, wo man sich testen lassen könne, ohne möglicherweise andere anzustecken, sagte Waldmann, die auch stellvertretende Vorsitzende des Gesundheitsausschusses im Landtag ist.

Unabhängig von Waldmanns Vorstoß spreche man darüber bereits mit der Kassenärztlichen Vereinigung, sagte Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU). Nach einer Sitzung des Corona-Krisenstabs der Staatsregierung begrüßte sie, dass es in einigen Kommunen solche Teststellen bereits gebe, etwa im Raum Augsburg. Generell stelle sich aber immer die Frage, ob nicht ein Zentrum mit Warteschlangen Risiken birgt und ob nicht aufsuchende Tests zu Hause der bessere Weg seien. Am Ende könnten auch Lösungen stehen, die nicht überall in Bayern gleich organisiert sind.

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