Nach abermaligen Störungen in Bayerns digitalem Schulnetzwerk Mebis verschärft die Staatskanzlei ihren Ton gegenüber dem Kultusministerium. "Die erneuten Störungen bei Mebis sind unverständlich und ärgerlich. Wir haben den klaren Auftrag an das Kultusministerium erteilt, die Probleme umgehend zu beheben", sagte Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) am Mittwoch. "Die Störungen auf der Lernplattform müssen jetzt abgestellt werden. Nach den Ferien muss der Distanzunterricht reibungslos stattfinden können, wenn es notwendig ist."
Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte Kultusminister Michael Piazolo (FW) am Dienstag im Landtag zunächst verteidigt und dann ebenfalls ein Ultimatum gestellt: Nach den Ferien müsse Distanzunterricht überall funktionieren. Am Mittwoch legte Söder im BR mit Kritik an Piazolo nach: Zwar funktioniere der Distanzunterricht an vielen Schulen, an anderen aber nicht. "Das hat übrigens jetzt nicht nur mit Logistik zu tun, sondern auch mit mancher Entscheidung."
Als eine dieser Fehlentscheidungen sieht Söder offenkundig das Kommunikationschaos, das Montag und Dienstag große Verwirrung an den Schulen ausgelöst hatte: Zunächst hatte das Kultusministerium Anweisungen an Eltern und Schulen verschickt, wonach nur in Abschlussklassen und beruflichen Schulen verpflichtend Distanzunterricht umgesetzt werden solle. Alle anderen sollten "distanzlernen", also üben und wiederholen. Piazolo ruderte am Dienstag zurück und sprach von einem Missverständnis, er habe Druck rausnehmen wollen, denn im Distanzunterricht dürfen Lehrern mündliche Noten vergeben, beim Distanzlernen nicht. Die Kritik von Eltern, Lehrerverbänden und Opposition am Minister fiel scharf aus. Er habe sich über die Kommunikationspanne geärgert, die an vielen Schulen Unsicherheit ausgelöst habe, sagte nun auch Söder.
Zu Beginn des bayernweiten Distanzunterrichts machte Mebis am Mittwoch erneut Probleme. Die Ursache war bis zum Nachmittag unklar. Das zuständige Staatsinstitut für Schulqualität (ISB) vermute ein Caching-Problem, sagte ein Ministeriumssprecher. So wie in der vergangenen Woche. Der Kultusminister versprach eine Lösung für die Zeit nach den Weihnachtsferien. Auch Piazolo scheint die Geduld mit Mebis auszugehen: "Leider zeigt sich seit letzter Woche unter erhöhter Last: Alle umgesetzten Maßnahmen zeigen bislang nicht die Wirkung, die ich mir wünsche. Das ist für mich nicht akzeptabel. Schulen, die im Distanzunterricht auf die Mebis-Lernplattform zugreifen wollen, müssen zuverlässig arbeiten können." Diese Worte dürften auch bei den 16 Mebis-Betreuern am ISB angekommen sein.
Mebis wurde von 2012 an unter Piazolos Vor-Vorgänger Ludwig Spaenle (CSU) vom ISB entwickelt und seither ausgebaut. Spaenle, sein Nachfolger Bernd Sibler (CSU) und Piazolo lobten das Netzwerk bisher stets, auch weil Bayern eines der wenigen Bundesländer war, das im Frühjahr eine solche Plattform hatte. Über Mebis sollen 1,7 Millionen Schüler eigentlich Lerninhalte abrufen, sich testen und ihre Unterlagen hochladen. Das Programm setzen viele Schulen im normalen Unterricht ein. Aber dem Ansturm scheint das System trotz des Serverausbaus von sechs auf 28 nicht gewachsen zu sein. Trotzdem gibt es unter digital affinen Lehrern viele, die auf Mebis schwören und deren Schüler durch die Ausfälle der Plattform kaum beeinträchtigt werden. Wer sich umhörte, erfuhr von einigen, dass sie ihre Schüler auch ohne Mebis mit Aufgaben versorgen, sodass die Kinder sinnvoll beschäftigt sind. Neben Mebis und dem Kommunikationsprogramm Microsoft Teams werden an digital affinen Schulen diverse Programme zur digitalen Kommunikation eingesetzt.
Angesichts des neuen Mebis-Ausfalls legte auch die Landtagsopposition mit Kritik nach: Matthias Fischbach (FDP) forderte wieder Piazolos Rücktritt. Auch Simone Strohmayr (SPD) sprach von "unverzeihlichem Totalversagen" Piazolos. Für Max Deisenhofer (Grüne) war der neue Mebis-Ausfall "ein Systemcrash mit Ansage". Sollte Piazolo es sich nicht zutrauen, die Schulen bis Januar fitzumachen, "sollte er andere ranlassen".
Markus Bayerbach (AfD) sieht Ministerpräsident Söder als "Hauptschuldigen" an den "Versäumnissen" bei der Digitalisierung, weil Schulen "kaputtgespart" würden.