Corona-Leugner:Ermittlungen gegen Gebirgsjäger

Corona-Leugner: Die Hauptwache an der Hochstaufen-Kaserne in Bad Reichenhall. Hier sind die beiden Soldaten stationiert, gegen die nun Ermittlungen laufen.

Die Hauptwache an der Hochstaufen-Kaserne in Bad Reichenhall. Hier sind die beiden Soldaten stationiert, gegen die nun Ermittlungen laufen.

(Foto: Sven Hoppe/dpa)

Zwei Verschwörungsanhänger und radikale Gegner der Corona-Maßnahmen beschäftigten den Verteidigungsausschuss und die Justiz. Den beiden Soldaten aus Bad Reichenhall droht der Rauswurf.

Von Sebastian Beck und Nadja Tausche, München

Die kruden Videobotschaften und Chatnachrichten zweier Soldaten der Gebirgsjägerbrigade 23 in Bad Reichenhall beschäftigen inzwischen auch den Verteidigungsausschuss der Bundeswehr. Am Mittwoch erstatteten zwei hochrangige Beamte in einer nichtöffentlichen Sitzung des Ausschusses Bericht: Neben Martina Rosenberg, der Präsidentin des Bundesamtes für den militärischen Abschirmdienst, nahm auch Generalinspekteur Eberhard Zorn Stellung zu den Vorfällen. Aus Teilnehmerkreisen hieß es, derzeit gebe es keinen Verdacht, dass sich am Standort womöglich ein Netzwerk von radikalisierten Querdenkern etabliert haben könnte. Die beiden Soldaten, gegen die ermittelt wird, seien in unterschiedlichen Bereichen eingesetzt gewesen und hätten unabhängig voneinander gehandelt.

Vor der Sitzung des Verteidigungsausschusses war bekannt geworden, dass neben dem 29-jährigen Oberfeldwebel Andreas O. noch ein zweiter Gebirgsjäger ins Visier der Ermittler geraten ist. Ein Sprecher der Bundeswehr bestätigte, dass gegen ihn Ermittlungen liefen. Der Mann habe gegen Befehle verstoßen. Einem Bericht des BR zufolge soll der Soldat auf der Plattform Telegram eine siebenminütige Sprachnachricht verbreitet haben. Darin soll er unter anderem gesagt haben, er befinde sich "im Krieg" und im "Endkampf". Seine Kameraden fordert er auf, sie sollten sich auf keinen Fall impfen lassen. "Die Zionisten ziehen aus dem Hintergrund immer noch die Fäden", lautet ein weiterer Satz aus der Sprachnachricht, die vom BR zitiert wurde. Wie es heißt, soll der Hauptfeldwebel bis zuletzt im Dienst gewesen sein. Gegen ihn ermittelt nun der Militärische Abschirmdienst, außerdem wird die Staatsanwaltschaft Traunstein noch diese Woche übernehmen.

"Dies ist eine Warnung."

Bereits vor zwei Wochen war der Gebirgsjäger Andreas O. am Münchner Odeonsplatz vor der Feldherrnhalle vorübergehend festgenommen worden. Dort hatten sich mehrere Polizisten positioniert, nachdem bekannt geworden war, dass der Soldat dort auftauchen könnte.

In auf Telegram und Twitter verbreiteten Videos spricht O. davon, dass die verfassungsmäßige Ordnung der Bundesrepublik Deutschland gestört sei. Unter anderem verlangte er die Rücknahme der staatlichen Corona-Maßnahmen und der sogenannten Duldungspflicht, nach der die Covid-Impfung in der Bundeswehr zur Vorschrift wurde. "Dies ist eine Warnung", sagt er in der Aufzeichnung vor rund zwei Wochen. "Bis morgen", werde eine Äußerung dazu verlangt. Im Begleittext zum Video heißt es, die "verfassungsmäßige Ordnung" müsse wieder hergestellt werden. "Die Soldaten geben sich bis morgen 16 Uhr dialogbereit." Zudem forderte er Polizisten und andere Soldaten auf, die sogenannten Spaziergänge der Impfgegner "gegen Angriffe von außen" zu verteidigen.

Welche Konsequenzen die Äußerungen für O. haben, ist noch unklar. Die Generalstaatsanwaltschaft München hat den Fall übernommen. Derzeit prüft die Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus, ob der Tatverdacht der öffentlichen Aufforderungen zu Straftaten erfüllt ist. Man ermittle aber in alle Richtungen, teilte ein Sprecher mit. Auch bei der Bundeswehr laufen Ermittlungen. Man habe direkt nach Bekanntwerden des Verdachts strafrechtliche und disziplinare Ermittlungen aufgenommen, sagt ein Sprecher. "Die Bundeswehr nimmt die Angelegenheit sehr ernst." Details könne man wegen der laufenden Ermittlungen nicht mitteilen.

Laut BR ist O. bereits früher auffällig geworden, deshalb habe man im April 2021 ein Uniformverbot gegen ihn erlassen und ihn vom Dienst suspendiert. Er selbst berichtete in einem Telegram-Video, er sei seit Januar 2021 freigestellt, weil er die Masken- und die Impfpflicht verweigert habe.

Nach Angaben der Bundeswehr gibt es bei den Gebirgsjägern in Bad Reichenhall derzeit drei Soldaten, die nicht zur Corona-Impfung bereit sind. Zwei von ihnen treten demnach "öffentlichkeitswirksam" als Impfgegner auf. "Soldaten, die sich ohne rechtfertigenden Grund der Impfung entziehen oder diese verweigern, handeln dienstpflichtwidrig", erklärte ein Sprecher. "Auch Versuche innerhalb der Gebirgsjägerbrigade 23 die Disziplin durch die Verbreitung von Unwahrheiten zu untergraben sowie andere Soldaten zum Ungehorsam aufzurufen, sind dienstpflichtwidrig und werden nicht geduldet." Sie würden als Dienstvergehen verfolgt.

"Innere Hygiene funktioniert"

Aufsehen erregt hatte zuvor ein Video, in dem O. bei einer Kundgebung gegen die Corona-Maßnahmen auftritt. Er richte seine Worte "an alle Feiglinge, alle Hochverräter am Grundgesetz", sagt er darin. "Eure Leichen wird man auf den Feldern verstreuen." Von einer Journalistin darauf angesprochen, ob er damit Politiker meine, widerspricht er auf einer anderen Veranstaltung - er habe nur gewarnt, "das hier wird in Gewalt enden". Dieses Video entstand bei einem "Spaziergang" von Impfgegnern in Magdeburg und wurde in der Telegram-Gruppe "Soldaten für das Grundgesetz" geteilt.

Florian Hahn, der verteidigungspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, sagte zur SZ, es dürfte bei der Bundeswehr keinerlei Toleranz gegenüber solchen Äußerungen geben. Die Soldaten müssten die Bundeswehr verlassen. Zugleich wies Hahn darauf hin, dass die Vorfälle von Dutzenden Kameraden der beiden Soldaten gemeldet worden seien. Das zeige, dass es bei den Gebirgsjägern in Bad Reichenhall kein Schweigekartell wie etwa bei der Spezialeinheit KSK gebe. Die "innere Hygiene" funktioniere, zumal Soldaten aus Bad Reichenhall bei der Corona-Kontaktverfolgung einen "sehr, sehr guten Job" machten.

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