Den allermeisten Geimpften geht es gut. Die Nachricht ist Gesundheitsminister Klaus Holetschek wichtig. "Wir haben in Bayern 29 Millionen Corona-Impfungen verabreicht. Dem stehen bislang 79 anerkannte Impfschäden gegenüber", sagte der Minister. Schäden sind also selten, aber es gibt diese Fälle. Die Betroffenen brauchen Hilfe, findet der Minister. Viele wüssten bislang nicht, an wen sie sich wenden können, zumal sehr viele Fehlinformationen im Netz unterwegs seien.
An diesem Montag startete in Bayern deshalb eine vom Ministerium initiierte und vom Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit betriebene Telefon-Hotline zum Thema "Post-Vac-Syndrom". Wer vermutet, dass ihn eine Corona-Impfung anhaltend krank gemacht hat, kann sich von Montag bis Freitag vormittags und zusätzlich am Donnerstagnachmittag unter 09131 6808 7878 über das sogenannte Post-Vac-Syndrom informieren.
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Impfungen schützen vor gefährlichen Krankheiten. Aber sie bergen immer auch ein Risiko. So führten Astra-Zeneca-Impfungen in seltenen Fällen zu Hirnvenenthrombosen. Bei Corona-Impfungen mit dem mRNA-Impfstoff von Biontech und Moderna kam es vereinzelt zu Herzmuskelentzündungen. Allerdings führt auch die Virus-Erkrankung selbst zu Herzmuskelentzündungen und diese verlaufen dann häufig schlimmer, wie eine Studie aus Skandinavien zeigte.
Das Post-Vac-Syndrom, über das die Hotline nun aufklären soll, beschreibt ebenfalls äußerst seltene Fälle, in denen die Menschen nach einer Impfung an Post-Covid ähnlichen Symptomen leiden. Hierzu gehört etwa das Chronische Fatigue-Syndrom. Patienten können dabei völlig unterschiedliche Beschwerden haben - die Symptome reichen von Kopfschmerz, Schlafstörung, Herzrasen, Bauchweh bis hin zu Schwindel. Sie eint aber, dass sich ihr Zustand oft schon bei kleinster Anstrengung verschlechtert.
Die Schwierigkeit: Es gibt noch keine wissenschaftliche Definition der Krankheit
Eine allgemein anerkannte wissenschaftliche Definition des Post-Vac-Syndroms gibt es noch nicht. Hierin dürfte auch die Schwierigkeit der Hotline liegen. Der Minister möchte den Menschen "Hilfestellung und Information" an die Hand geben. Genau diese aber würden selbst in der Wissenschaft gerade erst zusammengetragen, sagt Bernhard Schieffer, der am Universitätsklinikum Marburg eine interdisziplinäre Post-Covid-und Post-Vac-Ambulanz leitet. Jeden Tag haben sie dort Hunderte Anfragen zum Post-Vac-Syndrom. Sie kommen kaum hinterher. Gemeinsam mit anderen Wissenschaftlern hat er Ende März eine erste Klassifikation von Post-Covid und Post-Vac im Ärzteblatt veröffentlicht, die binnen Stunden tausendfach heruntergeladen wurde. Das Informationsbedürfnis und die Unsicherheit auch unter Ärzten sei noch riesig.
Schieffer findet es wichtig, Menschen, die einen solchen Verdacht haben, zuzuhören. "Das Thema ist zu lange totgeschwiegen worden." Auch die Hotline sei "prinzipiell eine extrem gut gemeinte Aktion". Nur: "Wer soll da Auskunft geben?", fragt er. Das müsste schon eine wissenschaftliche Taskforce sein. Sonst könnten Hotline-Mitarbeiter auch nur an den Hausarzt oder die nächste Post-Covid-Ambulanz verweisen, eine Übersicht dazu findet sich bereits auf der Homepage des Gesundheitsministeriums.
Exklusiv Corona:Nach der Impfung kam das Herzrasen
Sabine Wirtz lässt sich mit Moderna gegen Covid-19 impfen, danach bekommt sie eine Myokarditis. Impfschäden wie dieser sind extrem selten - doch oft genug fühlen sich Betroffene alleingelassen.
Dass beim Thema Post-Vac-Syndrom noch viele Fragen offen sind, weiß auch der Minister. "Hier besteht noch großer Forschungsbedarf", sagte er. Die Gesundheitsminister hätten den Bund deshalb gebeten, die Forschung zu intensivieren und stärker zu fördern. Wichtig sei: Post-Vac dürfe keinesfalls mit einem Impfschaden gleichgesetzt werden. Auch kurzfristige Impfreaktionen wie etwa Schmerzen an der Einstichstelle müssen vom Post-Vac-Syndrom abgegrenzt werden. Das variable Krankheitsbild macht eine Einordung schwierig. Dies macht es für die Betroffenen nicht einfacher, seriöse Informationen zu finden.
Wenn die Behörden tatsächlich einen schweren Schaden nach einer Covid-Impfung feststellen, steht den Betroffenen vonseiten des Staates eine Rente zu. Nach SZ-Recherchen sind bis Mitte März bundesweit 6682 Anträge auf Anerkennung eines Impfschadens durch eine Corona-Impfung eingegangen - der größte Teil davon mit 1617 Anträgen in Bayern. 285 Anträge wurden bundesweit genehmigt, 2075 abgelehnt, der Rest befindet sich noch im Prüfverfahren oder wurde von den Antragstellern selbst nicht mehr weiterverfolgt. Zu den anerkannten Schäden gehörten zum Beispiel Herzprobleme und neurologische Schäden. Manche Betroffene klagen zusätzlich auch noch vor Gericht gegen die Hersteller der Vakzine auf Schmerzensgeld oder Schadensersatz. Um hier zu gewinnen, müssen sie allerdings nachweisen, dass sie über die zum Zeitpunkt der Impfung bereits bekannten Risiken nicht ausreichend informiert wurden.