Süddeutsche Zeitung

Ausgangsbeschränkung:Lieber nicht zum Spitzingsee

Das Wetter soll bestens werden. Bayerische Politiker appellieren an die Bürger, beliebte Ausflugsziele am Wochenende trotzdem zu meiden, um eine Ansteckung mit dem Coronavirus zu verhindern.

Von Matthias Köpf, Schliersee

Die Bergbahnen auf den Taubenstein und den Stümpfling stehen längst still, und auch die Cafés und Wirtshäuser haben schon seit einer Weile komplett geschlossen. Und doch hat es am Spitzingsee nach der Beobachtung von Franz Schnitzenbaumer in der vergangenen Woche öfter fast keinen freien Parkplatz mehr gegeben. "Der Spitzing war komplett voll", sagt der Bürgermeister der Gemeinde Schliersee. Bei schönem Wetter würden alle die Berge hinauf rennen, Corona hin oder her.

Und selbst wenn die Menschen alleine oder höchstens zu zweit im Auto säßen, wenn sie aus München herauskämen, dann seien sie auf den Wanderwegen doch wieder im Pulk unterwegs. "Das sind ja Massen", sagt Schnitzenbaumer. Er stellt sich daher hinter den Vorschlag seiner Kollegen vom Tegernsee, Ausflüge und sportliche Unternehmungen nur noch in den Grenzen des jeweiligen Heimatlandeskreises zu erlauben. Doch die Staatsregierung will von einer solchen Verschärfung, jedenfalls im Augenblick, nichts wissen und belässt es bei Appellen.

Man werde jetzt keine weiteren Einschränkungen machen, sagte Ministerpräsident Markus Söder am Dienstag, denn "das wäre jetzt das falsche Signal". Innenminister Joachim Herrmann erklärte dem Radiosender Antenne Bayern, es sei "sicherlich nicht der Sinn der Sache, dass ich jetzt 50 Kilometer mit dem Auto fahre, um dann zehn Minuten spazieren zu gehen". Denn "dass man am Tegernsee oder am Walchensee dann plötzlich wieder auf einem Haufen mit 50 anderen ist, sollte vermieden werden". Solche Ansammlungen werde die Polizei möglichst auflösen.

Anlass dazu hätte sie vor allem in den beliebten Ausflugszielen der Münchner und anderer Ballungsraumbewohner. So tummelten sich zuletzt auch im Murnauer Moos und in den Ammergauer Alpen etliche Wanderer, Spaziergänger und Tourengänger, heißt es aus dem Landratsamt in Garmisch-Partenkirchen. Von einem regelrechten Massenauflauf ist dort aber ebenso wenig die Rede wie am Erholungsgelände Ambach am Ostufer des Starnberger Sees. Er habe zumindest nichts von solchen Problemen gehört, sagt der Münsinger Bürgermeister Michael Grasl, schränkt aber zugleich ein, dass er sich an alle Regeln und Empfehlungen zur Ausgangsbeschränkung halte und deswegen nicht persönlich in Ambach gewesen sei.

Auch die Bürgermeister im Tegernseer Tal haben ihre Forderung, die das Tegernseer Stadtoberhaupt Johannes Hagn an Ilse Aigner als lokale Stimmkreisabgeordnete herangetragen hat, größtenteils vorsorglich erhoben, denn seit Erlass der Ausgangsbeschränkungen habe es noch keinen großen Ansturm gegeben. Gleichwohl wird Hagn damit zitiert, er wisse "nicht, wer hinter den Münchnern den Dreck wegräumen soll". Am Tegernsee pflegen viele Menschen ein zwiespältiges Verhältnis zu den Ausflüglern, die keine Straßen und Züge verstopfen sollen, aber gern Geld in den örtlichen Restaurants, Cafés und Läden lassen dürfen - nur dass dieser Teil des Geschäfts gerade wegfällt, weil Gastronomie und Handel schließen mussten.

Die Bürgermeister vom Tegernsee haben auch an alle Bergwanderer appelliert, möglichst daheim zu bleiben, weil die Ehrenamtlichen der Bergwacht derzeit anderswo gebraucht würden. Ähnliches war zuvor schon aus dem Chiemgau und dem Berchtesgadener Land zu hören. Was sonstige Ausflügler betrifft, so sieht etwa der Bürgermeister von Schönau am Königssee, Hannes Rasp, derzeit keine Probleme: "Bei uns ist es ruhig. Ich hätte nicht geglaubt, dass die Leute so vernünftig reagieren." Eines aber vergisst Rasp ebenso wenig zu erwähnen wie Franz Schnitzenbaumer am Schliersee: Das Wetter am Wochenende sei eher schlecht gewesen, und unter der Woche müssten trotz Corona die meisten arbeiten. Doch wenn der Appell vom Tegernsee die vielen Ausflügler zur Vernunft bringe, fügt Schnitzenbaumer an, dann sei doch für die kommenden Wochen schon viel gewonnen.

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SZ vom 25.03.2020/wean
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