Süddeutsche Zeitung

Coronavirus in Bayern:"Was, du trägst Mundschutz?"

Fehlender Mundschutz in den Zügen, Partys ohne Abstand in den Städten: Manche Menschen in Bayern verspielen gerade leichtfertig die Erfolge im Kampf gegen Corona.

Kommentar von Sebastian Beck

Neulich in einem Münchner Vorortzug: Eine Gruppe betrunkener Frauen feiert lautstark ihren Start in den Urlaub - ohne Masken. Der Schaffner spricht sie nicht einmal darauf an, andere Reisende setzen sich weg. Am Samstagabend in Regensburg: Die gesamte Altstadt inklusive Steinerner Brücke wird zur Partyzone. Durch die Gassen schieben sich Menschenmassen, vor den Cafés bilden sich lange Schlangen. Mindestabstand? Maskenpflicht? Ein Witz.

Bayern scheint gerade Urlaub von Corona zu machen, egal, wo man hinkommt: Die einfachsten Regeln werden nur noch von einem Teil der Bevölkerung eingehalten, alle anderen ignorieren sämtliche Warnhinweise der Behörden, als ob in den vergangenen Monaten nichts gewesen wäre. Entsprechend groß ist das Konfliktpotenzial. Vor Supermarktkassen, in der Bäckerei, in der Schlange vor der Eisdiele - überall geraten Menschen wegen der Abstandsregeln und der Maskenpflicht aneinander.

Es gibt eine wachsende Zahl von Ignoranten, die in der Einhaltung von Vorschriften eine Form von willfähriger Unterordnung zu erkennen glauben. Eine Art Spießertum, gegen das es zu rebellieren gilt. "Was, du trägst Mundschutz? Ach komm, mach dich halt mal locker, es ist doch Sommer!" Solche Sprüche sind allein schon deshalb dämlich, weil die Träger von Masken in erste Linie nicht sich selbst schützen, sondern andere - auch jene, die bereits wieder im Feiermodus sind.

Die Corona-Fälle in Mamming, Rehau und anderswo zeigen einmal mehr, wie extrem schnell sich das Virus verbreitet. Es ist verständlich, dass in der Staatsregierung und unter Experten die Sorgen wachsen: Wenn im Herbst auch noch die Schulen wieder öffnen, könnte es durchaus zu einer zweiten Corona-Welle kommen. Und falls dann das aufkeimende öffentliche Leben wieder für Wochen runtergefahren werden müsste, käme das einer Katastrophe gleich, in wirtschaftlicher wie sozialer Hinsicht. Ganz zu schweigen von den Toten und jenen, die womöglich dauerhaft unter den Folgen der Krankheit leiden.

Bayern hat bei der Seuchenbekämpfung bisher vieles richtig gemacht, es ist fast schon tragisch, dass die Erfolge gerade wieder verspielt werden.

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Quelle:
SZ vom 29.07.2020/vewo
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