Trotz der Coronakrise:Die Stimmung in der Wirtschaft hat sich verbessert

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Mehr Fahrzeuge, mehr Druck: BMW-Autos laufen von den Fertigungsbändern im Werk Dingolfing. (Foto: dpa)

Zumindest in manchen Branchen. Die Exporte ziehen wieder an, doch bei einer Erfolgsindustrie bleibt die Lage angespannt.

Von Maximilian Gerl

Zwischen all den negativen Vorzeichen musste man die positive Nachricht suchen. Bayerische Firmen haben im Juli 11,6 Prozent weniger exportiert als noch vor einem Jahr, meldete am Mittwoch das statistische Landesamt. Noch schlechter fiel die Bilanz mit traditionell wichtigen Handelspartnern aus, die Ausfuhren nach Österreich etwa sanken um 13,4 Prozent, die ins Vereinigte Königreich um 14,2 Prozent. Verheerend liefen die Geschäfte mit den USA: Minus 24,3 Prozent wurden da verbucht. Die gute Nachricht? Es war schon viel schlimmer. Denn gegenüber Juni wuchsen die Exporte immerhin um 12,6 Prozent. Bayerns Außenhandel habe "erfreulich" zugelegt, teilte Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW) mit. Diese "zügige Erholung" mache Hoffnung.

Bayern ist derzeit ein sonderbares Land: Die Corona-Krise ist voll im Gange, trotzdem scheint es mit der Wirtschaft wieder etwas aufwärts zu gehen. Allerdings ist die Freude über die konjunkturelle Entwicklung dieser Tage ungleich übers Land verteilt. Mancherorts fehlt sie gar zur Gänze. Das lässt sich an Streiks beobachten, die Gewerkschaften im Kampf um Arbeitsplätze führen; an Branchendiensten, die vollere Auftragsbücher und die Aussicht auf steigende Umsätze melden; an den teils massiven Verlusten, die Firmen seit Monaten machen; oder eben an den Exportzahlen, in denen so vieles zusammenkommt, das die Wirtschaft im Freistaat auszeichnet. Kein Wunder, dass da selbst Minuszahlen plötzlich ein Hoffnungsschimmer innewohnt.

Statistisches Landesamt
:Krisenbilanz

Die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Beschränkungen waren für viele Branchen fatal. Doch die Untersuchung zeigt auch, dass die Probleme vor der Pandemie begannen.

Von Maximilian Gerl

Die Exportstatistik ist ein wichtiges Bewertungskriterium für den Zustand einer Volkswirtschaft - gerade, wenn diese wie die bayerische vom Export lebt. Auch Wirtschaftsvertreter zeigten sich darum über sie erfreut, beobachteten eine konjunkturelle Erholung. Aber: "Die Entwicklung ist insbesondere in der Industrie sehr heterogen", hieß es von Seiten der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft, "das bereitet uns Sorge." Vor allem im Autobau sind die Einbußen weiter groß. Pkw- und Wohnmobilhersteller kamen im Juli auf ein Export-Minus von fast 15 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, ihre Zulieferer auf eines von 23,8 Prozent. Beide Werte liegen deutlich über dem Durchschnitt. Dagegen sogar besser schnitten die Hersteller elektronischer Bauelemente (+8,7 Prozent) und pharmazeutischer Erzeugnisse (+39,2 Prozent) ab. Ähnlich sieht es bei der in Bayern immer noch weit verbreiteten Kurzarbeit aus. Laut Wirtschaftsforschungsinstitut Ifo hatten sie im Autobau 92 Prozent der Betriebe im August angemeldet. Auf annähernd hohe Werte wie die Autobauer kamen nur Zeitarbeitsfirmen (86 Prozent) und die arg gebeutelten Reisebüros (84 Prozent). Branchenübergreifend lag der Durchschnitt bei 44 Prozent für Bayern und 33 Prozent für Deutschland.

Schon deshalb mag sich allzu große Freude nicht breitmachen. Der Autobau gilt als Bayerns Leitbranche. Doch Teile davon befanden sich bereits vor Corona in der Krise, kämpften mit der Digitalisierung oder der Umstellung auf alternative Antriebsformen. Solche grundsätzlichen Probleme verschärfen sich nun und haben das Zeug, auch Unbeteiligte mitzureißen. Inzwischen haben so viele große Arbeitgeber einen Stellenabbau angekündigt, dass es schwerfällt, den Überblick zu behalten. Allein beim Automobilzulieferer Schäffler könnten bis Ende 2022 bis zu 4400 Arbeitsplätze wegfallen, etwa die Hälfte davon in Bayern. Dagegen demonstrierten am Mittwoch an acht bayerischen Standorten Beschäftigte, die Gewerkschaft IG Metall zeigte sich kämpferisch: Standortschließungen und Verlagerungen an Billigstandorte werde man nicht hinnehmen. Auch bei MAN und Continental bangen Tausende Menschen um ihre Jobs.

Die wirtschaftliche Erholung geht also derzeit mit Licht und Schatten zugleich einher. Und sie könnte sich lange hinziehen - wohl bis ins Jahr 2022, sofern das Infektionsgeschehen mitspielt. Die Staatsregierung versucht zwar, insbesondere in der Exportwirtschaft neue Impulse zu setzen. Doch die Weltwirtschaft kann sie nicht ankurbeln. Auch die Förderung neuer Technologien im Rahmen der Hightech-Agenda wird eher perspektivisch neue Geschäftsfelder eröffnen. Unabhängig davon bleibt für Teile des Dienstleistungssektors die Lage prekär, etwa für Gastronomen, Freiberufler oder Eventagenturen. Im Einzelhandel blickt man nervös auf das Weihnachtsgeschäft, das in anderen Zeiten manche Jahresbilanz gerettet hat. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.

© SZ vom 19.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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